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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Besitznahme von Ungern.
ten, -- unterwarfen sich und fielen dann wieder ab: die
Truppen Zapolyas, von der Kenntniß des Terrains unterstützt,
machten ein paar Mal sehr gefährliche nächtliche Überfälle;
aber die Deutschen entfalteten in den gefährlichen Momen-
ten die Gewandtheit und Entschlossenheit einer altrömischen
Legion; auch übrigens zeigten sie eine herrliche Ausdauer
in den Beschwerden: sie schlugen Zapolya bei Tokay aufs
Haupt und zwangen ihn Ungern zu verlassen. Darauf
hatten sie auch die Ehre, den deutschen Erzherzog nach
Stuhlweißenburg zu begleiten, in ihrem glänzenden Har-
nisch, die seidnen und zerschnittenen Wappenröcke darüber.
Am 3ten November 1527 ward Ferdinand in Stuhlwei-
ßenburg gekrönt: von den Magnaten des Reiches hielten
nur noch fünf an Zapolya fest. Der Sieg konnte voll-
kommen scheinen.

Sehr wohl aber fühlte Ferdinand, daß er das mit
nichten war. "Monseigneur," schrieb er noch im Novem-
ber an seinen Bruder, "ich zweifle nicht, daß Euch die
Natur der Ungern, die Veränderlichkeit ihres Willens be-
kannt ist. Sie müssen von nahe bei in Zaum gehalten
werden, wenn man ihrer gewiß seyn will." 1 Nur mit
großer Bedenklichkeit entschloß er sich, Ungern in diesem
Augenblick wieder zu verlassen.

Auch in Böhmen war er noch lange nicht sicher. Seine
bairischen Nachbarn gaben die Hofnung nicht auf, ihn bei
der ersten Wendung der allgemeinen Angelegenheiten vom
Throne zu stoßen.

Und indessen rüsteten sich die Osmanen, in der Mei-

1 Bei Bucholtz III, 114.

Beſitznahme von Ungern.
ten, — unterwarfen ſich und fielen dann wieder ab: die
Truppen Zapolyas, von der Kenntniß des Terrains unterſtützt,
machten ein paar Mal ſehr gefährliche nächtliche Überfälle;
aber die Deutſchen entfalteten in den gefährlichen Momen-
ten die Gewandtheit und Entſchloſſenheit einer altrömiſchen
Legion; auch übrigens zeigten ſie eine herrliche Ausdauer
in den Beſchwerden: ſie ſchlugen Zapolya bei Tokay aufs
Haupt und zwangen ihn Ungern zu verlaſſen. Darauf
hatten ſie auch die Ehre, den deutſchen Erzherzog nach
Stuhlweißenburg zu begleiten, in ihrem glänzenden Har-
niſch, die ſeidnen und zerſchnittenen Wappenröcke darüber.
Am 3ten November 1527 ward Ferdinand in Stuhlwei-
ßenburg gekrönt: von den Magnaten des Reiches hielten
nur noch fünf an Zapolya feſt. Der Sieg konnte voll-
kommen ſcheinen.

Sehr wohl aber fühlte Ferdinand, daß er das mit
nichten war. „Monſeigneur,“ ſchrieb er noch im Novem-
ber an ſeinen Bruder, „ich zweifle nicht, daß Euch die
Natur der Ungern, die Veränderlichkeit ihres Willens be-
kannt iſt. Sie müſſen von nahe bei in Zaum gehalten
werden, wenn man ihrer gewiß ſeyn will.“ 1 Nur mit
großer Bedenklichkeit entſchloß er ſich, Ungern in dieſem
Augenblick wieder zu verlaſſen.

Auch in Böhmen war er noch lange nicht ſicher. Seine
bairiſchen Nachbarn gaben die Hofnung nicht auf, ihn bei
der erſten Wendung der allgemeinen Angelegenheiten vom
Throne zu ſtoßen.

Und indeſſen rüſteten ſich die Osmanen, in der Mei-

1 Bei Bucholtz III, 114.
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[429/0439] Beſitznahme von Ungern. ten, — unterwarfen ſich und fielen dann wieder ab: die Truppen Zapolyas, von der Kenntniß des Terrains unterſtützt, machten ein paar Mal ſehr gefährliche nächtliche Überfälle; aber die Deutſchen entfalteten in den gefährlichen Momen- ten die Gewandtheit und Entſchloſſenheit einer altrömiſchen Legion; auch übrigens zeigten ſie eine herrliche Ausdauer in den Beſchwerden: ſie ſchlugen Zapolya bei Tokay aufs Haupt und zwangen ihn Ungern zu verlaſſen. Darauf hatten ſie auch die Ehre, den deutſchen Erzherzog nach Stuhlweißenburg zu begleiten, in ihrem glänzenden Har- niſch, die ſeidnen und zerſchnittenen Wappenröcke darüber. Am 3ten November 1527 ward Ferdinand in Stuhlwei- ßenburg gekrönt: von den Magnaten des Reiches hielten nur noch fünf an Zapolya feſt. Der Sieg konnte voll- kommen ſcheinen. Sehr wohl aber fühlte Ferdinand, daß er das mit nichten war. „Monſeigneur,“ ſchrieb er noch im Novem- ber an ſeinen Bruder, „ich zweifle nicht, daß Euch die Natur der Ungern, die Veränderlichkeit ihres Willens be- kannt iſt. Sie müſſen von nahe bei in Zaum gehalten werden, wenn man ihrer gewiß ſeyn will.“ 1 Nur mit großer Bedenklichkeit entſchloß er ſich, Ungern in dieſem Augenblick wieder zu verlaſſen. Auch in Böhmen war er noch lange nicht ſicher. Seine bairiſchen Nachbarn gaben die Hofnung nicht auf, ihn bei der erſten Wendung der allgemeinen Angelegenheiten vom Throne zu ſtoßen. Und indeſſen rüſteten ſich die Osmanen, in der Mei- 1 Bei Bucholtz III, 114.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/439>, abgerufen am 27.11.2024.