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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
daß diese Macht auf alle ihre italienischen Ansprüche Ver-
zicht leiste, auf die mailändischen zu Gunsten Sforzas, auf
die neapolitanischen zu Gunsten des Papstes. Dann werde
auch Italien, denn dieser Name erscheint jetzt wieder, ein
stattliches Kriegsheer zur Befreiung Franz I ins Feld stellen.

Wirklich erhob man sich in der Umgebung des Pap-
stes zu der Hofnung, die Franzosen auf immer entfernt
halten, die Spanier wieder verjagen, Italien in einen Zu-
stand wiederherstellen zu können, wie er vor dem Jahr
1494 gewesen war. Das Gefühl der Nationalität, das
sich schon öfter geregt, und vorzüglich in der literarisch-
künstlerischen Cultur, deren man sich bewußt war, seine
Nahrung fand, bemächtigte sich der Gemüther. Der Papst
war sehr geneigt, sich an die Spitze des Unternehmens zu
stellen.

Und in dem zeigte sich schon eine Aussicht, auf das
rascheste zum Ziele zu kommen.

Gleich nach der Schlacht von Pavia waren Mißver-
ständnisse zwischen den kaiserlichen Heerführern ausgebro-
chen: Lannoy, der am Tage selbst das Wenigste geleistet,
empfieng die meisten Beweise persönlicher Gnade, und nahm
sich endlich heraus, den gefangenen König, einem Beschluß
der übrigen gradezu entgegen, 1 auf eigne Hand nach Spa-
nien zu führen. Hierüber war Jedermann mißvergnügt.
Pescara, der sein Verdienst überhaupt nicht wie er wünschte
anerkannt sah, bat um seinen Abschied, um wie er sagte

1 Schreiben Bourbons 10 Juni, in Raumers Briefen I, p.
244. Übrigens wird in der Refut. apologiae officiell versichert, die
Überfahrt sey vorgenommen worden auf des Königs eignen Vorschlag,
"inscio atque inconsulto Caesare."

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
daß dieſe Macht auf alle ihre italieniſchen Anſprüche Ver-
zicht leiſte, auf die mailändiſchen zu Gunſten Sforzas, auf
die neapolitaniſchen zu Gunſten des Papſtes. Dann werde
auch Italien, denn dieſer Name erſcheint jetzt wieder, ein
ſtattliches Kriegsheer zur Befreiung Franz I ins Feld ſtellen.

Wirklich erhob man ſich in der Umgebung des Pap-
ſtes zu der Hofnung, die Franzoſen auf immer entfernt
halten, die Spanier wieder verjagen, Italien in einen Zu-
ſtand wiederherſtellen zu können, wie er vor dem Jahr
1494 geweſen war. Das Gefühl der Nationalität, das
ſich ſchon öfter geregt, und vorzüglich in der literariſch-
künſtleriſchen Cultur, deren man ſich bewußt war, ſeine
Nahrung fand, bemächtigte ſich der Gemüther. Der Papſt
war ſehr geneigt, ſich an die Spitze des Unternehmens zu
ſtellen.

Und in dem zeigte ſich ſchon eine Ausſicht, auf das
raſcheſte zum Ziele zu kommen.

Gleich nach der Schlacht von Pavia waren Mißver-
ſtändniſſe zwiſchen den kaiſerlichen Heerführern ausgebro-
chen: Lannoy, der am Tage ſelbſt das Wenigſte geleiſtet,
empfieng die meiſten Beweiſe perſönlicher Gnade, und nahm
ſich endlich heraus, den gefangenen König, einem Beſchluß
der übrigen gradezu entgegen, 1 auf eigne Hand nach Spa-
nien zu führen. Hierüber war Jedermann mißvergnügt.
Pescara, der ſein Verdienſt überhaupt nicht wie er wünſchte
anerkannt ſah, bat um ſeinen Abſchied, um wie er ſagte

1 Schreiben Bourbons 10 Juni, in Raumers Briefen I, p.
244. Uͤbrigens wird in der Refut. apologiae officiell verſichert, die
Uͤberfahrt ſey vorgenommen worden auf des Koͤnigs eignen Vorſchlag,
„inscio atque inconsulto Caesare.“
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[328/0338] Viertes Buch. Erſtes Capitel. daß dieſe Macht auf alle ihre italieniſchen Anſprüche Ver- zicht leiſte, auf die mailändiſchen zu Gunſten Sforzas, auf die neapolitaniſchen zu Gunſten des Papſtes. Dann werde auch Italien, denn dieſer Name erſcheint jetzt wieder, ein ſtattliches Kriegsheer zur Befreiung Franz I ins Feld ſtellen. Wirklich erhob man ſich in der Umgebung des Pap- ſtes zu der Hofnung, die Franzoſen auf immer entfernt halten, die Spanier wieder verjagen, Italien in einen Zu- ſtand wiederherſtellen zu können, wie er vor dem Jahr 1494 geweſen war. Das Gefühl der Nationalität, das ſich ſchon öfter geregt, und vorzüglich in der literariſch- künſtleriſchen Cultur, deren man ſich bewußt war, ſeine Nahrung fand, bemächtigte ſich der Gemüther. Der Papſt war ſehr geneigt, ſich an die Spitze des Unternehmens zu ſtellen. Und in dem zeigte ſich ſchon eine Ausſicht, auf das raſcheſte zum Ziele zu kommen. Gleich nach der Schlacht von Pavia waren Mißver- ſtändniſſe zwiſchen den kaiſerlichen Heerführern ausgebro- chen: Lannoy, der am Tage ſelbſt das Wenigſte geleiſtet, empfieng die meiſten Beweiſe perſönlicher Gnade, und nahm ſich endlich heraus, den gefangenen König, einem Beſchluß der übrigen gradezu entgegen, 1 auf eigne Hand nach Spa- nien zu führen. Hierüber war Jedermann mißvergnügt. Pescara, der ſein Verdienſt überhaupt nicht wie er wünſchte anerkannt ſah, bat um ſeinen Abſchied, um wie er ſagte 1 Schreiben Bourbons 10 Juni, in Raumers Briefen I, p. 244. Uͤbrigens wird in der Refut. apologiae officiell verſichert, die Uͤberfahrt ſey vorgenommen worden auf des Koͤnigs eignen Vorſchlag, „inscio atque inconsulto Caesare.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/338>, abgerufen am 22.11.2024.