reiste, glaubte man nicht anders, als er wolle nun erst ein Bündniß wider die Evangelischen zu Stande bringen. 1 Al- lein auch mit diesen Bezeigungen war der Papst noch nicht zufrieden. Wir haben ein Schreiben Sanga's vom Octo- ber 1528, worin er den Nuntius am kaiserlichen Hofe an- weist, den Kaiser auf das dringendste aufzufordern, sich der Religion mehr als bisher anzunehmen. Schon gehe man weiter als Luther gegangen, läugne bereits Abendmahl und Kindertaufe. Was werde die Nachwelt sagen, wenn sie einmal lese, daß Deutschland gerade unter dem größten Kai- ser, den es seit vielen Jahrhunderten gehabt, sich mit Ketze- reien erfüllt habe! 2
An dem guten Willen des Kaisers ließ sich nicht zwei- feln. Man brauchte nur die Executionen ins Auge zu fassen, die in den Niederlanden, wo er Herr war, verhängt wurden. Erasmus der ihn kannte, war überzeugt, er werde nicht glau- ben Kaiser zu seyn, wenn er das Lutherthum nicht dämpfe. 3
Je mehr sich nun aber diese Idee in dem Kaiser fest- setzte, -- wohlverstanden jedoch, nicht ohne daß er zugleich ein Concilium, eine Reinigung der Kirche von so viel ein- gerissenen Mißbräuchen gefordert hätte, -- um so dringen- der ward es für den Frieden zu sorgen.
Wir sahen, wie kriegerisch die Aussichten noch im An- fange des Jahres 1529 waren.
1 Stetten p. 308. Von der Lith p. 217.
2Lettere di diversi, 56.
3Erasmi Epp. p. 963. "In Hollandia mire fervet carnificina." Das klingt doch anders, als was Le Glay Correspondance de Maximi- lian et Marguerite II, p. 449 zur Entschuldigung Margaretha's bemerkt.
8*
Erſte Wirkung auf Deutſchland.
reiſte, glaubte man nicht anders, als er wolle nun erſt ein Bündniß wider die Evangeliſchen zu Stande bringen. 1 Al- lein auch mit dieſen Bezeigungen war der Papſt noch nicht zufrieden. Wir haben ein Schreiben Sanga’s vom Octo- ber 1528, worin er den Nuntius am kaiſerlichen Hofe an- weiſt, den Kaiſer auf das dringendſte aufzufordern, ſich der Religion mehr als bisher anzunehmen. Schon gehe man weiter als Luther gegangen, läugne bereits Abendmahl und Kindertaufe. Was werde die Nachwelt ſagen, wenn ſie einmal leſe, daß Deutſchland gerade unter dem größten Kai- ſer, den es ſeit vielen Jahrhunderten gehabt, ſich mit Ketze- reien erfüllt habe! 2
An dem guten Willen des Kaiſers ließ ſich nicht zwei- feln. Man brauchte nur die Executionen ins Auge zu faſſen, die in den Niederlanden, wo er Herr war, verhängt wurden. Erasmus der ihn kannte, war überzeugt, er werde nicht glau- ben Kaiſer zu ſeyn, wenn er das Lutherthum nicht dämpfe. 3
Je mehr ſich nun aber dieſe Idee in dem Kaiſer feſt- ſetzte, — wohlverſtanden jedoch, nicht ohne daß er zugleich ein Concilium, eine Reinigung der Kirche von ſo viel ein- geriſſenen Mißbräuchen gefordert hätte, — um ſo dringen- der ward es für den Frieden zu ſorgen.
Wir ſahen, wie kriegeriſch die Ausſichten noch im An- fange des Jahres 1529 waren.
1 Stetten p. 308. Von der Lith p. 217.
2Lettere di diversi, 56.
3Erasmi Epp. p. 963. „In Hollandia mire fervet carnificina.“ Das klingt doch anders, als was Le Glay Correspondance de Maximi- lian et Marguerite II, p. 449 zur Entſchuldigung Margaretha’s bemerkt.
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Erſte Wirkung auf Deutſchland.
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Bündniß wider die Evangeliſchen zu Stande bringen. 1 Al-
lein auch mit dieſen Bezeigungen war der Papſt noch nicht
zufrieden. Wir haben ein Schreiben Sanga’s vom Octo-
ber 1528, worin er den Nuntius am kaiſerlichen Hofe an-
weiſt, den Kaiſer auf das dringendſte aufzufordern, ſich der
Religion mehr als bisher anzunehmen. Schon gehe man
weiter als Luther gegangen, läugne bereits Abendmahl und
Kindertaufe. Was werde die Nachwelt ſagen, wenn ſie
einmal leſe, daß Deutſchland gerade unter dem größten Kai-
ſer, den es ſeit vielen Jahrhunderten gehabt, ſich mit Ketze-
reien erfüllt habe! 2
An dem guten Willen des Kaiſers ließ ſich nicht zwei-
feln. Man brauchte nur die Executionen ins Auge zu faſſen,
die in den Niederlanden, wo er Herr war, verhängt wurden.
Erasmus der ihn kannte, war überzeugt, er werde nicht glau-
ben Kaiſer zu ſeyn, wenn er das Lutherthum nicht dämpfe. 3
Je mehr ſich nun aber dieſe Idee in dem Kaiſer feſt-
ſetzte, — wohlverſtanden jedoch, nicht ohne daß er zugleich
ein Concilium, eine Reinigung der Kirche von ſo viel ein-
geriſſenen Mißbräuchen gefordert hätte, — um ſo dringen-
der ward es für den Frieden zu ſorgen.
Wir ſahen, wie kriegeriſch die Ausſichten noch im An-
fange des Jahres 1529 waren.
1 Stetten p. 308. Von der Lith p. 217.
2 Lettere di diversi, 56.
3 Erasmi Epp. p. 963. „In Hollandia mire fervet carnificina.“
Das klingt doch anders, als was Le Glay Correspondance de Maximi-
lian et Marguerite II, p. 449 zur Entſchuldigung Margaretha’s bemerkt.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/131>, abgerufen am 26.06.2024.
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