Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Bauernkrieg. ßungen der Herrn über die Gemeindegüter. Es wird durchdie glaubwürdigsten Zeugnisse bestätigt, daß eben das Wei- ter-um-sich-greifen der Herrschaften den nächsten Anlaß zu der allgemeinen Aufregung gegeben hatte. Endlich aber traten auch hier die geistlich-reformirenden Bestrebungen ein. Die Bauern wollen nicht mehr leibeigen seyn, denn Christus hat auch sie mit seinem kostbaren Blute erlöst; sie wollen den kleinen Zehent nicht mehr zahlen, sondern nur den großen, 1 denn diesen allein hat Gott im alten Testamente festgesetzt; endlich fordern sie das Recht, ihre Prediger selbst zu wählen, um von ihnen in dem wahren Glauben unterwiesen zu werden, "ohne den sie nichts seyn würden als Fleisch und Blut und zu gar nichts nütze." 2 Man sieht, nichts Geringes führten die Bauern im Schilde; mit wie vieler Vorsicht auch ihre Artikel abgefaßt sind, so würden sie doch eine totale Emancipation zur Folge ge- habt haben. Hans Müller sprach die Hofnung aus, sie ohne Schwerdschlag ins Werk zu setzen. Wer sich wei- gere sie anzunehmen, werde von der christlichen Vereini- gung in Bann erklärt, aller bürgerlichen und nachbarli- 1 Erläutert sich durch folgende Stelle der Müllnerschen An- nalen: der Rath zu Nürnberg ließ von allen Canzeln ausrufen, "daß aller lebendige Zehent, als Füllen Kälber Lämmer etc., desglei- chen der kleine Zehent, den man nennt den todten Zehent, als Hei- del Erbeiß Heu Hopfen etc. ganz todt und abseyn solle, aber den großen harten Zehenten von hernach benanntem Getreide, so man die fünf Brand nennt, nemlich von Korn Dünkel Waitzen Gerste Habern sollte man zu geben schuldig seyn." (Nach dem Herkommen die 15te, 20ste oder 30ste Garbe.) 2 Dye grundlichen und rechten Hauptartikel aller Bauerschafft und Hyndersessen; abgedruckt unter andern bei Strobel Beiträge II, p. 9. Unter den Ausgaben führt eine bei Panzer nr. 2705 den Zu- Ranke d. Gesch. II. 13
Bauernkrieg. ßungen der Herrn über die Gemeindegüter. Es wird durchdie glaubwürdigſten Zeugniſſe beſtätigt, daß eben das Wei- ter-um-ſich-greifen der Herrſchaften den nächſten Anlaß zu der allgemeinen Aufregung gegeben hatte. Endlich aber traten auch hier die geiſtlich-reformirenden Beſtrebungen ein. Die Bauern wollen nicht mehr leibeigen ſeyn, denn Chriſtus hat auch ſie mit ſeinem koſtbaren Blute erlöſt; ſie wollen den kleinen Zehent nicht mehr zahlen, ſondern nur den großen, 1 denn dieſen allein hat Gott im alten Teſtamente feſtgeſetzt; endlich fordern ſie das Recht, ihre Prediger ſelbſt zu wählen, um von ihnen in dem wahren Glauben unterwieſen zu werden, „ohne den ſie nichts ſeyn würden als Fleiſch und Blut und zu gar nichts nütze.“ 2 Man ſieht, nichts Geringes führten die Bauern im Schilde; mit wie vieler Vorſicht auch ihre Artikel abgefaßt ſind, ſo würden ſie doch eine totale Emancipation zur Folge ge- habt haben. Hans Müller ſprach die Hofnung aus, ſie ohne Schwerdſchlag ins Werk zu ſetzen. Wer ſich wei- gere ſie anzunehmen, werde von der chriſtlichen Vereini- gung in Bann erklärt, aller bürgerlichen und nachbarli- 1 Erlaͤutert ſich durch folgende Stelle der Muͤllnerſchen An- nalen: der Rath zu Nuͤrnberg ließ von allen Canzeln ausrufen, „daß aller lebendige Zehent, als Fuͤllen Kaͤlber Laͤmmer ꝛc., desglei- chen der kleine Zehent, den man nennt den todten Zehent, als Hei- del Erbeiß Heu Hopfen ꝛc. ganz todt und abſeyn ſolle, aber den großen harten Zehenten von hernach benanntem Getreide, ſo man die fuͤnf Brand nennt, nemlich von Korn Duͤnkel Waitzen Gerſte Habern ſollte man zu geben ſchuldig ſeyn.“ (Nach dem Herkommen die 15te, 20ſte oder 30ſte Garbe.) 2 Dye grundlichen und rechten Hauptartikel aller Bauerſchafft und Hynderſeſſen; abgedruckt unter andern bei Strobel Beitraͤge II, p. 9. Unter den Ausgaben fuͤhrt eine bei Panzer nr. 2705 den Zu- Ranke d. Geſch. II. 13
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Bauernkrieg.
ßungen der Herrn über die Gemeindegüter. Es wird durch
die glaubwürdigſten Zeugniſſe beſtätigt, daß eben das Wei-
ter-um-ſich-greifen der Herrſchaften den nächſten Anlaß zu
der allgemeinen Aufregung gegeben hatte. Endlich aber
traten auch hier die geiſtlich-reformirenden Beſtrebungen
ein. Die Bauern wollen nicht mehr leibeigen ſeyn, denn
Chriſtus hat auch ſie mit ſeinem koſtbaren Blute erlöſt;
ſie wollen den kleinen Zehent nicht mehr zahlen, ſondern
nur den großen, 1 denn dieſen allein hat Gott im alten
Teſtamente feſtgeſetzt; endlich fordern ſie das Recht, ihre
Prediger ſelbſt zu wählen, um von ihnen in dem wahren
Glauben unterwieſen zu werden, „ohne den ſie nichts ſeyn
würden als Fleiſch und Blut und zu gar nichts nütze.“ 2
Man ſieht, nichts Geringes führten die Bauern im Schilde;
mit wie vieler Vorſicht auch ihre Artikel abgefaßt ſind, ſo
würden ſie doch eine totale Emancipation zur Folge ge-
habt haben. Hans Müller ſprach die Hofnung aus, ſie
ohne Schwerdſchlag ins Werk zu ſetzen. Wer ſich wei-
gere ſie anzunehmen, werde von der chriſtlichen Vereini-
gung in Bann erklärt, aller bürgerlichen und nachbarli-
1 Erlaͤutert ſich durch folgende Stelle der Muͤllnerſchen An-
nalen: der Rath zu Nuͤrnberg ließ von allen Canzeln ausrufen,
„daß aller lebendige Zehent, als Fuͤllen Kaͤlber Laͤmmer ꝛc., desglei-
chen der kleine Zehent, den man nennt den todten Zehent, als Hei-
del Erbeiß Heu Hopfen ꝛc. ganz todt und abſeyn ſolle, aber den
großen harten Zehenten von hernach benanntem Getreide, ſo man
die fuͤnf Brand nennt, nemlich von Korn Duͤnkel Waitzen Gerſte
Habern ſollte man zu geben ſchuldig ſeyn.“ (Nach dem Herkommen
die 15te, 20ſte oder 30ſte Garbe.)
2 Dye grundlichen und rechten Hauptartikel aller Bauerſchafft
und Hynderſeſſen; abgedruckt unter andern bei Strobel Beitraͤge II,
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