gleich aber gaben sie ihm eine unzweideutige Auslegung. In ihrer Antwort erklärten sie, unter guten Gebräuchen könne man keine andern verstehen, als die welche dem Glau- ben an Christum nicht zuwider seyen. Nun wisse aber je- dermann, wie viel entgegengesetzte zu allgemeinem Verder- ben eingerissen. Eine große Freude sey es ihnen, daß man dieselben abstellen wolle. 1
Zwar widersetzten sich die Bischöfe der Annahme die- ser Erklärung, als sie am 4ten Juli in dem Fürstenrath vorkam: sie behaupteten, nicht von den Mißbräuchen rühre die Bewegung des Volkes her, sondern von den aufrühre- rischen Schriften und Predigten: in dem Ungestüm der De- batte entfiel Einem der Ausdruck, man sollte lieber alle seit acht Jahren gedruckten Bücher verbrennen; allein durch Übertreibungen solcher Art schadeten sie sich nur: man warf ihnen vor, alle menschliche Kunst und Vernunft unterdrücken zu wollen. Die Antwort der Städte ward angenommen wie sie war.
Und hierauf verwandelte sich nun der ganze Reichs- tag in verschiedene Commissionen zur Abstellung der geist- lichen Mißbräuche: eine churfürstliche eine fürstliche und eine städtische: eben wie man einst zu Worms die Beschwer- den gegen den päpstlichen Stuhl zusammengestellt hatte.
Es nahm die dem Clerus sehr abgeneigte Stim- mung, welche in der Nation vorherrschte, auch an dem Reichstag überhand. "Von den Geistlichen," klagt der Frankfurter Gesandte, "werde nichts gesucht als ihr eigner
1 Antwort der Städte, gedruckt bei Kapp und bei Walch XVI, 246.
Viertes Buch. Zweites Capitel.
gleich aber gaben ſie ihm eine unzweideutige Auslegung. In ihrer Antwort erklärten ſie, unter guten Gebräuchen könne man keine andern verſtehen, als die welche dem Glau- ben an Chriſtum nicht zuwider ſeyen. Nun wiſſe aber je- dermann, wie viel entgegengeſetzte zu allgemeinem Verder- ben eingeriſſen. Eine große Freude ſey es ihnen, daß man dieſelben abſtellen wolle. 1
Zwar widerſetzten ſich die Biſchöfe der Annahme die- ſer Erklärung, als ſie am 4ten Juli in dem Fürſtenrath vorkam: ſie behaupteten, nicht von den Mißbräuchen rühre die Bewegung des Volkes her, ſondern von den aufrühre- riſchen Schriften und Predigten: in dem Ungeſtüm der De- batte entfiel Einem der Ausdruck, man ſollte lieber alle ſeit acht Jahren gedruckten Bücher verbrennen; allein durch Übertreibungen ſolcher Art ſchadeten ſie ſich nur: man warf ihnen vor, alle menſchliche Kunſt und Vernunft unterdrücken zu wollen. Die Antwort der Städte ward angenommen wie ſie war.
Und hierauf verwandelte ſich nun der ganze Reichs- tag in verſchiedene Commiſſionen zur Abſtellung der geiſt- lichen Mißbräuche: eine churfürſtliche eine fürſtliche und eine ſtädtiſche: eben wie man einſt zu Worms die Beſchwer- den gegen den päpſtlichen Stuhl zuſammengeſtellt hatte.
Es nahm die dem Clerus ſehr abgeneigte Stim- mung, welche in der Nation vorherrſchte, auch an dem Reichstag überhand. „Von den Geiſtlichen,“ klagt der Frankfurter Geſandte, „werde nichts geſucht als ihr eigner
1 Antwort der Staͤdte, gedruckt bei Kapp und bei Walch XVI, 246.
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Viertes Buch. Zweites Capitel.
gleich aber gaben ſie ihm eine unzweideutige Auslegung.
In ihrer Antwort erklärten ſie, unter guten Gebräuchen
könne man keine andern verſtehen, als die welche dem Glau-
ben an Chriſtum nicht zuwider ſeyen. Nun wiſſe aber je-
dermann, wie viel entgegengeſetzte zu allgemeinem Verder-
ben eingeriſſen. Eine große Freude ſey es ihnen, daß man
dieſelben abſtellen wolle. 1
Zwar widerſetzten ſich die Biſchöfe der Annahme die-
ſer Erklärung, als ſie am 4ten Juli in dem Fürſtenrath
vorkam: ſie behaupteten, nicht von den Mißbräuchen rühre
die Bewegung des Volkes her, ſondern von den aufrühre-
riſchen Schriften und Predigten: in dem Ungeſtüm der De-
batte entfiel Einem der Ausdruck, man ſollte lieber alle
ſeit acht Jahren gedruckten Bücher verbrennen; allein durch
Übertreibungen ſolcher Art ſchadeten ſie ſich nur: man warf
ihnen vor, alle menſchliche Kunſt und Vernunft unterdrücken
zu wollen. Die Antwort der Städte ward angenommen
wie ſie war.
Und hierauf verwandelte ſich nun der ganze Reichs-
tag in verſchiedene Commiſſionen zur Abſtellung der geiſt-
lichen Mißbräuche: eine churfürſtliche eine fürſtliche und
eine ſtädtiſche: eben wie man einſt zu Worms die Beſchwer-
den gegen den päpſtlichen Stuhl zuſammengeſtellt hatte.
Es nahm die dem Clerus ſehr abgeneigte Stim-
mung, welche in der Nation vorherrſchte, auch an dem
Reichstag überhand. „Von den Geiſtlichen,“ klagt der
Frankfurter Geſandte, „werde nichts geſucht als ihr eigner
1 Antwort der Staͤdte, gedruckt bei Kapp und bei Walch
XVI, 246.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/366>, abgerufen am 16.02.2025.
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