Wie der Cölibat die Übertragung eines Mönchsge- lübdes auf den Priesterstand war, so stand die Auflösung desselben auch mit den Ideen über das Klosterwesen in Verbindung. In der kleinen Augustinerkirche in welcher Luther anfangs aufgetreten, hielt jetzt einer seiner geschick- testen Mitbrüder, Gabriel Zwilling, feurige Predigten, in denen er die Gelübde überhaupt, das ganze Mönchswesen angriff, und es nicht allein für erlaubt, sondern für noth- wendig erklärte, sich von denselben loszusagen, "denn in der Kutte könne man nicht selig werden." Dreizehn Au- gustiner auf einmal traten aus, und nahmen ihre Woh- nung zum Theil unter den Bürgern zum Theil unter den Studenten; einer von ihnen, der das Tischlerhandwerk ver- stand, bat um das Bürgerrecht und gedachte sich zu ver- heirathen. 1 Eine allgemeine Aufregung entstand; die noch in dem Kloster verbliebenen Augustiner hielten sich nicht mehr für sicher; das Barfüßerkloster in Wittenberg mußte des Nachts mit einer starken Wache geschützt werden.
Aber schon hatte derselbe Bruder Gabriel noch einen andern weiter führenden Angriff gemacht. Die Grundsätze Luthers über das Sacrament dehnte er dahin aus, daß er die Anbetung desselben, ja die Celebration der Messe ohne Communicanten in der Idee des Opfers, die soge- nannte Privatmesse, für einen Mißbrauch für eine Sünde erklärte. 2 Zunächst sah sich der Prior in dem Kloster durch die allgemeine Bewegung, wie er sagte um größeres Är-
1 Bericht von Gregorius Brück an den Churfürsten 11 Octo- ber. C. Ev. I, p. 459.
2 Bericht des Augustinerpriors Helt an den Churfürsten 12 Nov. C. Ev. 483.
Drittes Buch. Erſtes Capitel.
Wie der Cölibat die Übertragung eines Mönchsge- lübdes auf den Prieſterſtand war, ſo ſtand die Auflöſung deſſelben auch mit den Ideen über das Kloſterweſen in Verbindung. In der kleinen Auguſtinerkirche in welcher Luther anfangs aufgetreten, hielt jetzt einer ſeiner geſchick- teſten Mitbrüder, Gabriel Zwilling, feurige Predigten, in denen er die Gelübde überhaupt, das ganze Mönchsweſen angriff, und es nicht allein für erlaubt, ſondern für noth- wendig erklärte, ſich von denſelben loszuſagen, „denn in der Kutte könne man nicht ſelig werden.“ Dreizehn Au- guſtiner auf einmal traten aus, und nahmen ihre Woh- nung zum Theil unter den Bürgern zum Theil unter den Studenten; einer von ihnen, der das Tiſchlerhandwerk ver- ſtand, bat um das Bürgerrecht und gedachte ſich zu ver- heirathen. 1 Eine allgemeine Aufregung entſtand; die noch in dem Kloſter verbliebenen Auguſtiner hielten ſich nicht mehr für ſicher; das Barfüßerkloſter in Wittenberg mußte des Nachts mit einer ſtarken Wache geſchützt werden.
Aber ſchon hatte derſelbe Bruder Gabriel noch einen andern weiter führenden Angriff gemacht. Die Grundſätze Luthers über das Sacrament dehnte er dahin aus, daß er die Anbetung deſſelben, ja die Celebration der Meſſe ohne Communicanten in der Idee des Opfers, die ſoge- nannte Privatmeſſe, für einen Mißbrauch für eine Sünde erklärte. 2 Zunächſt ſah ſich der Prior in dem Kloſter durch die allgemeine Bewegung, wie er ſagte um größeres Är-
1 Bericht von Gregorius Bruͤck an den Churfuͤrſten 11 Octo- ber. C. Ev. I, p. 459.
2 Bericht des Auguſtinerpriors Helt an den Churfuͤrſten 12 Nov. C. Ev. 483.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0024"n="14"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Drittes Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/><p>Wie der Cölibat die Übertragung eines Mönchsge-<lb/>
lübdes auf den Prieſterſtand war, ſo ſtand die Auflöſung<lb/>
deſſelben auch mit den Ideen über das Kloſterweſen in<lb/>
Verbindung. In der kleinen Auguſtinerkirche in welcher<lb/>
Luther anfangs aufgetreten, hielt jetzt einer ſeiner geſchick-<lb/>
teſten Mitbrüder, Gabriel Zwilling, feurige Predigten, in<lb/>
denen er die Gelübde überhaupt, das ganze Mönchsweſen<lb/>
angriff, und es nicht allein für erlaubt, ſondern für noth-<lb/>
wendig erklärte, ſich von denſelben loszuſagen, „denn in<lb/>
der Kutte könne man nicht ſelig werden.“ Dreizehn Au-<lb/>
guſtiner auf einmal traten aus, und nahmen ihre Woh-<lb/>
nung zum Theil unter den Bürgern zum Theil unter den<lb/>
Studenten; einer von ihnen, der das Tiſchlerhandwerk ver-<lb/>ſtand, bat um das Bürgerrecht und gedachte ſich zu ver-<lb/>
heirathen. <noteplace="foot"n="1">Bericht von Gregorius Bruͤck an den Churfuͤrſten 11 Octo-<lb/>
ber. <hirendition="#aq">C. Ev. I, p.</hi> 459.</note> Eine allgemeine Aufregung entſtand; die noch<lb/>
in dem Kloſter verbliebenen Auguſtiner hielten ſich nicht<lb/>
mehr für ſicher; das Barfüßerkloſter in Wittenberg mußte<lb/>
des Nachts mit einer ſtarken Wache geſchützt werden.</p><lb/><p>Aber ſchon hatte derſelbe Bruder Gabriel noch einen<lb/>
andern weiter führenden Angriff gemacht. Die Grundſätze<lb/>
Luthers über das Sacrament dehnte er dahin aus, daß<lb/>
er die Anbetung deſſelben, ja die Celebration der Meſſe<lb/>
ohne Communicanten in der Idee des Opfers, die ſoge-<lb/>
nannte Privatmeſſe, für einen Mißbrauch für eine Sünde<lb/>
erklärte. <noteplace="foot"n="2">Bericht des Auguſtinerpriors Helt an den Churfuͤrſten 12<lb/>
Nov. <hirendition="#aq">C. Ev.</hi> 483.</note> Zunächſt ſah ſich der Prior in dem Kloſter durch<lb/>
die allgemeine Bewegung, wie er ſagte um größeres Är-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0024]
Drittes Buch. Erſtes Capitel.
Wie der Cölibat die Übertragung eines Mönchsge-
lübdes auf den Prieſterſtand war, ſo ſtand die Auflöſung
deſſelben auch mit den Ideen über das Kloſterweſen in
Verbindung. In der kleinen Auguſtinerkirche in welcher
Luther anfangs aufgetreten, hielt jetzt einer ſeiner geſchick-
teſten Mitbrüder, Gabriel Zwilling, feurige Predigten, in
denen er die Gelübde überhaupt, das ganze Mönchsweſen
angriff, und es nicht allein für erlaubt, ſondern für noth-
wendig erklärte, ſich von denſelben loszuſagen, „denn in
der Kutte könne man nicht ſelig werden.“ Dreizehn Au-
guſtiner auf einmal traten aus, und nahmen ihre Woh-
nung zum Theil unter den Bürgern zum Theil unter den
Studenten; einer von ihnen, der das Tiſchlerhandwerk ver-
ſtand, bat um das Bürgerrecht und gedachte ſich zu ver-
heirathen. 1 Eine allgemeine Aufregung entſtand; die noch
in dem Kloſter verbliebenen Auguſtiner hielten ſich nicht
mehr für ſicher; das Barfüßerkloſter in Wittenberg mußte
des Nachts mit einer ſtarken Wache geſchützt werden.
Aber ſchon hatte derſelbe Bruder Gabriel noch einen
andern weiter führenden Angriff gemacht. Die Grundſätze
Luthers über das Sacrament dehnte er dahin aus, daß
er die Anbetung deſſelben, ja die Celebration der Meſſe
ohne Communicanten in der Idee des Opfers, die ſoge-
nannte Privatmeſſe, für einen Mißbrauch für eine Sünde
erklärte. 2 Zunächſt ſah ſich der Prior in dem Kloſter durch
die allgemeine Bewegung, wie er ſagte um größeres Är-
1 Bericht von Gregorius Bruͤck an den Churfuͤrſten 11 Octo-
ber. C. Ev. I, p. 459.
2 Bericht des Auguſtinerpriors Helt an den Churfuͤrſten 12
Nov. C. Ev. 483.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/24>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.