Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch. Siebentes Capitel.
wolle, dachte man auf Mittel, um die gesammte Christen-
heit in die Waffen zu bringen. Und sehr merkwürdig ist wor-
auf man hier verfiel. Der leitende Minister in den Nie-
derlanden, Hoogstraten, eröffnete sich einst darüber dem fran-
zösischen Gesandten. Er meinte, der wahre Weg, den
Türken zu widerstehn, sey, daß man den Papst zu einer
allgemeinen Säcularisation bewege. Ein Drittel der geist-
lichen Güter, an den Meistbietenden verkauft, werde hinrei-
chen um ein Heer ins Feld zu bringen, das die Türken
zu verjagen und Griechenland wieder zu erobern vermöge. 1

Man braucht nur diese Vorschläge ins Auge zu fassen,
um einzusehn, wie unmöglich es war sie auszuführen, eine
Unternehmung zu bewerkstelligen, die an Bedingungen so
weitaussehender Art geknüpft wurde.

Wollte Deutschland sich vertheidigen, sv war es ohne
Zweifel lediglich auf seine eigenen Kräfte angewiesen.

Aber standen die Dinge nicht auch hier sehr zweifelhaft?
Gab es nicht in der That Leute, welche das Mißvergnügen
mit der bestehenden Ordnung der Dinge dazu trieb, sich
eine türkische Herrschaft zu wünschen? Hatte nicht Luther einst
selbst gesagt, es stehe dem Christen nicht zu, sich den Türken
zu widersetzen, die er vielmehr als eine Ruthe Gottes ansehn
müsse? Es ist das einer jener Sätze, welche die päpstliche

1 Que ces deux princes conduississent le pape jusques a
ce point que 1° il se contente de ce, qu'il a 2° qu'il permette
qu'a l'eglise des six mille duc. de rente on preigne les deux uni.
versellement par toute la Chretiente; les quelles seront vendus
au plus offront et avec l'argent que les princes fourniront
(denn
etwas sollen sie doch thun) sera suffisant pour deloger ce diable
de la Grece qui seroit grandement accroistre l'eglise d'y adjoin-
dre un tel pays que celui la. Lettre de Pommeraye 17. Spt.

Fuͤnftes Buch. Siebentes Capitel.
wolle, dachte man auf Mittel, um die geſammte Chriſten-
heit in die Waffen zu bringen. Und ſehr merkwürdig iſt wor-
auf man hier verfiel. Der leitende Miniſter in den Nie-
derlanden, Hoogſtraten, eröffnete ſich einſt darüber dem fran-
zöſiſchen Geſandten. Er meinte, der wahre Weg, den
Türken zu widerſtehn, ſey, daß man den Papſt zu einer
allgemeinen Säculariſation bewege. Ein Drittel der geiſt-
lichen Güter, an den Meiſtbietenden verkauft, werde hinrei-
chen um ein Heer ins Feld zu bringen, das die Türken
zu verjagen und Griechenland wieder zu erobern vermöge. 1

Man braucht nur dieſe Vorſchläge ins Auge zu faſſen,
um einzuſehn, wie unmöglich es war ſie auszuführen, eine
Unternehmung zu bewerkſtelligen, die an Bedingungen ſo
weitausſehender Art geknüpft wurde.

Wollte Deutſchland ſich vertheidigen, ſv war es ohne
Zweifel lediglich auf ſeine eigenen Kräfte angewieſen.

Aber ſtanden die Dinge nicht auch hier ſehr zweifelhaft?
Gab es nicht in der That Leute, welche das Mißvergnügen
mit der beſtehenden Ordnung der Dinge dazu trieb, ſich
eine türkiſche Herrſchaft zu wünſchen? Hatte nicht Luther einſt
ſelbſt geſagt, es ſtehe dem Chriſten nicht zu, ſich den Türken
zu widerſetzen, die er vielmehr als eine Ruthe Gottes anſehn
müſſe? Es iſt das einer jener Sätze, welche die päpſtliche

1 Que ces deux princes conduississent le pape jusques à
ce point que 1° il se contente de ce, qu’il a 2° qu’il permette
qu’à l’eglise des six mille duc. de rente on preigne les deux uni.
versellement par toute la Chretienté; les quelles seront vendus
au plus offront et avec l’argent que les princes fourniront
(denn
etwas ſollen ſie doch thun) sera suffisant pour deloger ce diable
de la Grèce qui seroit grandement accroistre l’eglise d’y adjoin-
dre un tel pays que celui là. Lettre de Pommeraye 17. Spt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="198"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/>
wolle, dachte man auf Mittel, um die ge&#x017F;ammte Chri&#x017F;ten-<lb/>
heit in die Waffen zu bringen. Und &#x017F;ehr merkwürdig i&#x017F;t wor-<lb/>
auf man hier verfiel. Der leitende Mini&#x017F;ter in den Nie-<lb/>
derlanden, Hoog&#x017F;traten, eröffnete &#x017F;ich ein&#x017F;t darüber dem fran-<lb/>&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;andten. Er meinte, der wahre Weg, den<lb/>
Türken zu wider&#x017F;tehn, &#x017F;ey, daß man den Pap&#x017F;t zu einer<lb/>
allgemeinen Säculari&#x017F;ation bewege. Ein Drittel der gei&#x017F;t-<lb/>
lichen Güter, an den Mei&#x017F;tbietenden verkauft, werde hinrei-<lb/>
chen um ein Heer ins Feld zu bringen, das die Türken<lb/>
zu verjagen und Griechenland wieder zu erobern vermöge. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Que ces deux princes conduississent le pape jusques à<lb/>
ce point que 1° il se contente de ce, qu&#x2019;il a 2° qu&#x2019;il permette<lb/>
qu&#x2019;à l&#x2019;eglise des six mille duc. de rente on preigne les deux uni.<lb/>
versellement par toute la Chretienté; les quelles seront vendus<lb/>
au plus offront et avec l&#x2019;argent que les princes fourniront</hi> (denn<lb/>
etwas &#x017F;ollen &#x017F;ie doch thun) <hi rendition="#aq">sera suffisant pour deloger ce diable<lb/>
de la Grèce qui seroit grandement accroistre l&#x2019;eglise d&#x2019;y adjoin-<lb/>
dre un tel pays que celui là. Lettre de Pommeraye 17. Spt.</hi></note></p><lb/>
          <p>Man braucht nur die&#x017F;e Vor&#x017F;chläge ins Auge zu fa&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
um einzu&#x017F;ehn, wie unmöglich es war &#x017F;ie auszuführen, eine<lb/>
Unternehmung zu bewerk&#x017F;telligen, die an Bedingungen &#x017F;o<lb/>
weitaus&#x017F;ehender Art geknüpft wurde.</p><lb/>
          <p>Wollte Deut&#x017F;chland &#x017F;ich vertheidigen, &#x017F;v war es ohne<lb/>
Zweifel lediglich auf &#x017F;eine eigenen Kräfte angewie&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Aber &#x017F;tanden die Dinge nicht auch hier &#x017F;ehr zweifelhaft?<lb/>
Gab es nicht in der That Leute, welche das Mißvergnügen<lb/>
mit der be&#x017F;tehenden Ordnung der Dinge dazu trieb, &#x017F;ich<lb/>
eine türki&#x017F;che Herr&#x017F;chaft zu wün&#x017F;chen? Hatte nicht Luther ein&#x017F;t<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;agt, es &#x017F;tehe dem Chri&#x017F;ten nicht zu, &#x017F;ich den Türken<lb/>
zu wider&#x017F;etzen, die er vielmehr als eine Ruthe Gottes an&#x017F;ehn<lb/>&#x017F;&#x017F;e? Es i&#x017F;t das einer jener Sätze, welche die päp&#x017F;tliche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0214] Fuͤnftes Buch. Siebentes Capitel. wolle, dachte man auf Mittel, um die geſammte Chriſten- heit in die Waffen zu bringen. Und ſehr merkwürdig iſt wor- auf man hier verfiel. Der leitende Miniſter in den Nie- derlanden, Hoogſtraten, eröffnete ſich einſt darüber dem fran- zöſiſchen Geſandten. Er meinte, der wahre Weg, den Türken zu widerſtehn, ſey, daß man den Papſt zu einer allgemeinen Säculariſation bewege. Ein Drittel der geiſt- lichen Güter, an den Meiſtbietenden verkauft, werde hinrei- chen um ein Heer ins Feld zu bringen, das die Türken zu verjagen und Griechenland wieder zu erobern vermöge. 1 Man braucht nur dieſe Vorſchläge ins Auge zu faſſen, um einzuſehn, wie unmöglich es war ſie auszuführen, eine Unternehmung zu bewerkſtelligen, die an Bedingungen ſo weitausſehender Art geknüpft wurde. Wollte Deutſchland ſich vertheidigen, ſv war es ohne Zweifel lediglich auf ſeine eigenen Kräfte angewieſen. Aber ſtanden die Dinge nicht auch hier ſehr zweifelhaft? Gab es nicht in der That Leute, welche das Mißvergnügen mit der beſtehenden Ordnung der Dinge dazu trieb, ſich eine türkiſche Herrſchaft zu wünſchen? Hatte nicht Luther einſt ſelbſt geſagt, es ſtehe dem Chriſten nicht zu, ſich den Türken zu widerſetzen, die er vielmehr als eine Ruthe Gottes anſehn müſſe? Es iſt das einer jener Sätze, welche die päpſtliche 1 Que ces deux princes conduississent le pape jusques à ce point que 1° il se contente de ce, qu’il a 2° qu’il permette qu’à l’eglise des six mille duc. de rente on preigne les deux uni. versellement par toute la Chretienté; les quelles seront vendus au plus offront et avec l’argent que les princes fourniront (denn etwas ſollen ſie doch thun) sera suffisant pour deloger ce diable de la Grèce qui seroit grandement accroistre l’eglise d’y adjoin- dre un tel pays que celui là. Lettre de Pommeraye 17. Spt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/214
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/214>, abgerufen am 03.05.2024.