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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Stellung des Kaisers.
lichen Fürsten zu erwarten hatte. Wir erinnern uns, wie
angelegen es sich schon Maximilian seyn ließ, die bischöf-
lichen Stühle mit ergebenen Leuten zu besetzen, den geistli-
chen Stand zu gewinnen. Um wie viel besser aber mußte
dieß jetzt gelingen, sobald die Bischöfe, von den Ideen des
Jahrhunderts in ihren geistlichen Gerechtsamen bedroht, an
der kaiserlichen Macht einen sichern Rückhalt fanden. Bei
der Bedeutung, welche dieser hierarchische Bestandtheil in der
deutschen Reichsverfassung noch behauptete, war es in der
That kein geringer Gewinn denselben für sich zu haben. Ich
könnte nicht urkundlich nachweisen, daß Carl V diese Be-
trachtung gemacht habe, allein sie liegt zu nahe, als daß
sie ihm entgangen seyn sollte. Wer weiß nicht, daß in ei-
ner spätern Epoche mit der Auflösung der geistlichen Für-
stenthümer auch das Kaiserthum zu Grunde gegangen ist,
Etwas Aehnliches hätte sich schon damals erwarten lassen.
Das Kaiserthum hatte nicht Wurzel genug, um sich unter lau-
ter weltlichen Gewalten, selbst wenn sie nicht alle erblich ge-
wesen wären, zu behaupten, wenigstens hätte dazu die größte
Anstrengung gehört; -- unendlich viel leichter war es, die her-
kömmlichen Verhältnisse zu benutzen. Nicht mit Unrecht
sagte Zwingli einmal, Kaiserthum und Papstthum seyen so
enge in einander verflochten, daß man letzteres nicht be-
kämpfen könne, ohne auch das erste anzugreifen.

So geschah es, daß die Politik des Kaisers eine durchaus
andere ward, als die deutsche Nation gewünscht hatte. Er
dachte auf Aussöhnung mit dem Papst -- Erhebung des Kai-
serthums, aber lediglich auf den bisherigen hierarchischen
Grundlagen -- Widerstand gegen die Osmanen, aber ganz in

Stellung des Kaiſers.
lichen Fürſten zu erwarten hatte. Wir erinnern uns, wie
angelegen es ſich ſchon Maximilian ſeyn ließ, die biſchöf-
lichen Stühle mit ergebenen Leuten zu beſetzen, den geiſtli-
chen Stand zu gewinnen. Um wie viel beſſer aber mußte
dieß jetzt gelingen, ſobald die Biſchöfe, von den Ideen des
Jahrhunderts in ihren geiſtlichen Gerechtſamen bedroht, an
der kaiſerlichen Macht einen ſichern Rückhalt fanden. Bei
der Bedeutung, welche dieſer hierarchiſche Beſtandtheil in der
deutſchen Reichsverfaſſung noch behauptete, war es in der
That kein geringer Gewinn denſelben für ſich zu haben. Ich
könnte nicht urkundlich nachweiſen, daß Carl V dieſe Be-
trachtung gemacht habe, allein ſie liegt zu nahe, als daß
ſie ihm entgangen ſeyn ſollte. Wer weiß nicht, daß in ei-
ner ſpätern Epoche mit der Auflöſung der geiſtlichen Für-
ſtenthümer auch das Kaiſerthum zu Grunde gegangen iſt,
Etwas Aehnliches hätte ſich ſchon damals erwarten laſſen.
Das Kaiſerthum hatte nicht Wurzel genug, um ſich unter lau-
ter weltlichen Gewalten, ſelbſt wenn ſie nicht alle erblich ge-
weſen wären, zu behaupten, wenigſtens hätte dazu die größte
Anſtrengung gehört; — unendlich viel leichter war es, die her-
kömmlichen Verhältniſſe zu benutzen. Nicht mit Unrecht
ſagte Zwingli einmal, Kaiſerthum und Papſtthum ſeyen ſo
enge in einander verflochten, daß man letzteres nicht be-
kämpfen könne, ohne auch das erſte anzugreifen.

So geſchah es, daß die Politik des Kaiſers eine durchaus
andere ward, als die deutſche Nation gewünſcht hatte. Er
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ſerthums, aber lediglich auf den bisherigen hierarchiſchen
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[107/0123] Stellung des Kaiſers. lichen Fürſten zu erwarten hatte. Wir erinnern uns, wie angelegen es ſich ſchon Maximilian ſeyn ließ, die biſchöf- lichen Stühle mit ergebenen Leuten zu beſetzen, den geiſtli- chen Stand zu gewinnen. Um wie viel beſſer aber mußte dieß jetzt gelingen, ſobald die Biſchöfe, von den Ideen des Jahrhunderts in ihren geiſtlichen Gerechtſamen bedroht, an der kaiſerlichen Macht einen ſichern Rückhalt fanden. Bei der Bedeutung, welche dieſer hierarchiſche Beſtandtheil in der deutſchen Reichsverfaſſung noch behauptete, war es in der That kein geringer Gewinn denſelben für ſich zu haben. Ich könnte nicht urkundlich nachweiſen, daß Carl V dieſe Be- trachtung gemacht habe, allein ſie liegt zu nahe, als daß ſie ihm entgangen ſeyn ſollte. Wer weiß nicht, daß in ei- ner ſpätern Epoche mit der Auflöſung der geiſtlichen Für- ſtenthümer auch das Kaiſerthum zu Grunde gegangen iſt, Etwas Aehnliches hätte ſich ſchon damals erwarten laſſen. Das Kaiſerthum hatte nicht Wurzel genug, um ſich unter lau- ter weltlichen Gewalten, ſelbſt wenn ſie nicht alle erblich ge- weſen wären, zu behaupten, wenigſtens hätte dazu die größte Anſtrengung gehört; — unendlich viel leichter war es, die her- kömmlichen Verhältniſſe zu benutzen. Nicht mit Unrecht ſagte Zwingli einmal, Kaiſerthum und Papſtthum ſeyen ſo enge in einander verflochten, daß man letzteres nicht be- kämpfen könne, ohne auch das erſte anzugreifen. So geſchah es, daß die Politik des Kaiſers eine durchaus andere ward, als die deutſche Nation gewünſcht hatte. Er dachte auf Ausſöhnung mit dem Papſt — Erhebung des Kai- ſerthums, aber lediglich auf den bisherigen hierarchiſchen Grundlagen — Widerſtand gegen die Osmanen, aber ganz in

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/123>, abgerufen am 22.11.2024.