Es erlebte einen ähnlichen Moment, wie damals, als die Araber das Mittelmeer eingenommen, Spanien erobert hatten, nach Frankreich vordrangen, oder damals, als die mongolische Weltmacht, nachdem sie den Nordosten und Südosten von Europa überfluthet, zugleich an der Donau und an der Oder das christliche Germanien angriff.
In die Augen sprang, daß Europa jetzt bei weitem stär- ker war; es wußte sehr gut, daß es die Kraft besaß, "diese Teufel," wie man sich ausdrückte, "aus Griechenland zu ver- jagen;" aber es konnte sich nicht dazu vereinigen.
Wir haben ein Schreiben des Königs Franz aus die- sen Tagen, worin er erklärt, die Absicht, die er immer ge- hegt, seine Kräfte und seine Person gegen die Türken zu verwenden, wolle er jetzt ins Werk setzen; er hoffe auch seinen Bruder, den König von England dazu zu bewegen; er denke dann 60,000 Mann ins Feld zu stellen, eine Macht, die wahrhaftig nicht zu verachten sey. Er drückt sich so lebhaft aus, als wäre es ihm wahrer Ernst damit, doch fügt er eine Bedingung hinzu, die alles wieder ver- nichtet. Er meint, der Kaiser müsse ihm dafür von den beiden Millionen, die er ihm kraft des Tractats zu bezah- len habe, die eine erlassen. 1 Wie wäre das jemals zu er- warten gewesen.
Auch auf der kaiserlichen Seite, wo man noch drin- gendern Anlaß dazu hatte, und es unerträglich fand, daß alles Land dem Sultan zufalle, das er nur durchziehen
1Lettres de Gilles de Pommeraye, MS Bethune 8619. En cas, que led. empereur pour m'ayder a souldoyer les gens que je menerois en ma compaignie, me voulut sur lesd. 2 Millions d'escus en rabattre ung million, je me faisois fort etc. etc.
Entwuͤrfe des Widerſtandes.
Es erlebte einen ähnlichen Moment, wie damals, als die Araber das Mittelmeer eingenommen, Spanien erobert hatten, nach Frankreich vordrangen, oder damals, als die mongoliſche Weltmacht, nachdem ſie den Nordoſten und Südoſten von Europa überfluthet, zugleich an der Donau und an der Oder das chriſtliche Germanien angriff.
In die Augen ſprang, daß Europa jetzt bei weitem ſtär- ker war; es wußte ſehr gut, daß es die Kraft beſaß, „dieſe Teufel,“ wie man ſich ausdrückte, „aus Griechenland zu ver- jagen;“ aber es konnte ſich nicht dazu vereinigen.
Wir haben ein Schreiben des Königs Franz aus die- ſen Tagen, worin er erklärt, die Abſicht, die er immer ge- hegt, ſeine Kräfte und ſeine Perſon gegen die Türken zu verwenden, wolle er jetzt ins Werk ſetzen; er hoffe auch ſeinen Bruder, den König von England dazu zu bewegen; er denke dann 60,000 Mann ins Feld zu ſtellen, eine Macht, die wahrhaftig nicht zu verachten ſey. Er drückt ſich ſo lebhaft aus, als wäre es ihm wahrer Ernſt damit, doch fügt er eine Bedingung hinzu, die alles wieder ver- nichtet. Er meint, der Kaiſer müſſe ihm dafür von den beiden Millionen, die er ihm kraft des Tractats zu bezah- len habe, die eine erlaſſen. 1 Wie wäre das jemals zu er- warten geweſen.
Auch auf der kaiſerlichen Seite, wo man noch drin- gendern Anlaß dazu hatte, und es unerträglich fand, daß alles Land dem Sultan zufalle, das er nur durchziehen
1Lettres de Gilles de Pommeraye, MS Bethune 8619. En cas, que led. empereur pour m’ayder à souldoyer les gens que je menerois en ma compaignie, me voulut sur lesd. 2 Millions d’escus en rabattre ung million, je me faisois fort etc. etc.
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Entwuͤrfe des Widerſtandes.
Es erlebte einen ähnlichen Moment, wie damals, als
die Araber das Mittelmeer eingenommen, Spanien erobert
hatten, nach Frankreich vordrangen, oder damals, als
die mongoliſche Weltmacht, nachdem ſie den Nordoſten und
Südoſten von Europa überfluthet, zugleich an der Donau
und an der Oder das chriſtliche Germanien angriff.
In die Augen ſprang, daß Europa jetzt bei weitem ſtär-
ker war; es wußte ſehr gut, daß es die Kraft beſaß, „dieſe
Teufel,“ wie man ſich ausdrückte, „aus Griechenland zu ver-
jagen;“ aber es konnte ſich nicht dazu vereinigen.
Wir haben ein Schreiben des Königs Franz aus die-
ſen Tagen, worin er erklärt, die Abſicht, die er immer ge-
hegt, ſeine Kräfte und ſeine Perſon gegen die Türken zu
verwenden, wolle er jetzt ins Werk ſetzen; er hoffe auch
ſeinen Bruder, den König von England dazu zu bewegen;
er denke dann 60,000 Mann ins Feld zu ſtellen, eine
Macht, die wahrhaftig nicht zu verachten ſey. Er drückt
ſich ſo lebhaft aus, als wäre es ihm wahrer Ernſt damit,
doch fügt er eine Bedingung hinzu, die alles wieder ver-
nichtet. Er meint, der Kaiſer müſſe ihm dafür von den
beiden Millionen, die er ihm kraft des Tractats zu bezah-
len habe, die eine erlaſſen. 1 Wie wäre das jemals zu er-
warten geweſen.
Auch auf der kaiſerlichen Seite, wo man noch drin-
gendern Anlaß dazu hatte, und es unerträglich fand, daß
alles Land dem Sultan zufalle, das er nur durchziehen
1 Lettres de Gilles de Pommeraye, MS Bethune 8619. En
cas, que led. empereur pour m’ayder à souldoyer les gens que
je menerois en ma compaignie, me voulut sur lesd. 2 Millions
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/213>, abgerufen am 25.11.2024.
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