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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Ursprung der Spaltung.
den Verhandlungen genommen, so sagte er auch jetzt kein
Wort: er bezwang seine Verstimmung. Nicht so zurück-
haltend war Herzog Johann. Mit beleidigtem Selbstge-
fühl wies er jede Eröffnung, jedes Anerbieten, das ihm
dagegen geschah, von sich: er ließ sich vernehmen, diese
Sache sey ihm tiefer zu Gemüthe gegangen als jemals
eine andre in seinem Leben.

Auch mit den übrigen Fürsten stand Ostreich nur
schlecht. Das Haus Brandenburg, das sich um der main-
zischen so wie der preußischen Verhältnisse willen an das
alte Regiment geschlossen, war durch dessen Sturz un-
angenehm berührt, sein Mißvergnügen so augenscheinlich,
daß dem Hochmeister Albrecht Anerbietungen von Frank-
reich geschahen, obwohl er sie nicht annahm. Die rhei-
nischen Churfürsten hielten im August eine Zusammen-
kunft, von der Erzherzog Ferdinand, wie er sagt, weder
für sich noch für seinen Bruder etwas Gutes erwartete. 1
Churfürstliche Räthe verschwiegen dem kaiserlichen Com-
missarius nicht, daß man unzufrieden mit dem Kaiser
sey: man werde die Capitulation desselben vor die Hand
nehmen, und da er sie nicht erfüllt, zu der Einrichtung
einer andern Art von Regierung schreiten, entweder unter
einem Statthalter, oder unter den Reichsvicarien, oder un-
ter einem römischen König, den man zu wählen gedenke. 2
Auf einem großen Armbrustschießen zu Heidelberg, wo sich
mehrere Fürsten versammelt, war davon die Rede; beson-
ders ward innerhalb des pfälzisch-bairischen Hauses man-

1 Schreiben von Ferdinand bei Bucholtz II, 68.
2 Schreiben von Hannart ib. 70.

Urſprung der Spaltung.
den Verhandlungen genommen, ſo ſagte er auch jetzt kein
Wort: er bezwang ſeine Verſtimmung. Nicht ſo zurück-
haltend war Herzog Johann. Mit beleidigtem Selbſtge-
fühl wies er jede Eröffnung, jedes Anerbieten, das ihm
dagegen geſchah, von ſich: er ließ ſich vernehmen, dieſe
Sache ſey ihm tiefer zu Gemüthe gegangen als jemals
eine andre in ſeinem Leben.

Auch mit den übrigen Fürſten ſtand Oſtreich nur
ſchlecht. Das Haus Brandenburg, das ſich um der main-
ziſchen ſo wie der preußiſchen Verhältniſſe willen an das
alte Regiment geſchloſſen, war durch deſſen Sturz un-
angenehm berührt, ſein Mißvergnügen ſo augenſcheinlich,
daß dem Hochmeiſter Albrecht Anerbietungen von Frank-
reich geſchahen, obwohl er ſie nicht annahm. Die rhei-
niſchen Churfürſten hielten im Auguſt eine Zuſammen-
kunft, von der Erzherzog Ferdinand, wie er ſagt, weder
für ſich noch für ſeinen Bruder etwas Gutes erwartete. 1
Churfürſtliche Räthe verſchwiegen dem kaiſerlichen Com-
miſſarius nicht, daß man unzufrieden mit dem Kaiſer
ſey: man werde die Capitulation deſſelben vor die Hand
nehmen, und da er ſie nicht erfüllt, zu der Einrichtung
einer andern Art von Regierung ſchreiten, entweder unter
einem Statthalter, oder unter den Reichsvicarien, oder un-
ter einem römiſchen König, den man zu wählen gedenke. 2
Auf einem großen Armbruſtſchießen zu Heidelberg, wo ſich
mehrere Fürſten verſammelt, war davon die Rede; beſon-
ders ward innerhalb des pfälziſch-bairiſchen Hauſes man-

1 Schreiben von Ferdinand bei Bucholtz II, 68.
2 Schreiben von Hannart ib. 70.
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[169/0179] Urſprung der Spaltung. den Verhandlungen genommen, ſo ſagte er auch jetzt kein Wort: er bezwang ſeine Verſtimmung. Nicht ſo zurück- haltend war Herzog Johann. Mit beleidigtem Selbſtge- fühl wies er jede Eröffnung, jedes Anerbieten, das ihm dagegen geſchah, von ſich: er ließ ſich vernehmen, dieſe Sache ſey ihm tiefer zu Gemüthe gegangen als jemals eine andre in ſeinem Leben. Auch mit den übrigen Fürſten ſtand Oſtreich nur ſchlecht. Das Haus Brandenburg, das ſich um der main- ziſchen ſo wie der preußiſchen Verhältniſſe willen an das alte Regiment geſchloſſen, war durch deſſen Sturz un- angenehm berührt, ſein Mißvergnügen ſo augenſcheinlich, daß dem Hochmeiſter Albrecht Anerbietungen von Frank- reich geſchahen, obwohl er ſie nicht annahm. Die rhei- niſchen Churfürſten hielten im Auguſt eine Zuſammen- kunft, von der Erzherzog Ferdinand, wie er ſagt, weder für ſich noch für ſeinen Bruder etwas Gutes erwartete. 1 Churfürſtliche Räthe verſchwiegen dem kaiſerlichen Com- miſſarius nicht, daß man unzufrieden mit dem Kaiſer ſey: man werde die Capitulation deſſelben vor die Hand nehmen, und da er ſie nicht erfüllt, zu der Einrichtung einer andern Art von Regierung ſchreiten, entweder unter einem Statthalter, oder unter den Reichsvicarien, oder un- ter einem römiſchen König, den man zu wählen gedenke. 2 Auf einem großen Armbruſtſchießen zu Heidelberg, wo ſich mehrere Fürſten verſammelt, war davon die Rede; beſon- ders ward innerhalb des pfälziſch-bairiſchen Hauſes man- 1 Schreiben von Ferdinand bei Bucholtz II, 68. 2 Schreiben von Hannart ib. 70.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/179>, abgerufen am 04.05.2024.