Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch. Sechstes Capitel.
wäre, so würde man alle Mal eine bedeutende Macht ha-
ben aufstellen können. Der Churprinz berechnete, daß man
10000 M. zu Fuß, 2000 zu Pferde aufbringen müsse; er
rieth nahe und ferne Freunde dazu einzuladen. Zunächst
würde man die Schweiz zur Seite gehabt haben. St.
Gallen, eine schweizerische Stadt, hatte auch die Protesta-
tion mitunterzeichnet. Die Reichsstädte Costnitz und Straß-
burg traten in Bürgerrecht mit Zürich und Bern. Land-
graf Philipp stand in engem Verhältniß zu Zürich und na-
mentlich zu Zwingli. So ganz harmlos und ohne Bezug
auf den Kaiser würde wohl der Bund nicht lange geblie-
ben seyn. Landgraf Philipp und der Rath von Zürich hat-
ten ganz offenbar die Herstellung Herzog Ulrichs von Wir-
temberg ins Auge gefaßt. Von Zürich aus wendete man
sich an Venedig, an Frankreich. Bei den Unterhandlungen
mit Frankreich trug Zwingli darauf an, daß auch der Land-
graf von Hessen in den Bund aufgenommen würde, den
er als großherzig, standhaft und klug schilderte. 1 Indem
der Kaiser in dem südlichen Europa entschieden die Ober-
hand behielt, schien es als würde sich ihm sofort in der
Schweiz und in Deutschland eine religiös-politische Partei
entgegenstellen und den Mittelpunkt für eine neue euro-
päische Opposition bilden. Auf jeden Fall durfte man
die Zuversicht hegen, in dieser Vereinigung dem Kaiser und
der Majorität der Reichsstände einen unüberwindlichen Wi-
derstand entgegensetzen zu können.

Allein wie bald sollte doch die neue Partei, und zwar
in Folge ihrer eignen Zusammensetzung, diese Aussichten
fahren lassen!


1 Hottinger, II, 282, 313.

Fuͤnftes Buch. Sechstes Capitel.
wäre, ſo würde man alle Mal eine bedeutende Macht ha-
ben aufſtellen können. Der Churprinz berechnete, daß man
10000 M. zu Fuß, 2000 zu Pferde aufbringen müſſe; er
rieth nahe und ferne Freunde dazu einzuladen. Zunächſt
würde man die Schweiz zur Seite gehabt haben. St.
Gallen, eine ſchweizeriſche Stadt, hatte auch die Proteſta-
tion mitunterzeichnet. Die Reichsſtädte Coſtnitz und Straß-
burg traten in Bürgerrecht mit Zürich und Bern. Land-
graf Philipp ſtand in engem Verhältniß zu Zürich und na-
mentlich zu Zwingli. So ganz harmlos und ohne Bezug
auf den Kaiſer würde wohl der Bund nicht lange geblie-
ben ſeyn. Landgraf Philipp und der Rath von Zürich hat-
ten ganz offenbar die Herſtellung Herzog Ulrichs von Wir-
temberg ins Auge gefaßt. Von Zürich aus wendete man
ſich an Venedig, an Frankreich. Bei den Unterhandlungen
mit Frankreich trug Zwingli darauf an, daß auch der Land-
graf von Heſſen in den Bund aufgenommen würde, den
er als großherzig, ſtandhaft und klug ſchilderte. 1 Indem
der Kaiſer in dem ſüdlichen Europa entſchieden die Ober-
hand behielt, ſchien es als würde ſich ihm ſofort in der
Schweiz und in Deutſchland eine religiös-politiſche Partei
entgegenſtellen und den Mittelpunkt für eine neue euro-
päiſche Oppoſition bilden. Auf jeden Fall durfte man
die Zuverſicht hegen, in dieſer Vereinigung dem Kaiſer und
der Majorität der Reichsſtände einen unüberwindlichen Wi-
derſtand entgegenſetzen zu können.

Allein wie bald ſollte doch die neue Partei, und zwar
in Folge ihrer eignen Zuſammenſetzung, dieſe Ausſichten
fahren laſſen!


1 Hottinger, II, 282, 313.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0180" n="164"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/>
wäre, &#x017F;o würde man alle Mal eine bedeutende Macht ha-<lb/>
ben auf&#x017F;tellen können. Der Churprinz berechnete, daß man<lb/>
10000 M. zu Fuß, 2000 zu Pferde aufbringen mü&#x017F;&#x017F;e; er<lb/>
rieth nahe und ferne Freunde dazu einzuladen. Zunäch&#x017F;t<lb/>
würde man die Schweiz zur Seite gehabt haben. St.<lb/>
Gallen, eine &#x017F;chweizeri&#x017F;che Stadt, hatte auch die Prote&#x017F;ta-<lb/>
tion mitunterzeichnet. Die Reichs&#x017F;tädte Co&#x017F;tnitz und Straß-<lb/>
burg traten in Bürgerrecht mit Zürich und Bern. Land-<lb/>
graf Philipp &#x017F;tand in engem Verhältniß zu Zürich und na-<lb/>
mentlich zu Zwingli. So ganz harmlos und ohne Bezug<lb/>
auf den Kai&#x017F;er würde wohl der Bund nicht lange geblie-<lb/>
ben &#x017F;eyn. Landgraf Philipp und der Rath von Zürich hat-<lb/>
ten ganz offenbar die Her&#x017F;tellung Herzog Ulrichs von Wir-<lb/>
temberg ins Auge gefaßt. Von Zürich aus wendete man<lb/>
&#x017F;ich an Venedig, an Frankreich. Bei den Unterhandlungen<lb/>
mit Frankreich trug Zwingli darauf an, daß auch der Land-<lb/>
graf von He&#x017F;&#x017F;en in den Bund aufgenommen würde, den<lb/>
er als großherzig, &#x017F;tandhaft und klug &#x017F;childerte. <note place="foot" n="1">Hottinger, <hi rendition="#aq">II,</hi> 282, 313.</note> Indem<lb/>
der Kai&#x017F;er in dem &#x017F;üdlichen Europa ent&#x017F;chieden die Ober-<lb/>
hand behielt, &#x017F;chien es als würde &#x017F;ich ihm &#x017F;ofort in der<lb/>
Schweiz und in Deut&#x017F;chland eine religiös-politi&#x017F;che Partei<lb/>
entgegen&#x017F;tellen und den Mittelpunkt für eine neue euro-<lb/>
päi&#x017F;che Oppo&#x017F;ition bilden. Auf jeden Fall durfte man<lb/>
die Zuver&#x017F;icht hegen, in die&#x017F;er Vereinigung dem Kai&#x017F;er und<lb/>
der Majorität der Reichs&#x017F;tände einen unüberwindlichen Wi-<lb/>
der&#x017F;tand entgegen&#x017F;etzen zu können.</p><lb/>
          <p>Allein wie bald &#x017F;ollte doch die neue Partei, und zwar<lb/>
in Folge ihrer eignen Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung, die&#x017F;e Aus&#x017F;ichten<lb/>
fahren la&#x017F;&#x017F;en!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0180] Fuͤnftes Buch. Sechstes Capitel. wäre, ſo würde man alle Mal eine bedeutende Macht ha- ben aufſtellen können. Der Churprinz berechnete, daß man 10000 M. zu Fuß, 2000 zu Pferde aufbringen müſſe; er rieth nahe und ferne Freunde dazu einzuladen. Zunächſt würde man die Schweiz zur Seite gehabt haben. St. Gallen, eine ſchweizeriſche Stadt, hatte auch die Proteſta- tion mitunterzeichnet. Die Reichsſtädte Coſtnitz und Straß- burg traten in Bürgerrecht mit Zürich und Bern. Land- graf Philipp ſtand in engem Verhältniß zu Zürich und na- mentlich zu Zwingli. So ganz harmlos und ohne Bezug auf den Kaiſer würde wohl der Bund nicht lange geblie- ben ſeyn. Landgraf Philipp und der Rath von Zürich hat- ten ganz offenbar die Herſtellung Herzog Ulrichs von Wir- temberg ins Auge gefaßt. Von Zürich aus wendete man ſich an Venedig, an Frankreich. Bei den Unterhandlungen mit Frankreich trug Zwingli darauf an, daß auch der Land- graf von Heſſen in den Bund aufgenommen würde, den er als großherzig, ſtandhaft und klug ſchilderte. 1 Indem der Kaiſer in dem ſüdlichen Europa entſchieden die Ober- hand behielt, ſchien es als würde ſich ihm ſofort in der Schweiz und in Deutſchland eine religiös-politiſche Partei entgegenſtellen und den Mittelpunkt für eine neue euro- päiſche Oppoſition bilden. Auf jeden Fall durfte man die Zuverſicht hegen, in dieſer Vereinigung dem Kaiſer und der Majorität der Reichsſtände einen unüberwindlichen Wi- derſtand entgegenſetzen zu können. Allein wie bald ſollte doch die neue Partei, und zwar in Folge ihrer eignen Zuſammenſetzung, dieſe Ausſichten fahren laſſen! 1 Hottinger, II, 282, 313.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/180
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/180>, abgerufen am 03.05.2024.