Hätten sich die Kaiserlichen durch den frühern Still- stand gebunden gefühlt, so hätten sie nun doch wieder freie Hände gehabt. Bourbon zögerte keinen Augenblick diesen Vortheil zu benutzen. Nach einigen Demonstratio- nen gegen Florenz und Arezzo, -- von Siena unterstützt -- schlug er am 28sten April die große Römerstraße ein, welche die Kriegsheere und die Pilgerschaaren aus dem Norden Jahrhunderte daher so oft abwechselnd gezogen waren. Die Reiterei der Liga war ihm auf den Fersen, vor sich aber fand er keinen Widerstand. Am 2ten Mai war er in Viterbo, wo er von den deutschen Herren bewillkommt wurde; am 4ten jagte er die ersten päpstli- chen Truppen die ihm begegneten, unter Ranuccio Farnese, aus Ronciglione; am 5ten durchzog er die Campagna und erschien des Abends von dem Monte Mario her vor den Mauern des Vatican. 1
So kam das deutsche Heer, wie es von Tirol und Schwaben ausgezogen, ohne irgendwo Widerstand gefun- den zu haben, nachdem alles nach beiden Seiten vor ihm zurückgewichen war, vor Rom an -- durch die hinzugekom- menen Spanier und Italiener, die auch in Rom Sold und Rache suchten, in seinem Ingrimm bestärkt, von ei- nem Feldherrn angeführt, der schon von den gewohnten Bahnen des europäischen Lebens abgewichen in dem Papste den vornehmsten Gegner aller seiner Ansprüche und Aus- sichten haßte.
Es würde unbegreiflich seyn, wie der umsichtige Cle-
1Commentarius captae urbis läßt das Heer schon am 4ten vor Rom anlangen. Ein Theil muß wohl wirklich schon da erschie- nen seyn. Einen Tag und zwei Nächte sey es dem römischen Ge- schütz ausgesetzt gewesen.
Viertes Buch. Drittes Capitel.
Hätten ſich die Kaiſerlichen durch den frühern Still- ſtand gebunden gefühlt, ſo hätten ſie nun doch wieder freie Hände gehabt. Bourbon zögerte keinen Augenblick dieſen Vortheil zu benutzen. Nach einigen Demonſtratio- nen gegen Florenz und Arezzo, — von Siena unterſtützt — ſchlug er am 28ſten April die große Römerſtraße ein, welche die Kriegsheere und die Pilgerſchaaren aus dem Norden Jahrhunderte daher ſo oft abwechſelnd gezogen waren. Die Reiterei der Liga war ihm auf den Ferſen, vor ſich aber fand er keinen Widerſtand. Am 2ten Mai war er in Viterbo, wo er von den deutſchen Herren bewillkommt wurde; am 4ten jagte er die erſten päpſtli- chen Truppen die ihm begegneten, unter Ranuccio Farneſe, aus Ronciglione; am 5ten durchzog er die Campagna und erſchien des Abends von dem Monte Mario her vor den Mauern des Vatican. 1
So kam das deutſche Heer, wie es von Tirol und Schwaben ausgezogen, ohne irgendwo Widerſtand gefun- den zu haben, nachdem alles nach beiden Seiten vor ihm zurückgewichen war, vor Rom an — durch die hinzugekom- menen Spanier und Italiener, die auch in Rom Sold und Rache ſuchten, in ſeinem Ingrimm beſtärkt, von ei- nem Feldherrn angeführt, der ſchon von den gewohnten Bahnen des europäiſchen Lebens abgewichen in dem Papſte den vornehmſten Gegner aller ſeiner Anſprüche und Aus- ſichten haßte.
Es würde unbegreiflich ſeyn, wie der umſichtige Cle-
1Commentarius captae urbis laͤßt das Heer ſchon am 4ten vor Rom anlangen. Ein Theil muß wohl wirklich ſchon da erſchie- nen ſeyn. Einen Tag und zwei Naͤchte ſey es dem roͤmiſchen Ge- ſchuͤtz ausgeſetzt geweſen.
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Viertes Buch. Drittes Capitel.
Hätten ſich die Kaiſerlichen durch den frühern Still-
ſtand gebunden gefühlt, ſo hätten ſie nun doch wieder
freie Hände gehabt. Bourbon zögerte keinen Augenblick
dieſen Vortheil zu benutzen. Nach einigen Demonſtratio-
nen gegen Florenz und Arezzo, — von Siena unterſtützt
— ſchlug er am 28ſten April die große Römerſtraße ein,
welche die Kriegsheere und die Pilgerſchaaren aus dem
Norden Jahrhunderte daher ſo oft abwechſelnd gezogen
waren. Die Reiterei der Liga war ihm auf den Ferſen,
vor ſich aber fand er keinen Widerſtand. Am 2ten
Mai war er in Viterbo, wo er von den deutſchen Herren
bewillkommt wurde; am 4ten jagte er die erſten päpſtli-
chen Truppen die ihm begegneten, unter Ranuccio Farneſe,
aus Ronciglione; am 5ten durchzog er die Campagna und
erſchien des Abends von dem Monte Mario her vor den
Mauern des Vatican. 1
So kam das deutſche Heer, wie es von Tirol und
Schwaben ausgezogen, ohne irgendwo Widerſtand gefun-
den zu haben, nachdem alles nach beiden Seiten vor ihm
zurückgewichen war, vor Rom an — durch die hinzugekom-
menen Spanier und Italiener, die auch in Rom Sold
und Rache ſuchten, in ſeinem Ingrimm beſtärkt, von ei-
nem Feldherrn angeführt, der ſchon von den gewohnten
Bahnen des europäiſchen Lebens abgewichen in dem Papſte
den vornehmſten Gegner aller ſeiner Anſprüche und Aus-
ſichten haßte.
Es würde unbegreiflich ſeyn, wie der umſichtige Cle-
1 Commentarius captae urbis laͤßt das Heer ſchon am 4ten
vor Rom anlangen. Ein Theil muß wohl wirklich ſchon da erſchie-
nen ſeyn. Einen Tag und zwei Naͤchte ſey es dem roͤmiſchen Ge-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/402>, abgerufen am 27.11.2024.
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