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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Widerstand der Evangelischen.
evangelischen Prediger mit sich gehabt und Herzog Georg
war in dem Moment jener Vorhaltung durch den Anblick
desselben betroffen worden. Immer mehr vertiefte sich Phi-
lipp seitdem in die evangelischen Überzeugungen. Man
muß die Briefe lesen, welche er noch in diesem Jahre an
Herzog Georg schrieb, worin er bald die Lehre vom Ca-
non und der Messe, bald die Idee von der Kirche oder
die Verbindlichkeit der Gelübde bestreitet: man sieht da,
mit welchem jugendlichen und doch ernsten Eifer er die
neuen Doctrinen ergriff, welche ausgebreitete und lebendige
Kunde der beweisenden Stellen er sich schon verschafft hatte. 1

Eben so war es in Sachsen. Statt die Bahn seines
Vorfahren zu verlassen, schritt der neue Churfürst noch viel
entschlossener auf derselben vorwärts. Als er im August
1525 Weimar verließ, ließ er die Priesterschaft dieses Am-
tes noch einmal zusammenrufen -- es war der 16te die-
ses Monats -- und ihr, nachdem sie durch zwei Predig-
ten vorbereitet worden, ankündigen, daß sie in Zukunft das
lautere Wort Gottes ohne allen menschlichen Zusatz zu
predigen habe. 2 Es waren einige ältere Priester dabei,
welche die Meinung äußerten, es werde ihnen damit doch
nicht verboten, Seelmessen zu halten, Salz und Wasser zu
weihen: sie wurden bedeutet, was von dem Worte gelte,
sey auch von den Cerimonien zu verstehn.

In Folge des Mühlhauser Abschiedes hielt der Chur-

1 Rommels Urkundenbuch p. 2.
2 Das man das lauter rayn Evangelion on menschliche Zu-
satzung predigen soll, fürstlicher Befelch zu Weymar beschehen. Send-
schreiben des Pfarrers Kißwetter zu Erfurt an "Herr Hainrichen
Pfarher zu Elxleben a. d. Gera." 1525.

Widerſtand der Evangeliſchen.
evangeliſchen Prediger mit ſich gehabt und Herzog Georg
war in dem Moment jener Vorhaltung durch den Anblick
deſſelben betroffen worden. Immer mehr vertiefte ſich Phi-
lipp ſeitdem in die evangeliſchen Überzeugungen. Man
muß die Briefe leſen, welche er noch in dieſem Jahre an
Herzog Georg ſchrieb, worin er bald die Lehre vom Ca-
non und der Meſſe, bald die Idee von der Kirche oder
die Verbindlichkeit der Gelübde beſtreitet: man ſieht da,
mit welchem jugendlichen und doch ernſten Eifer er die
neuen Doctrinen ergriff, welche ausgebreitete und lebendige
Kunde der beweiſenden Stellen er ſich ſchon verſchafft hatte. 1

Eben ſo war es in Sachſen. Statt die Bahn ſeines
Vorfahren zu verlaſſen, ſchritt der neue Churfürſt noch viel
entſchloſſener auf derſelben vorwärts. Als er im Auguſt
1525 Weimar verließ, ließ er die Prieſterſchaft dieſes Am-
tes noch einmal zuſammenrufen — es war der 16te die-
ſes Monats — und ihr, nachdem ſie durch zwei Predig-
ten vorbereitet worden, ankündigen, daß ſie in Zukunft das
lautere Wort Gottes ohne allen menſchlichen Zuſatz zu
predigen habe. 2 Es waren einige ältere Prieſter dabei,
welche die Meinung äußerten, es werde ihnen damit doch
nicht verboten, Seelmeſſen zu halten, Salz und Waſſer zu
weihen: ſie wurden bedeutet, was von dem Worte gelte,
ſey auch von den Cerimonien zu verſtehn.

In Folge des Mühlhauſer Abſchiedes hielt der Chur-

1 Rommels Urkundenbuch p. 2.
2 Das man das lauter rayn Evangelion on menſchliche Zu-
ſatzung predigen ſoll, fuͤrſtlicher Befelch zu Weymar beſchehen. Send-
ſchreiben des Pfarrers Kißwetter zu Erfurt an „Herr Hainrichen
Pfarher zu Elxleben a. d. Gera.“ 1525.
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[229/0239] Widerſtand der Evangeliſchen. evangeliſchen Prediger mit ſich gehabt und Herzog Georg war in dem Moment jener Vorhaltung durch den Anblick deſſelben betroffen worden. Immer mehr vertiefte ſich Phi- lipp ſeitdem in die evangeliſchen Überzeugungen. Man muß die Briefe leſen, welche er noch in dieſem Jahre an Herzog Georg ſchrieb, worin er bald die Lehre vom Ca- non und der Meſſe, bald die Idee von der Kirche oder die Verbindlichkeit der Gelübde beſtreitet: man ſieht da, mit welchem jugendlichen und doch ernſten Eifer er die neuen Doctrinen ergriff, welche ausgebreitete und lebendige Kunde der beweiſenden Stellen er ſich ſchon verſchafft hatte. 1 Eben ſo war es in Sachſen. Statt die Bahn ſeines Vorfahren zu verlaſſen, ſchritt der neue Churfürſt noch viel entſchloſſener auf derſelben vorwärts. Als er im Auguſt 1525 Weimar verließ, ließ er die Prieſterſchaft dieſes Am- tes noch einmal zuſammenrufen — es war der 16te die- ſes Monats — und ihr, nachdem ſie durch zwei Predig- ten vorbereitet worden, ankündigen, daß ſie in Zukunft das lautere Wort Gottes ohne allen menſchlichen Zuſatz zu predigen habe. 2 Es waren einige ältere Prieſter dabei, welche die Meinung äußerten, es werde ihnen damit doch nicht verboten, Seelmeſſen zu halten, Salz und Waſſer zu weihen: ſie wurden bedeutet, was von dem Worte gelte, ſey auch von den Cerimonien zu verſtehn. In Folge des Mühlhauſer Abſchiedes hielt der Chur- 1 Rommels Urkundenbuch p. 2. 2 Das man das lauter rayn Evangelion on menſchliche Zu- ſatzung predigen ſoll, fuͤrſtlicher Befelch zu Weymar beſchehen. Send- ſchreiben des Pfarrers Kißwetter zu Erfurt an „Herr Hainrichen Pfarher zu Elxleben a. d. Gera.“ 1525.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/239>, abgerufen am 01.05.2024.