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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Spanischer Katholicismus.
teratur dauerte die Herrschaft der exclusiven Doctrinen der
lateinischen Kirche ununterbrochen fort.

Und nothwendig brachte nun dieser Zustand der herr-
schenden Ueberzeugungen auch eine um so feindlichere Hal-
tung gegen die Abweichungen der übrigen Welt hervor.
Nicht allein, daß man hier die Verordnungen gegen Luther
in aller Strenge ausführte; sondern auch Erasmus, der
Gunst zum Trotz, welche ihm der Hof erwies, fand bei
der mönchischen Gelehrsamkeit keine Gnade. Ein in beiden
Sprachen sehr wohl bewanderter Mann, Diego Lopez Zu-
niga machte es gleichsam zum Zweck seines Lebens, die
Neuerungen dieses Autors zu bekämpfen. 1 In der Fasten
1527 klagten ein paar Dominicaner den Erasmus, oder
vielmehr, denn er selber war glücklicherweise außer dem Be-
reiche ihrer Angriffe, seine Schriften förmlich bei der In-
quisition der Irrlehre an. Es ward ein Gericht niederge-
setzt, und obgleich sich dieses nicht sofort zu einem einmü-
thigen Urtheil vereinigen konnte, so hielt sich doch die In-
quisition für berechtigt, von jenen Schriften wenigstens ei-
nige, die Colloquien, das Lob der Narrheit und die Pa-
raphrase des N. Testaments zu verbieten. 2

Es giebt überall eine geistige Atmosphäre, deren Ein-
flusse man sich nicht entziehen kann.

Woher hätte namentlich dem jungen Kaiser die ener-
gische Selbständigkeit des Geistes dazu kommen sollen?


1 Auch er hielt an dem Vorzug der Vulgata fest. Sciendum
est,
sagt er von 1 Joh. 5, 7, Graecorum codices apertissime esse
corruptos, nostros vero veritatem ipsam continere.
Eben hier je-
doch ist die Vulgata selbst interpolirt. Vgl. Griesbach App. 12.
2 Llorente I, 459. Erasmi Epistolae 989. 1032. Er bezeich-
net besonders Peter von Victoria als seinen Gegner.
Ranke d. Gesch. III. 8

Spaniſcher Katholicismus.
teratur dauerte die Herrſchaft der excluſiven Doctrinen der
lateiniſchen Kirche ununterbrochen fort.

Und nothwendig brachte nun dieſer Zuſtand der herr-
ſchenden Ueberzeugungen auch eine um ſo feindlichere Hal-
tung gegen die Abweichungen der übrigen Welt hervor.
Nicht allein, daß man hier die Verordnungen gegen Luther
in aller Strenge ausführte; ſondern auch Erasmus, der
Gunſt zum Trotz, welche ihm der Hof erwies, fand bei
der mönchiſchen Gelehrſamkeit keine Gnade. Ein in beiden
Sprachen ſehr wohl bewanderter Mann, Diego Lopez Zu-
niga machte es gleichſam zum Zweck ſeines Lebens, die
Neuerungen dieſes Autors zu bekämpfen. 1 In der Faſten
1527 klagten ein paar Dominicaner den Erasmus, oder
vielmehr, denn er ſelber war glücklicherweiſe außer dem Be-
reiche ihrer Angriffe, ſeine Schriften förmlich bei der In-
quiſition der Irrlehre an. Es ward ein Gericht niederge-
ſetzt, und obgleich ſich dieſes nicht ſofort zu einem einmü-
thigen Urtheil vereinigen konnte, ſo hielt ſich doch die In-
quiſition für berechtigt, von jenen Schriften wenigſtens ei-
nige, die Colloquien, das Lob der Narrheit und die Pa-
raphraſe des N. Teſtaments zu verbieten. 2

Es giebt überall eine geiſtige Atmoſphäre, deren Ein-
fluſſe man ſich nicht entziehen kann.

Woher hätte namentlich dem jungen Kaiſer die ener-
giſche Selbſtändigkeit des Geiſtes dazu kommen ſollen?


1 Auch er hielt an dem Vorzug der Vulgata feſt. Sciendum
est,
ſagt er von 1 Joh. 5, 7, Graecorum codices apertissime esse
corruptos, nostros vero veritatem ipsam continere.
Eben hier je-
doch iſt die Vulgata ſelbſt interpolirt. Vgl. Griesbach App. 12.
2 Llorente I, 459. Erasmi Epistolae 989. 1032. Er bezeich-
net beſonders Peter von Victoria als ſeinen Gegner.
Ranke d. Geſch. III. 8
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[113/0129] Spaniſcher Katholicismus. teratur dauerte die Herrſchaft der excluſiven Doctrinen der lateiniſchen Kirche ununterbrochen fort. Und nothwendig brachte nun dieſer Zuſtand der herr- ſchenden Ueberzeugungen auch eine um ſo feindlichere Hal- tung gegen die Abweichungen der übrigen Welt hervor. Nicht allein, daß man hier die Verordnungen gegen Luther in aller Strenge ausführte; ſondern auch Erasmus, der Gunſt zum Trotz, welche ihm der Hof erwies, fand bei der mönchiſchen Gelehrſamkeit keine Gnade. Ein in beiden Sprachen ſehr wohl bewanderter Mann, Diego Lopez Zu- niga machte es gleichſam zum Zweck ſeines Lebens, die Neuerungen dieſes Autors zu bekämpfen. 1 In der Faſten 1527 klagten ein paar Dominicaner den Erasmus, oder vielmehr, denn er ſelber war glücklicherweiſe außer dem Be- reiche ihrer Angriffe, ſeine Schriften förmlich bei der In- quiſition der Irrlehre an. Es ward ein Gericht niederge- ſetzt, und obgleich ſich dieſes nicht ſofort zu einem einmü- thigen Urtheil vereinigen konnte, ſo hielt ſich doch die In- quiſition für berechtigt, von jenen Schriften wenigſtens ei- nige, die Colloquien, das Lob der Narrheit und die Pa- raphraſe des N. Teſtaments zu verbieten. 2 Es giebt überall eine geiſtige Atmoſphäre, deren Ein- fluſſe man ſich nicht entziehen kann. Woher hätte namentlich dem jungen Kaiſer die ener- giſche Selbſtändigkeit des Geiſtes dazu kommen ſollen? 1 Auch er hielt an dem Vorzug der Vulgata feſt. Sciendum est, ſagt er von 1 Joh. 5, 7, Graecorum codices apertissime esse corruptos, nostros vero veritatem ipsam continere. Eben hier je- doch iſt die Vulgata ſelbſt interpolirt. Vgl. Griesbach App. 12. 2 Llorente I, 459. Erasmi Epistolae 989. 1032. Er bezeich- net beſonders Peter von Victoria als ſeinen Gegner. Ranke d. Geſch. III. 8

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/129>, abgerufen am 22.11.2024.