In der Einleitung zu dieser Geschichte überblickten wir die früheren Schicksale der deutschen Nation, besonders in Bezug auf den Kampf der geistlichen und der weltlichen Macht. Wir bemerkten wie das Papstthum nicht allein den Sieg davon trug, sondern sich zu einer wahrhaften Gewalt im Reiche und zwar zur mächtigsten von allen erhob; wie aber dann, selbst als es sich mit dem über- wundenen Kaiserthum verständigt und verbündet hatte, das Reich nicht mehr regiert werden konnte[,] im Innern in Verwirrung und Anarchie gerieth[,] sein Ansehn nach Außen von Jahr zu Jahr mehr verlor; bis endlich das National- Gefühl, das weiter keinen Raum zu wahrer Thätigkeit fand, sich nur noch in der allgemeinen Ueberzeugung kund- gab, daß dieser Zustand unhaltbar und verderblich sey.
In den letzten Decennien des funfzehnten und den ersten des sechszehnten Jahrhunderts machte man die ernst- lichsten Versuche denselben zu verbessern. Wir beobachte- ten in unserm ersten Buche, wie man die Sache zunächst von der weltlichen Seite angriff. Die Absicht wurde ge- faßt, eine zugleich auf kaiserlichen und ständischen Berech- tigungen beruhende, vornehmlich aber auf die Mitwirkung
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In der Einleitung zu dieſer Geſchichte überblickten wir die früheren Schickſale der deutſchen Nation, beſonders in Bezug auf den Kampf der geiſtlichen und der weltlichen Macht. Wir bemerkten wie das Papſtthum nicht allein den Sieg davon trug, ſondern ſich zu einer wahrhaften Gewalt im Reiche und zwar zur mächtigſten von allen erhob; wie aber dann, ſelbſt als es ſich mit dem über- wundenen Kaiſerthum verſtändigt und verbündet hatte, das Reich nicht mehr regiert werden konnte[,] im Innern in Verwirrung und Anarchie gerieth[,] ſein Anſehn nach Außen von Jahr zu Jahr mehr verlor; bis endlich das National- Gefühl, das weiter keinen Raum zu wahrer Thätigkeit fand, ſich nur noch in der allgemeinen Ueberzeugung kund- gab, daß dieſer Zuſtand unhaltbar und verderblich ſey.
In den letzten Decennien des funfzehnten und den erſten des ſechszehnten Jahrhunderts machte man die ernſt- lichſten Verſuche denſelben zu verbeſſern. Wir beobachte- ten in unſerm erſten Buche, wie man die Sache zunächſt von der weltlichen Seite angriff. Die Abſicht wurde ge- faßt, eine zugleich auf kaiſerlichen und ſtändiſchen Berech- tigungen beruhende, vornehmlich aber auf die Mitwirkung
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[[3]/0019]
In der Einleitung zu dieſer Geſchichte überblickten wir
die früheren Schickſale der deutſchen Nation, beſonders in
Bezug auf den Kampf der geiſtlichen und der weltlichen
Macht. Wir bemerkten wie das Papſtthum nicht allein
den Sieg davon trug, ſondern ſich zu einer wahrhaften
Gewalt im Reiche und zwar zur mächtigſten von allen
erhob; wie aber dann, ſelbſt als es ſich mit dem über-
wundenen Kaiſerthum verſtändigt und verbündet hatte, das
Reich nicht mehr regiert werden konnte, im Innern in
Verwirrung und Anarchie gerieth, ſein Anſehn nach Außen
von Jahr zu Jahr mehr verlor; bis endlich das National-
Gefühl, das weiter keinen Raum zu wahrer Thätigkeit
fand, ſich nur noch in der allgemeinen Ueberzeugung kund-
gab, daß dieſer Zuſtand unhaltbar und verderblich ſey.
In den letzten Decennien des funfzehnten und den
erſten des ſechszehnten Jahrhunderts machte man die ernſt-
lichſten Verſuche denſelben zu verbeſſern. Wir beobachte-
ten in unſerm erſten Buche, wie man die Sache zunächſt
von der weltlichen Seite angriff. Die Abſicht wurde ge-
faßt, eine zugleich auf kaiſerlichen und ſtändiſchen Berech-
tigungen beruhende, vornehmlich aber auf die Mitwirkung
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/19>, abgerufen am 24.11.2024.
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