Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Belagerung von Wien.
der so viele Schlachten beschrieben hat, bemerkt doch, daß
man in diesem Jahrhundert kaum jemals ernstlicher an ein-
ander gerathen sey. 1 Aber alle Anstrengungen der Osmanen
waren vergebens, sie erlitten noch bei weitem stärkere Ver-
luste als das erste Mal.

Und damit war nun eigentlich ihr guter Muth er-
schöpft.

Am 12. October ward abermal ein Theil der Mauer
gefällt, aber als sie dahinter die Deutschen und Spanier
mit aufgereckten Fähnlein erblickten, wagten sie sich nicht
ernstlich heran.

Schon regte sich bei den Osmanen die Meinung, in
Gottes des Allmächtigen Rathschluß sey für dieß Mal die Er-
oberung von Wien dem Islam nicht bestimmt. Die Nächte
wurden bereits ungewöhnlich kalt; am Morgen sah man
die Berge mit Reif bedeckt; 2 mit Besorgniß dachte Je-
dermann an die Länge und Gefahr des Rückwegs, denn
zu jener dreijährigen Abwesenheit war doch in der That nichts
vorbereitet. Dazu kam, daß sich Nachrichten von einem
nahen Entsatz vernehmen ließen. Ein erbländisches Heer
sammelte sich in Mähren; in den Bezirken des schwäbischen
Bundes ward eifrig gerüstet, wie denn Schärtlin von Bur-
tenbach berichtet, was für treffliche Leute er in Würtem-
berg zusammengebracht; Pfalzgraf Friedrich, der ganz in
der Nähe geblieben, nahm eine drohendere Haltung an.

1 Jovius 28, 69 folgt überhaupt eigenthümliche Relationen.
Die Erwähnung des Grafen von Oettingen beweist, daß er vom
11. October redet.
2 "Pomis uvisque immaturis vescebantur: equi strictis ar-
borum frondibus et vitium pampinis tolerabantur." Vrsinus Velius.

Belagerung von Wien.
der ſo viele Schlachten beſchrieben hat, bemerkt doch, daß
man in dieſem Jahrhundert kaum jemals ernſtlicher an ein-
ander gerathen ſey. 1 Aber alle Anſtrengungen der Osmanen
waren vergebens, ſie erlitten noch bei weitem ſtärkere Ver-
luſte als das erſte Mal.

Und damit war nun eigentlich ihr guter Muth er-
ſchöpft.

Am 12. October ward abermal ein Theil der Mauer
gefällt, aber als ſie dahinter die Deutſchen und Spanier
mit aufgereckten Fähnlein erblickten, wagten ſie ſich nicht
ernſtlich heran.

Schon regte ſich bei den Osmanen die Meinung, in
Gottes des Allmächtigen Rathſchluß ſey für dieß Mal die Er-
oberung von Wien dem Islam nicht beſtimmt. Die Nächte
wurden bereits ungewöhnlich kalt; am Morgen ſah man
die Berge mit Reif bedeckt; 2 mit Beſorgniß dachte Je-
dermann an die Länge und Gefahr des Rückwegs, denn
zu jener dreijährigen Abweſenheit war doch in der That nichts
vorbereitet. Dazu kam, daß ſich Nachrichten von einem
nahen Entſatz vernehmen ließen. Ein erbländiſches Heer
ſammelte ſich in Mähren; in den Bezirken des ſchwäbiſchen
Bundes ward eifrig gerüſtet, wie denn Schärtlin von Bur-
tenbach berichtet, was für treffliche Leute er in Würtem-
berg zuſammengebracht; Pfalzgraf Friedrich, der ganz in
der Nähe geblieben, nahm eine drohendere Haltung an.

1 Jovius 28, 69 folgt uͤberhaupt eigenthuͤmliche Relationen.
Die Erwaͤhnung des Grafen von Oettingen beweiſt, daß er vom
11. October redet.
2 „Pomis uvisque immaturis vescebantur: equi strictis ar-
borum frondibus et vitium pampinis tolerabantur.“ Vrsinus Velius.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="207"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Belagerung von Wien</hi>.</fw><lb/>
der &#x017F;o viele Schlachten be&#x017F;chrieben hat, bemerkt doch, daß<lb/>
man in die&#x017F;em Jahrhundert kaum jemals ern&#x017F;tlicher an ein-<lb/>
ander gerathen &#x017F;ey. <note place="foot" n="1">Jovius 28, 69 folgt u&#x0364;berhaupt eigenthu&#x0364;mliche Relationen.<lb/>
Die Erwa&#x0364;hnung des Grafen von Oettingen bewei&#x017F;t, daß er vom<lb/>
11. October redet.</note> Aber alle An&#x017F;trengungen der Osmanen<lb/>
waren vergebens, &#x017F;ie erlitten noch bei weitem &#x017F;tärkere Ver-<lb/>
lu&#x017F;te als das er&#x017F;te Mal.</p><lb/>
          <p>Und damit war nun eigentlich ihr guter Muth er-<lb/>
&#x017F;chöpft.</p><lb/>
          <p>Am 12. October ward abermal ein Theil der Mauer<lb/>
gefällt, aber als &#x017F;ie dahinter die Deut&#x017F;chen und Spanier<lb/>
mit aufgereckten Fähnlein erblickten, wagten &#x017F;ie &#x017F;ich nicht<lb/>
ern&#x017F;tlich heran.</p><lb/>
          <p>Schon regte &#x017F;ich bei den Osmanen die Meinung, in<lb/>
Gottes des Allmächtigen Rath&#x017F;chluß &#x017F;ey für dieß Mal die Er-<lb/>
oberung von Wien dem Islam nicht be&#x017F;timmt. Die Nächte<lb/>
wurden bereits ungewöhnlich kalt; am Morgen &#x017F;ah man<lb/>
die Berge mit Reif bedeckt; <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">&#x201E;Pomis uvisque immaturis vescebantur: equi strictis ar-<lb/>
borum frondibus et vitium pampinis tolerabantur.&#x201C; Vrsinus Velius.</hi></note> mit Be&#x017F;orgniß dachte Je-<lb/>
dermann an die Länge und Gefahr des Rückwegs, denn<lb/>
zu jener dreijährigen Abwe&#x017F;enheit war doch in der That nichts<lb/>
vorbereitet. Dazu kam, daß &#x017F;ich Nachrichten von einem<lb/>
nahen Ent&#x017F;atz vernehmen ließen. Ein erbländi&#x017F;ches Heer<lb/>
&#x017F;ammelte &#x017F;ich in Mähren; in den Bezirken des &#x017F;chwäbi&#x017F;chen<lb/>
Bundes ward eifrig gerü&#x017F;tet, wie denn Schärtlin von Bur-<lb/>
tenbach berichtet, was für treffliche Leute er in Würtem-<lb/>
berg zu&#x017F;ammengebracht; Pfalzgraf Friedrich, der ganz in<lb/>
der Nähe geblieben, nahm eine drohendere Haltung an.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0223] Belagerung von Wien. der ſo viele Schlachten beſchrieben hat, bemerkt doch, daß man in dieſem Jahrhundert kaum jemals ernſtlicher an ein- ander gerathen ſey. 1 Aber alle Anſtrengungen der Osmanen waren vergebens, ſie erlitten noch bei weitem ſtärkere Ver- luſte als das erſte Mal. Und damit war nun eigentlich ihr guter Muth er- ſchöpft. Am 12. October ward abermal ein Theil der Mauer gefällt, aber als ſie dahinter die Deutſchen und Spanier mit aufgereckten Fähnlein erblickten, wagten ſie ſich nicht ernſtlich heran. Schon regte ſich bei den Osmanen die Meinung, in Gottes des Allmächtigen Rathſchluß ſey für dieß Mal die Er- oberung von Wien dem Islam nicht beſtimmt. Die Nächte wurden bereits ungewöhnlich kalt; am Morgen ſah man die Berge mit Reif bedeckt; 2 mit Beſorgniß dachte Je- dermann an die Länge und Gefahr des Rückwegs, denn zu jener dreijährigen Abweſenheit war doch in der That nichts vorbereitet. Dazu kam, daß ſich Nachrichten von einem nahen Entſatz vernehmen ließen. Ein erbländiſches Heer ſammelte ſich in Mähren; in den Bezirken des ſchwäbiſchen Bundes ward eifrig gerüſtet, wie denn Schärtlin von Bur- tenbach berichtet, was für treffliche Leute er in Würtem- berg zuſammengebracht; Pfalzgraf Friedrich, der ganz in der Nähe geblieben, nahm eine drohendere Haltung an. 1 Jovius 28, 69 folgt uͤberhaupt eigenthuͤmliche Relationen. Die Erwaͤhnung des Grafen von Oettingen beweiſt, daß er vom 11. October redet. 2 „Pomis uvisque immaturis vescebantur: equi strictis ar- borum frondibus et vitium pampinis tolerabantur.“ Vrsinus Velius.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/223
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/223>, abgerufen am 24.11.2024.