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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reichstag zu Augsburg. Vorbereitungen.
sollte ich aber auch abgeschlossen haben, so giebt es viele
andre Anlässe, sie zu züchtigen, so oft es Euch gefällt,
Rechtsgründe, ohne daß Ihr der Religion zu gedenken
braucht; so manchen schlimmen Streich haben sie auch au-
ßerdem ausgeübt, und Ihr werdet Leute finden, die Euch
dazu gern behülflich sind. 1

Das war also die Absicht, zuerst in aller Güte einen
Versuch zu machen, ob man nicht die Protestanten zur Ein-
heit der lateinischen Christenheit, die nun wieder in Frie-
den gesetzt war, und als ein großes System erschien, zu-
rückführen könne; für den Fall aber, daß das nicht gelinge,
stellte man sich selbst die Anwendung von Gewalt in Aus-
sicht, und behielt sich das Recht dazu sorgfältig vor.

Doch wäre es nicht gerathen gewesen, die Antipathien
eines beleidigten Selbstgefühls durch Bedrohungen zu rei-
zen. Milde ist nur dann Milde, wenn sie allein erscheint.
Zunächst beschloß man, nur diese Seite hervorzukehren.

In Wahrheit, es kann nichts Friedeathmenderes ge-
ben als das Ausschreiben des Kaisers zum Reichstag,
worin er seinen Wunsch ankündigt, "die Zwietracht hin-
zulegen, vergangene Irrsal unserm Heiland zu ergeben, und
ferner eines jeden Gutdünken, Opinion und Meinung in
Liebe zu hören, zu erwägen, zu einer christlichen Wahrheit
zu bringen, alles abzuthun, was zu beiden Seiten nicht
recht ausgelegt worden." In dem Pallast, wo der Kaiser
neben dem Papst wohnte, ward dieser Erlaß unterzeichnet.
Der Papst ließ dem Kaiser freie Hand. Auch er wäre

1 Schreiben Ferdinands an den Kaiser, Budweis 18. Januar
bei Gevay Urkunden von 1531 p. 67. Vgl. das Excerpt aus dem
Schreiben des Kanzlers bei Bucholz III, 427.

Reichstag zu Augsburg. Vorbereitungen.
ſollte ich aber auch abgeſchloſſen haben, ſo giebt es viele
andre Anläſſe, ſie zu züchtigen, ſo oft es Euch gefällt,
Rechtsgründe, ohne daß Ihr der Religion zu gedenken
braucht; ſo manchen ſchlimmen Streich haben ſie auch au-
ßerdem ausgeübt, und Ihr werdet Leute finden, die Euch
dazu gern behülflich ſind. 1

Das war alſo die Abſicht, zuerſt in aller Güte einen
Verſuch zu machen, ob man nicht die Proteſtanten zur Ein-
heit der lateiniſchen Chriſtenheit, die nun wieder in Frie-
den geſetzt war, und als ein großes Syſtem erſchien, zu-
rückführen könne; für den Fall aber, daß das nicht gelinge,
ſtellte man ſich ſelbſt die Anwendung von Gewalt in Aus-
ſicht, und behielt ſich das Recht dazu ſorgfältig vor.

Doch wäre es nicht gerathen geweſen, die Antipathien
eines beleidigten Selbſtgefühls durch Bedrohungen zu rei-
zen. Milde iſt nur dann Milde, wenn ſie allein erſcheint.
Zunächſt beſchloß man, nur dieſe Seite hervorzukehren.

In Wahrheit, es kann nichts Friedeathmenderes ge-
ben als das Ausſchreiben des Kaiſers zum Reichstag,
worin er ſeinen Wunſch ankündigt, „die Zwietracht hin-
zulegen, vergangene Irrſal unſerm Heiland zu ergeben, und
ferner eines jeden Gutdünken, Opinion und Meinung in
Liebe zu hören, zu erwägen, zu einer chriſtlichen Wahrheit
zu bringen, alles abzuthun, was zu beiden Seiten nicht
recht ausgelegt worden.“ In dem Pallaſt, wo der Kaiſer
neben dem Papſt wohnte, ward dieſer Erlaß unterzeichnet.
Der Papſt ließ dem Kaiſer freie Hand. Auch er wäre

1 Schreiben Ferdinands an den Kaiſer, Budweis 18. Januar
bei Gevay Urkunden von 1531 p. 67. Vgl. das Excerpt aus dem
Schreiben des Kanzlers bei Bucholz III, 427.
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[229/0245] Reichstag zu Augsburg. Vorbereitungen. ſollte ich aber auch abgeſchloſſen haben, ſo giebt es viele andre Anläſſe, ſie zu züchtigen, ſo oft es Euch gefällt, Rechtsgründe, ohne daß Ihr der Religion zu gedenken braucht; ſo manchen ſchlimmen Streich haben ſie auch au- ßerdem ausgeübt, und Ihr werdet Leute finden, die Euch dazu gern behülflich ſind. 1 Das war alſo die Abſicht, zuerſt in aller Güte einen Verſuch zu machen, ob man nicht die Proteſtanten zur Ein- heit der lateiniſchen Chriſtenheit, die nun wieder in Frie- den geſetzt war, und als ein großes Syſtem erſchien, zu- rückführen könne; für den Fall aber, daß das nicht gelinge, ſtellte man ſich ſelbſt die Anwendung von Gewalt in Aus- ſicht, und behielt ſich das Recht dazu ſorgfältig vor. Doch wäre es nicht gerathen geweſen, die Antipathien eines beleidigten Selbſtgefühls durch Bedrohungen zu rei- zen. Milde iſt nur dann Milde, wenn ſie allein erſcheint. Zunächſt beſchloß man, nur dieſe Seite hervorzukehren. In Wahrheit, es kann nichts Friedeathmenderes ge- ben als das Ausſchreiben des Kaiſers zum Reichstag, worin er ſeinen Wunſch ankündigt, „die Zwietracht hin- zulegen, vergangene Irrſal unſerm Heiland zu ergeben, und ferner eines jeden Gutdünken, Opinion und Meinung in Liebe zu hören, zu erwägen, zu einer chriſtlichen Wahrheit zu bringen, alles abzuthun, was zu beiden Seiten nicht recht ausgelegt worden.“ In dem Pallaſt, wo der Kaiſer neben dem Papſt wohnte, ward dieſer Erlaß unterzeichnet. Der Papſt ließ dem Kaiſer freie Hand. Auch er wäre 1 Schreiben Ferdinands an den Kaiſer, Budweis 18. Januar bei Gevay Urkunden von 1531 p. 67. Vgl. das Excerpt aus dem Schreiben des Kanzlers bei Bucholz III, 427.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/245>, abgerufen am 23.11.2024.