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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Siebentes Capitel.

Eben hier müssen wir der Ereignisse von Tirol und
Salzburg nochmals gedenken. Die merkwürdigste Stellung
von der Welt nahm Erzherzog Ferdinand ein.

Auf jenem Tiroler Landtag waren nur Adel, Städte
und Gerichte versammelt: der geistliche Stand war gar
nicht erschienen. Die anti-geistliche Stimmung, die dieß
veranlaßt, trat nun auch um so mehr in den Anordnun-
gen hervor die man traf. In dem Landtagsabschied be-
schloß man, die Besetzung der untern Stellen von den Bi-
schöfen unabhängig zu machen: in Zukunft sollten Städte
und Gerichte präsentiren, der Landesfürst bestätigen, Kla-
gen über die Geistlichen von jenen an diesen gehn. 1 Dem
Bischof von Trient ward die Bitte, in seinem Stift die
Aufrührer auch mit fremdem Kriegsvolk strafen zu dürfen,
abgeschlagen: denn der gemeine Mann, sagt Ferdinand, sey
der Meinung, daß den Geistlichen keine Administration im
Weltlichen zustehe: gäbe er dem Bischof eine solche Er-
laubniß, so würden die Edelleute sich beklagen, er veran-
lasse eine neue Empörung, die auch ihnen verderblich werde. 2
Und noch viel weiter gieng man. Als sich der Bischof von
Brixen unfähig zeigte, in seinem Stifte, wo einer seiner
Schreiber und Zolleinnehmer den Aufruhr anführte, die
Ordnung wiederherzustellen, beschloß die Tiroler Landschaft,
nicht etwa ihm zu Hülfe zu kommen, sondern das Stift
vorläufig geradezu zu säcularisiren. Erzherzog Ferdinand
ließ es zu seinen Handen einnehmen, und übertrug die Ver-

1 Bucholtz VIII, p. 338.
2 Ferdinand an Bischof Bernhard von Trient Insbruck 9ten
Juli 1525 bei Bucholtz IX, 640.
Drittes Buch. Siebentes Capitel.

Eben hier müſſen wir der Ereigniſſe von Tirol und
Salzburg nochmals gedenken. Die merkwürdigſte Stellung
von der Welt nahm Erzherzog Ferdinand ein.

Auf jenem Tiroler Landtag waren nur Adel, Städte
und Gerichte verſammelt: der geiſtliche Stand war gar
nicht erſchienen. Die anti-geiſtliche Stimmung, die dieß
veranlaßt, trat nun auch um ſo mehr in den Anordnun-
gen hervor die man traf. In dem Landtagsabſchied be-
ſchloß man, die Beſetzung der untern Stellen von den Bi-
ſchöfen unabhängig zu machen: in Zukunft ſollten Städte
und Gerichte präſentiren, der Landesfürſt beſtätigen, Kla-
gen über die Geiſtlichen von jenen an dieſen gehn. 1 Dem
Biſchof von Trient ward die Bitte, in ſeinem Stift die
Aufrührer auch mit fremdem Kriegsvolk ſtrafen zu dürfen,
abgeſchlagen: denn der gemeine Mann, ſagt Ferdinand, ſey
der Meinung, daß den Geiſtlichen keine Adminiſtration im
Weltlichen zuſtehe: gäbe er dem Biſchof eine ſolche Er-
laubniß, ſo würden die Edelleute ſich beklagen, er veran-
laſſe eine neue Empörung, die auch ihnen verderblich werde. 2
Und noch viel weiter gieng man. Als ſich der Biſchof von
Brixen unfähig zeigte, in ſeinem Stifte, wo einer ſeiner
Schreiber und Zolleinnehmer den Aufruhr anführte, die
Ordnung wiederherzuſtellen, beſchloß die Tiroler Landſchaft,
nicht etwa ihm zu Hülfe zu kommen, ſondern das Stift
vorläufig geradezu zu ſäculariſiren. Erzherzog Ferdinand
ließ es zu ſeinen Handen einnehmen, und übertrug die Ver-

1 Bucholtz VIII, p. 338.
2 Ferdinand an Biſchof Bernhard von Trient Insbruck 9ten
Juli 1525 bei Bucholtz IX, 640.
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[232/0242] Drittes Buch. Siebentes Capitel. Eben hier müſſen wir der Ereigniſſe von Tirol und Salzburg nochmals gedenken. Die merkwürdigſte Stellung von der Welt nahm Erzherzog Ferdinand ein. Auf jenem Tiroler Landtag waren nur Adel, Städte und Gerichte verſammelt: der geiſtliche Stand war gar nicht erſchienen. Die anti-geiſtliche Stimmung, die dieß veranlaßt, trat nun auch um ſo mehr in den Anordnun- gen hervor die man traf. In dem Landtagsabſchied be- ſchloß man, die Beſetzung der untern Stellen von den Bi- ſchöfen unabhängig zu machen: in Zukunft ſollten Städte und Gerichte präſentiren, der Landesfürſt beſtätigen, Kla- gen über die Geiſtlichen von jenen an dieſen gehn. 1 Dem Biſchof von Trient ward die Bitte, in ſeinem Stift die Aufrührer auch mit fremdem Kriegsvolk ſtrafen zu dürfen, abgeſchlagen: denn der gemeine Mann, ſagt Ferdinand, ſey der Meinung, daß den Geiſtlichen keine Adminiſtration im Weltlichen zuſtehe: gäbe er dem Biſchof eine ſolche Er- laubniß, ſo würden die Edelleute ſich beklagen, er veran- laſſe eine neue Empörung, die auch ihnen verderblich werde. 2 Und noch viel weiter gieng man. Als ſich der Biſchof von Brixen unfähig zeigte, in ſeinem Stifte, wo einer ſeiner Schreiber und Zolleinnehmer den Aufruhr anführte, die Ordnung wiederherzuſtellen, beſchloß die Tiroler Landſchaft, nicht etwa ihm zu Hülfe zu kommen, ſondern das Stift vorläufig geradezu zu ſäculariſiren. Erzherzog Ferdinand ließ es zu ſeinen Handen einnehmen, und übertrug die Ver- 1 Bucholtz VIII, p. 338. 2 Ferdinand an Biſchof Bernhard von Trient Insbruck 9ten Juli 1525 bei Bucholtz IX, 640.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/242>, abgerufen am 22.11.2024.