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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Tod Friedrichs d. W.
ten erschrak er nicht, so ernstlich er sie sich auch vorstellte:
denn sey es nicht Gottes Wille, so werde es doch nicht
geschehn. Diese Überzeugung, die ihn während der luthe-
rischen Bewegungen geleitet und muthig erhalten hatte, er-
hob sich ihm mit doppelter Zuversicht in seinen letzten Mo-
menten. Er hatte keinen Blutsverwandten um sich: Nie-
mand als seine Diener. Bis hieher war der Gegensatz
nicht gedrungen, der sonst allenthalben Herrschende und
Dienende entzweite. "Lieben Kindlein," sagte der Fürst, "habe
ich Einen von Euch beleidigt, so bitte ich ihn mir es um
Gottes Willen zu vergeben: wir Fürsten thun den armen
Leuten mancherlei das nicht taugt." Es war nur von Gott
die Rede, von dem frommen Gott der die Sterbenden trö-
stet. Zum letzten Mal strengte Friedrich das ersterbende
Licht seiner Augen an, um eine Tröstung seines Spalatin
zu lesen; dann empfieng er von einem Geistlichen den er
liebte, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. In ihm
war die neue Lehre, die unter seinem vorsichtigen Schirme
gediehen, schon nicht mehr jene Weltmacht die sich im
Kampfe zu behaupten hat und eine neue Zukunft ankün-
digt: ihm war sie nur das wahrhaftige Evangelium, christ-
liches Bewußtseyn, Andacht und Trost der Seele. Der
Mensch überläßt die Welt sich selber und zieht sich auf sein
persönliches Verhältniß zu dem Unendlichen, zu Gott und
der Ewigkeit zurück. So starb er: 5ten Mai 1525. "Er
war ein Kind des Friedens," sagte sein Arzt, "friedlich
ist er verschieden." 1

Es war ein schwerer Regierungsantritt, der seines

1 Spalatin Leben Friedrichs des Weisen p. 60.

Tod Friedrichs d. W.
ten erſchrak er nicht, ſo ernſtlich er ſie ſich auch vorſtellte:
denn ſey es nicht Gottes Wille, ſo werde es doch nicht
geſchehn. Dieſe Überzeugung, die ihn während der luthe-
riſchen Bewegungen geleitet und muthig erhalten hatte, er-
hob ſich ihm mit doppelter Zuverſicht in ſeinen letzten Mo-
menten. Er hatte keinen Blutsverwandten um ſich: Nie-
mand als ſeine Diener. Bis hieher war der Gegenſatz
nicht gedrungen, der ſonſt allenthalben Herrſchende und
Dienende entzweite. „Lieben Kindlein,“ ſagte der Fürſt, „habe
ich Einen von Euch beleidigt, ſo bitte ich ihn mir es um
Gottes Willen zu vergeben: wir Fürſten thun den armen
Leuten mancherlei das nicht taugt.“ Es war nur von Gott
die Rede, von dem frommen Gott der die Sterbenden trö-
ſtet. Zum letzten Mal ſtrengte Friedrich das erſterbende
Licht ſeiner Augen an, um eine Tröſtung ſeines Spalatin
zu leſen; dann empfieng er von einem Geiſtlichen den er
liebte, das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt. In ihm
war die neue Lehre, die unter ſeinem vorſichtigen Schirme
gediehen, ſchon nicht mehr jene Weltmacht die ſich im
Kampfe zu behaupten hat und eine neue Zukunft ankün-
digt: ihm war ſie nur das wahrhaftige Evangelium, chriſt-
liches Bewußtſeyn, Andacht und Troſt der Seele. Der
Menſch überläßt die Welt ſich ſelber und zieht ſich auf ſein
perſönliches Verhältniß zu dem Unendlichen, zu Gott und
der Ewigkeit zurück. So ſtarb er: 5ten Mai 1525. „Er
war ein Kind des Friedens,“ ſagte ſein Arzt, „friedlich
iſt er verſchieden.“ 1

Es war ein ſchwerer Regierungsantritt, der ſeines

1 Spalatin Leben Friedrichs des Weiſen p. 60.
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[215/0225] Tod Friedrichs d. W. ten erſchrak er nicht, ſo ernſtlich er ſie ſich auch vorſtellte: denn ſey es nicht Gottes Wille, ſo werde es doch nicht geſchehn. Dieſe Überzeugung, die ihn während der luthe- riſchen Bewegungen geleitet und muthig erhalten hatte, er- hob ſich ihm mit doppelter Zuverſicht in ſeinen letzten Mo- menten. Er hatte keinen Blutsverwandten um ſich: Nie- mand als ſeine Diener. Bis hieher war der Gegenſatz nicht gedrungen, der ſonſt allenthalben Herrſchende und Dienende entzweite. „Lieben Kindlein,“ ſagte der Fürſt, „habe ich Einen von Euch beleidigt, ſo bitte ich ihn mir es um Gottes Willen zu vergeben: wir Fürſten thun den armen Leuten mancherlei das nicht taugt.“ Es war nur von Gott die Rede, von dem frommen Gott der die Sterbenden trö- ſtet. Zum letzten Mal ſtrengte Friedrich das erſterbende Licht ſeiner Augen an, um eine Tröſtung ſeines Spalatin zu leſen; dann empfieng er von einem Geiſtlichen den er liebte, das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt. In ihm war die neue Lehre, die unter ſeinem vorſichtigen Schirme gediehen, ſchon nicht mehr jene Weltmacht die ſich im Kampfe zu behaupten hat und eine neue Zukunft ankün- digt: ihm war ſie nur das wahrhaftige Evangelium, chriſt- liches Bewußtſeyn, Andacht und Troſt der Seele. Der Menſch überläßt die Welt ſich ſelber und zieht ſich auf ſein perſönliches Verhältniß zu dem Unendlichen, zu Gott und der Ewigkeit zurück. So ſtarb er: 5ten Mai 1525. „Er war ein Kind des Friedens,“ ſagte ſein Arzt, „friedlich iſt er verſchieden.“ 1 Es war ein ſchwerer Regierungsantritt, der ſeines 1 Spalatin Leben Friedrichs des Weiſen p. 60.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/225>, abgerufen am 25.11.2024.