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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Confutation.
sich Luther erhoben. Man ging vielmehr auf die tiefern
Begriffe der Rechtfertigung durch Christum, wie sie seitdem
in aller Welt gäng und gebe geworden, näher ein. Wenn
man zugleich die Nothwendigkeit der guten Werke festzuhalten
suchte, so geschah das doch in einem andern Sinne als
früher. 1

Dieß ist aber auch die einzige Modification, zu der
man sich verstand.

Denn in allen übrigen Punkten blieb man dem einmal
festgestellten Systeme treu. Man forderte die Anerkennung
der Transsubstantiation, der sieben Sacramente, die An-
rufung der Heiligen; man blieb bei der Versagung des
Kelchs und der Nothwendigkeit des Cölibats stehn, und
machte sogar einen Versuch, der freilich nicht anders
als mißlingen konnte, sie aus Aussprüchen der Schrift,
oder dem Gebrauch der ältesten Jahrhunderte, wobei man
sich denn wieder auf die falschen Decretalen stützte, herzu-
leiten; das Meßopfer ließ man sich nicht entreißen; vor al-
lem hielt man an dem Begriffe der lateinischen Kirche als
der allgemeinen fest. Den lateinischen Ritus in der Messe
vertheidigte man damit, daß der fungirende Priester bei wei-
tem mehr der ganzen Kirche angehöre, als der Gemeinde
die ihn umgebe.

Genug, wenn man auf der protestantischen Seite, durch
den Mißverstand der Lehre, und die eingerissenen Mißbräuche
veranlaßt worden war, unmittelbar auf die Schrift zurück-

1 Vgl. außer der Confutation De principum protestantium
confessione Joannis Eccii censura archiepiscopo Moguntino et
Georgio D. S. Augustae exhibita
bei Coelestin III, 36. Da diese
Schrift, an ein paar katholische Fürsten gerichtet, schon das Wesent-
liche der spätern Zugeständnisse enthält, so hebt sich damit die Ver-
muthung der Heuchelei, die man wohl vorgebracht hat.

Confutation.
ſich Luther erhoben. Man ging vielmehr auf die tiefern
Begriffe der Rechtfertigung durch Chriſtum, wie ſie ſeitdem
in aller Welt gäng und gebe geworden, näher ein. Wenn
man zugleich die Nothwendigkeit der guten Werke feſtzuhalten
ſuchte, ſo geſchah das doch in einem andern Sinne als
früher. 1

Dieß iſt aber auch die einzige Modification, zu der
man ſich verſtand.

Denn in allen übrigen Punkten blieb man dem einmal
feſtgeſtellten Syſteme treu. Man forderte die Anerkennung
der Transſubſtantiation, der ſieben Sacramente, die An-
rufung der Heiligen; man blieb bei der Verſagung des
Kelchs und der Nothwendigkeit des Cölibats ſtehn, und
machte ſogar einen Verſuch, der freilich nicht anders
als mißlingen konnte, ſie aus Ausſprüchen der Schrift,
oder dem Gebrauch der älteſten Jahrhunderte, wobei man
ſich denn wieder auf die falſchen Decretalen ſtützte, herzu-
leiten; das Meßopfer ließ man ſich nicht entreißen; vor al-
lem hielt man an dem Begriffe der lateiniſchen Kirche als
der allgemeinen feſt. Den lateiniſchen Ritus in der Meſſe
vertheidigte man damit, daß der fungirende Prieſter bei wei-
tem mehr der ganzen Kirche angehöre, als der Gemeinde
die ihn umgebe.

Genug, wenn man auf der proteſtantiſchen Seite, durch
den Mißverſtand der Lehre, und die eingeriſſenen Mißbräuche
veranlaßt worden war, unmittelbar auf die Schrift zurück-

1 Vgl. außer der Confutation De principum protestantium
confessione Joannis Eccii censura archiepiscopo Moguntino et
Georgio D. S. Augustae exhibita
bei Coeleſtin III, 36. Da dieſe
Schrift, an ein paar katholiſche Fuͤrſten gerichtet, ſchon das Weſent-
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muthung der Heuchelei, die man wohl vorgebracht hat.
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[255/0271] Confutation. ſich Luther erhoben. Man ging vielmehr auf die tiefern Begriffe der Rechtfertigung durch Chriſtum, wie ſie ſeitdem in aller Welt gäng und gebe geworden, näher ein. Wenn man zugleich die Nothwendigkeit der guten Werke feſtzuhalten ſuchte, ſo geſchah das doch in einem andern Sinne als früher. 1 Dieß iſt aber auch die einzige Modification, zu der man ſich verſtand. Denn in allen übrigen Punkten blieb man dem einmal feſtgeſtellten Syſteme treu. Man forderte die Anerkennung der Transſubſtantiation, der ſieben Sacramente, die An- rufung der Heiligen; man blieb bei der Verſagung des Kelchs und der Nothwendigkeit des Cölibats ſtehn, und machte ſogar einen Verſuch, der freilich nicht anders als mißlingen konnte, ſie aus Ausſprüchen der Schrift, oder dem Gebrauch der älteſten Jahrhunderte, wobei man ſich denn wieder auf die falſchen Decretalen ſtützte, herzu- leiten; das Meßopfer ließ man ſich nicht entreißen; vor al- lem hielt man an dem Begriffe der lateiniſchen Kirche als der allgemeinen feſt. Den lateiniſchen Ritus in der Meſſe vertheidigte man damit, daß der fungirende Prieſter bei wei- tem mehr der ganzen Kirche angehöre, als der Gemeinde die ihn umgebe. Genug, wenn man auf der proteſtantiſchen Seite, durch den Mißverſtand der Lehre, und die eingeriſſenen Mißbräuche veranlaßt worden war, unmittelbar auf die Schrift zurück- 1 Vgl. außer der Confutation De principum protestantium confessione Joannis Eccii censura archiepiscopo Moguntino et Georgio D. S. Augustae exhibita bei Coeleſtin III, 36. Da dieſe Schrift, an ein paar katholiſche Fuͤrſten gerichtet, ſchon das Weſent- liche der ſpaͤtern Zugeſtaͤndniſſe enthaͤlt, ſo hebt ſich damit die Ver- muthung der Heuchelei, die man wohl vorgebracht hat.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/271>, abgerufen am 17.05.2024.