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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Debatten in den Ständen.
ausgesetzt; für beide sollten alle Verpflichtungen aufgeho-
ben seyn, durch welche die Freiheit der Meinungsäußerung
beschränkt werden könnte. Ein so entschiednes Übergewicht
erlangte die nach einer Umbildung der kirchlichen Verhält-
nisse strebende Tendenz in beiden Ständen des Reichs.
Auch die Geistlichen sahen die Nothwendigkeit einer Än-
derung ein; die Weltlichen drangen darauf. Selbst von
Herzog Ludwig von Baiern versichert man, er habe gegen
den Widerspruch der Geistlichen eifrig festgehalten. 1

Da waren nur noch jene letzten, und für den Mo-
ment bedeutendsten Bestimmungen, wie es bis zur Ent-
scheidung eines Conciliums gehalten, welche Thätigkeit
Schriftstellern und Predigern gestattet werden solle, zu be-
rathen übrig.

In Hinsicht der ersten gelang es den Geistlichen ei-
nige weitre Beschränkungen durchzusetzen. Die Verwendung
bei dem Churfürsten wollten sie dahin gerichtet wissen, daß
von Luther und dessen Anhängern überhaupt nichts Neues
geschrieben, gedruckt, oder gethan werde; nicht allein daß
das nicht zu Aufruhr gereiche. Auch sollte diese Verwen-
dung sofort geschehen, ohne daß man erst die Zusage des
Conciliums von dem Papst erwarte. Der sächsische Reichs-
tagsgesandte Philipp von Feilitzsch suchte die Vorschläge
des Regimentes zu behaupten; da es ihm nicht gelang, so
protestirte er wenigstens: er erklärte, "sein Fürst könne sich
durch diesen Beschluß nicht gebunden achten, er werde sich
christlich, löblich und unverweislich zu halten wissen."


1 Planitz nennt ihn schon am 18 Jan. neben Schwarzenberg
und Feilitzsch.

Debatten in den Staͤnden.
ausgeſetzt; für beide ſollten alle Verpflichtungen aufgeho-
ben ſeyn, durch welche die Freiheit der Meinungsäußerung
beſchränkt werden könnte. Ein ſo entſchiednes Übergewicht
erlangte die nach einer Umbildung der kirchlichen Verhält-
niſſe ſtrebende Tendenz in beiden Ständen des Reichs.
Auch die Geiſtlichen ſahen die Nothwendigkeit einer Än-
derung ein; die Weltlichen drangen darauf. Selbſt von
Herzog Ludwig von Baiern verſichert man, er habe gegen
den Widerſpruch der Geiſtlichen eifrig feſtgehalten. 1

Da waren nur noch jene letzten, und für den Mo-
ment bedeutendſten Beſtimmungen, wie es bis zur Ent-
ſcheidung eines Conciliums gehalten, welche Thätigkeit
Schriftſtellern und Predigern geſtattet werden ſolle, zu be-
rathen übrig.

In Hinſicht der erſten gelang es den Geiſtlichen ei-
nige weitre Beſchränkungen durchzuſetzen. Die Verwendung
bei dem Churfürſten wollten ſie dahin gerichtet wiſſen, daß
von Luther und deſſen Anhängern überhaupt nichts Neues
geſchrieben, gedruckt, oder gethan werde; nicht allein daß
das nicht zu Aufruhr gereiche. Auch ſollte dieſe Verwen-
dung ſofort geſchehen, ohne daß man erſt die Zuſage des
Conciliums von dem Papſt erwarte. Der ſächſiſche Reichs-
tagsgeſandte Philipp von Feilitzſch ſuchte die Vorſchläge
des Regimentes zu behaupten; da es ihm nicht gelang, ſo
proteſtirte er wenigſtens: er erklärte, „ſein Fürſt könne ſich
durch dieſen Beſchluß nicht gebunden achten, er werde ſich
chriſtlich, löblich und unverweislich zu halten wiſſen.“


1 Planitz nennt ihn ſchon am 18 Jan. neben Schwarzenberg
und Feilitzſch.
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[61/0071] Debatten in den Staͤnden. ausgeſetzt; für beide ſollten alle Verpflichtungen aufgeho- ben ſeyn, durch welche die Freiheit der Meinungsäußerung beſchränkt werden könnte. Ein ſo entſchiednes Übergewicht erlangte die nach einer Umbildung der kirchlichen Verhält- niſſe ſtrebende Tendenz in beiden Ständen des Reichs. Auch die Geiſtlichen ſahen die Nothwendigkeit einer Än- derung ein; die Weltlichen drangen darauf. Selbſt von Herzog Ludwig von Baiern verſichert man, er habe gegen den Widerſpruch der Geiſtlichen eifrig feſtgehalten. 1 Da waren nur noch jene letzten, und für den Mo- ment bedeutendſten Beſtimmungen, wie es bis zur Ent- ſcheidung eines Conciliums gehalten, welche Thätigkeit Schriftſtellern und Predigern geſtattet werden ſolle, zu be- rathen übrig. In Hinſicht der erſten gelang es den Geiſtlichen ei- nige weitre Beſchränkungen durchzuſetzen. Die Verwendung bei dem Churfürſten wollten ſie dahin gerichtet wiſſen, daß von Luther und deſſen Anhängern überhaupt nichts Neues geſchrieben, gedruckt, oder gethan werde; nicht allein daß das nicht zu Aufruhr gereiche. Auch ſollte dieſe Verwen- dung ſofort geſchehen, ohne daß man erſt die Zuſage des Conciliums von dem Papſt erwarte. Der ſächſiſche Reichs- tagsgeſandte Philipp von Feilitzſch ſuchte die Vorſchläge des Regimentes zu behaupten; da es ihm nicht gelang, ſo proteſtirte er wenigſtens: er erklärte, „ſein Fürſt könne ſich durch dieſen Beſchluß nicht gebunden achten, er werde ſich chriſtlich, löblich und unverweislich zu halten wiſſen.“ 1 Planitz nennt ihn ſchon am 18 Jan. neben Schwarzenberg und Feilitzſch.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/71>, abgerufen am 07.05.2024.