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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Ausbruch des Krieges mit Frankreich.

Auch für diese Verhältnisse dürfen wir jedoch keinen
Augenblick vergessen, daß es nicht eine eigentlich nationale
Entwickelung war, woraus die Vermehrung der kaiserlichen
Macht hervorgieng. Die Nation war nicht gemeint Carl
dem V größere Rechte zu gewähren als seinen Vorfahren,
schloß sich nicht einmüthiger an ihn an. Der Unterschied
beruhte auf der Verbindung einer Hausmacht wie sie noch
niemals vorgekommen war, mit den Rechten des Kaiser-
thums. Aber so fremdartige Bestandtheile umfaßte dieselbe,
daß sie niemals mit der kaiserlichen Gewalt verschmelzen
konnten. In der Stellung Carls V lag eine Doppelseitig-
keit, welche mit der Zeit eigenthümliche Schwierigkeiten
entwickeln mußte, und für die Rechte des Reiches, in wie
fern sie von denen des jedesmaligen Kaisers unterschieden
waren, auch wieder gefährlich werden konnte.

Gleich der Ursprung seiner Kriege liegt bei weitem mehr
in der Gesammtheit seiner Verhältnisse als in den Interes-
sen des Reiches.

Wir berührten schon, wie die alte Feindseligkeit zwi-
schen Frankreich und Burgund wieder erwachte.

Im Anfang des Jahres 1521 sah man die erklärten
Gegner des Kaisers an dem französischen Hofe auf das
beste aufgenommen und begünstigt: Franz I trat mit den
empörten Communen in Castilien in Verbindung: auch in
Deutschland glaubte der Kaiser noch immer Machinationen
seines Gegners wahrzunehmen: Briefe und Entwürfe des
feindseligsten Inhalts kamen ihm aus Italien zu Gesicht: 1

1 Tractat de subtrahendis omnibus Caesaris amicis, --
sollicitat licet frustra sacri imperii electores, -- concitat et literis
Ausbruch des Krieges mit Frankreich.

Auch für dieſe Verhältniſſe dürfen wir jedoch keinen
Augenblick vergeſſen, daß es nicht eine eigentlich nationale
Entwickelung war, woraus die Vermehrung der kaiſerlichen
Macht hervorgieng. Die Nation war nicht gemeint Carl
dem V größere Rechte zu gewähren als ſeinen Vorfahren,
ſchloß ſich nicht einmüthiger an ihn an. Der Unterſchied
beruhte auf der Verbindung einer Hausmacht wie ſie noch
niemals vorgekommen war, mit den Rechten des Kaiſer-
thums. Aber ſo fremdartige Beſtandtheile umfaßte dieſelbe,
daß ſie niemals mit der kaiſerlichen Gewalt verſchmelzen
konnten. In der Stellung Carls V lag eine Doppelſeitig-
keit, welche mit der Zeit eigenthümliche Schwierigkeiten
entwickeln mußte, und für die Rechte des Reiches, in wie
fern ſie von denen des jedesmaligen Kaiſers unterſchieden
waren, auch wieder gefährlich werden konnte.

Gleich der Urſprung ſeiner Kriege liegt bei weitem mehr
in der Geſammtheit ſeiner Verhältniſſe als in den Intereſ-
ſen des Reiches.

Wir berührten ſchon, wie die alte Feindſeligkeit zwi-
ſchen Frankreich und Burgund wieder erwachte.

Im Anfang des Jahres 1521 ſah man die erklärten
Gegner des Kaiſers an dem franzöſiſchen Hofe auf das
beſte aufgenommen und begünſtigt: Franz I trat mit den
empörten Communen in Caſtilien in Verbindung: auch in
Deutſchland glaubte der Kaiſer noch immer Machinationen
ſeines Gegners wahrzunehmen: Briefe und Entwürfe des
feindſeligſten Inhalts kamen ihm aus Italien zu Geſicht: 1

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[255/0265] Ausbruch des Krieges mit Frankreich. Auch für dieſe Verhältniſſe dürfen wir jedoch keinen Augenblick vergeſſen, daß es nicht eine eigentlich nationale Entwickelung war, woraus die Vermehrung der kaiſerlichen Macht hervorgieng. Die Nation war nicht gemeint Carl dem V größere Rechte zu gewähren als ſeinen Vorfahren, ſchloß ſich nicht einmüthiger an ihn an. Der Unterſchied beruhte auf der Verbindung einer Hausmacht wie ſie noch niemals vorgekommen war, mit den Rechten des Kaiſer- thums. Aber ſo fremdartige Beſtandtheile umfaßte dieſelbe, daß ſie niemals mit der kaiſerlichen Gewalt verſchmelzen konnten. In der Stellung Carls V lag eine Doppelſeitig- keit, welche mit der Zeit eigenthümliche Schwierigkeiten entwickeln mußte, und für die Rechte des Reiches, in wie fern ſie von denen des jedesmaligen Kaiſers unterſchieden waren, auch wieder gefährlich werden konnte. Gleich der Urſprung ſeiner Kriege liegt bei weitem mehr in der Geſammtheit ſeiner Verhältniſſe als in den Intereſ- ſen des Reiches. Wir berührten ſchon, wie die alte Feindſeligkeit zwi- ſchen Frankreich und Burgund wieder erwachte. Im Anfang des Jahres 1521 ſah man die erklärten Gegner des Kaiſers an dem franzöſiſchen Hofe auf das beſte aufgenommen und begünſtigt: Franz I trat mit den empörten Communen in Caſtilien in Verbindung: auch in Deutſchland glaubte der Kaiſer noch immer Machinationen ſeines Gegners wahrzunehmen: Briefe und Entwürfe des feindſeligſten Inhalts kamen ihm aus Italien zu Geſicht: 1 1 Tractat de subtrahendis omnibus Caesaris amicis, — sollicitat licet frustra sacri imperii electores, — concitat et literis

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/265>, abgerufen am 19.05.2024.