teratur dauerte die Herrschaft der exclusiven Doctrinen der lateinischen Kirche ununterbrochen fort.
Und nothwendig brachte nun dieser Zustand der herr- schenden Ueberzeugungen auch eine um so feindlichere Hal- tung gegen die Abweichungen der übrigen Welt hervor. Nicht allein, daß man hier die Verordnungen gegen Luther in aller Strenge ausführte; sondern auch Erasmus, der Gunst zum Trotz, welche ihm der Hof erwies, fand bei der mönchischen Gelehrsamkeit keine Gnade. Ein in beiden Sprachen sehr wohl bewanderter Mann, Diego Lopez Zu- niga machte es gleichsam zum Zweck seines Lebens, die Neuerungen dieses Autors zu bekämpfen. 1 In der Fasten 1527 klagten ein paar Dominicaner den Erasmus, oder vielmehr, denn er selber war glücklicherweise außer dem Be- reiche ihrer Angriffe, seine Schriften förmlich bei der In- quisition der Irrlehre an. Es ward ein Gericht niederge- setzt, und obgleich sich dieses nicht sofort zu einem einmü- thigen Urtheil vereinigen konnte, so hielt sich doch die In- quisition für berechtigt, von jenen Schriften wenigstens ei- nige, die Colloquien, das Lob der Narrheit und die Pa- raphrase des N. Testaments zu verbieten. 2
Es giebt überall eine geistige Atmosphäre, deren Ein- flusse man sich nicht entziehen kann.
Woher hätte namentlich dem jungen Kaiser die ener- gische Selbständigkeit des Geistes dazu kommen sollen?
1 Auch er hielt an dem Vorzug der Vulgata fest. Sciendum est, sagt er von 1 Joh. 5, 7, Graecorum codices apertissime esse corruptos, nostros vero veritatem ipsam continere. Eben hier je- doch ist die Vulgata selbst interpolirt. Vgl. Griesbach App. 12.
2Llorente I, 459. Erasmi Epistolae 989. 1032. Er bezeich- net besonders Peter von Victoria als seinen Gegner.
Ranke d. Gesch. III. 8
Spaniſcher Katholicismus.
teratur dauerte die Herrſchaft der excluſiven Doctrinen der lateiniſchen Kirche ununterbrochen fort.
Und nothwendig brachte nun dieſer Zuſtand der herr- ſchenden Ueberzeugungen auch eine um ſo feindlichere Hal- tung gegen die Abweichungen der übrigen Welt hervor. Nicht allein, daß man hier die Verordnungen gegen Luther in aller Strenge ausführte; ſondern auch Erasmus, der Gunſt zum Trotz, welche ihm der Hof erwies, fand bei der mönchiſchen Gelehrſamkeit keine Gnade. Ein in beiden Sprachen ſehr wohl bewanderter Mann, Diego Lopez Zu- niga machte es gleichſam zum Zweck ſeines Lebens, die Neuerungen dieſes Autors zu bekämpfen. 1 In der Faſten 1527 klagten ein paar Dominicaner den Erasmus, oder vielmehr, denn er ſelber war glücklicherweiſe außer dem Be- reiche ihrer Angriffe, ſeine Schriften förmlich bei der In- quiſition der Irrlehre an. Es ward ein Gericht niederge- ſetzt, und obgleich ſich dieſes nicht ſofort zu einem einmü- thigen Urtheil vereinigen konnte, ſo hielt ſich doch die In- quiſition für berechtigt, von jenen Schriften wenigſtens ei- nige, die Colloquien, das Lob der Narrheit und die Pa- raphraſe des N. Teſtaments zu verbieten. 2
Es giebt überall eine geiſtige Atmoſphäre, deren Ein- fluſſe man ſich nicht entziehen kann.
Woher hätte namentlich dem jungen Kaiſer die ener- giſche Selbſtändigkeit des Geiſtes dazu kommen ſollen?
1 Auch er hielt an dem Vorzug der Vulgata feſt. Sciendum est, ſagt er von 1 Joh. 5, 7, Graecorum codices apertissime esse corruptos, nostros vero veritatem ipsam continere. Eben hier je- doch iſt die Vulgata ſelbſt interpolirt. Vgl. Griesbach App. 12.
2Llorente I, 459. Erasmi Epistolae 989. 1032. Er bezeich- net beſonders Peter von Victoria als ſeinen Gegner.
Ranke d. Geſch. III. 8
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Spaniſcher Katholicismus.
teratur dauerte die Herrſchaft der excluſiven Doctrinen der
lateiniſchen Kirche ununterbrochen fort.
Und nothwendig brachte nun dieſer Zuſtand der herr-
ſchenden Ueberzeugungen auch eine um ſo feindlichere Hal-
tung gegen die Abweichungen der übrigen Welt hervor.
Nicht allein, daß man hier die Verordnungen gegen Luther
in aller Strenge ausführte; ſondern auch Erasmus, der
Gunſt zum Trotz, welche ihm der Hof erwies, fand bei
der mönchiſchen Gelehrſamkeit keine Gnade. Ein in beiden
Sprachen ſehr wohl bewanderter Mann, Diego Lopez Zu-
niga machte es gleichſam zum Zweck ſeines Lebens, die
Neuerungen dieſes Autors zu bekämpfen. 1 In der Faſten
1527 klagten ein paar Dominicaner den Erasmus, oder
vielmehr, denn er ſelber war glücklicherweiſe außer dem Be-
reiche ihrer Angriffe, ſeine Schriften förmlich bei der In-
quiſition der Irrlehre an. Es ward ein Gericht niederge-
ſetzt, und obgleich ſich dieſes nicht ſofort zu einem einmü-
thigen Urtheil vereinigen konnte, ſo hielt ſich doch die In-
quiſition für berechtigt, von jenen Schriften wenigſtens ei-
nige, die Colloquien, das Lob der Narrheit und die Pa-
raphraſe des N. Teſtaments zu verbieten. 2
Es giebt überall eine geiſtige Atmoſphäre, deren Ein-
fluſſe man ſich nicht entziehen kann.
Woher hätte namentlich dem jungen Kaiſer die ener-
giſche Selbſtändigkeit des Geiſtes dazu kommen ſollen?
1 Auch er hielt an dem Vorzug der Vulgata feſt. Sciendum
est, ſagt er von 1 Joh. 5, 7, Graecorum codices apertissime esse
corruptos, nostros vero veritatem ipsam continere. Eben hier je-
doch iſt die Vulgata ſelbſt interpolirt. Vgl. Griesbach App. 12.
2 Llorente I, 459. Erasmi Epistolae 989. 1032. Er bezeich-
net beſonders Peter von Victoria als ſeinen Gegner.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/129>, abgerufen am 22.11.2024.
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