ten dieß zu einem religiösen, die nicht allein pecuniär be- schwerlichen, den Überschuß der finanziellen Erträge auf- zehrenden, sondern auch übrigens die Einheit der Nation zersetzenden, ja jede Bildung einer selbständigen Macht ver- hindernden Eingriffe des päpstlichen Hofes machten es zu einem nationalen Bedürfniß.
Und dürfte man etwa sagen, daß diese Verbesserung auf eine ungehörige Weise versucht worden sey?
Weder von der religiösen noch von der nationalen Seite würde sich das nachweisen lassen.
Noch abgesehen von allen nähern Bestimmungen des protestantischen Dogma, die sich erst nach und nach Gel- tung verschafften, so lag die Summe der religiösen Bewe- gung darin, daß der in die Tiefe des germanischen We- sens gesenkte Geist des Christenthums nach und nach zu dem Bewußtseyn seines von allen zufälligen Formen un- abhängigen Selbst gereift war, sich nach seinem Ursprung zurückwandte, zu jenen Urkunden in welchen sich der ewige Bund der Gottheit mit dem menschlichen Geschlecht un- vermittelt ausgesprochen hat, hier seiner Wahrheit gewiß wurde, und sich zu einer entschlossenen Verwerfung unhalt- barer Theorien und erdrückender Ansprüche ermannte.
Wer hätte sich verbergen wollen, daß durch die hie- mit nothwendig gewordene Abweichung von den bisheri- gen kirchlichen Formen, die in das bürgerliche und öffent- liche Leben so mächtig eingriffen, der gesammte bestehende Zustand der Nation bedroht wurde? Allein wir sahen, wie sorgfältig man alle destructiven Elemente zu beseitigen suchte, wie man sich selber bezwingend jede gewaltsame Verände-
Drittes Buch. Fuͤnftes Capitel.
ten dieß zu einem religiöſen, die nicht allein pecuniär be- ſchwerlichen, den Überſchuß der finanziellen Erträge auf- zehrenden, ſondern auch übrigens die Einheit der Nation zerſetzenden, ja jede Bildung einer ſelbſtändigen Macht ver- hindernden Eingriffe des päpſtlichen Hofes machten es zu einem nationalen Bedürfniß.
Und dürfte man etwa ſagen, daß dieſe Verbeſſerung auf eine ungehörige Weiſe verſucht worden ſey?
Weder von der religiöſen noch von der nationalen Seite würde ſich das nachweiſen laſſen.
Noch abgeſehen von allen nähern Beſtimmungen des proteſtantiſchen Dogma, die ſich erſt nach und nach Gel- tung verſchafften, ſo lag die Summe der religiöſen Bewe- gung darin, daß der in die Tiefe des germaniſchen We- ſens geſenkte Geiſt des Chriſtenthums nach und nach zu dem Bewußtſeyn ſeines von allen zufälligen Formen un- abhängigen Selbſt gereift war, ſich nach ſeinem Urſprung zurückwandte, zu jenen Urkunden in welchen ſich der ewige Bund der Gottheit mit dem menſchlichen Geſchlecht un- vermittelt ausgeſprochen hat, hier ſeiner Wahrheit gewiß wurde, und ſich zu einer entſchloſſenen Verwerfung unhalt- barer Theorien und erdrückender Anſprüche ermannte.
Wer hätte ſich verbergen wollen, daß durch die hie- mit nothwendig gewordene Abweichung von den bisheri- gen kirchlichen Formen, die in das bürgerliche und öffent- liche Leben ſo mächtig eingriffen, der geſammte beſtehende Zuſtand der Nation bedroht wurde? Allein wir ſahen, wie ſorgfältig man alle deſtructiven Elemente zu beſeitigen ſuchte, wie man ſich ſelber bezwingend jede gewaltſame Verände-
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Drittes Buch. Fuͤnftes Capitel.
ten dieß zu einem religiöſen, die nicht allein pecuniär be-
ſchwerlichen, den Überſchuß der finanziellen Erträge auf-
zehrenden, ſondern auch übrigens die Einheit der Nation
zerſetzenden, ja jede Bildung einer ſelbſtändigen Macht ver-
hindernden Eingriffe des päpſtlichen Hofes machten es zu
einem nationalen Bedürfniß.
Und dürfte man etwa ſagen, daß dieſe Verbeſſerung
auf eine ungehörige Weiſe verſucht worden ſey?
Weder von der religiöſen noch von der nationalen
Seite würde ſich das nachweiſen laſſen.
Noch abgeſehen von allen nähern Beſtimmungen des
proteſtantiſchen Dogma, die ſich erſt nach und nach Gel-
tung verſchafften, ſo lag die Summe der religiöſen Bewe-
gung darin, daß der in die Tiefe des germaniſchen We-
ſens geſenkte Geiſt des Chriſtenthums nach und nach zu
dem Bewußtſeyn ſeines von allen zufälligen Formen un-
abhängigen Selbſt gereift war, ſich nach ſeinem Urſprung
zurückwandte, zu jenen Urkunden in welchen ſich der ewige
Bund der Gottheit mit dem menſchlichen Geſchlecht un-
vermittelt ausgeſprochen hat, hier ſeiner Wahrheit gewiß
wurde, und ſich zu einer entſchloſſenen Verwerfung unhalt-
barer Theorien und erdrückender Anſprüche ermannte.
Wer hätte ſich verbergen wollen, daß durch die hie-
mit nothwendig gewordene Abweichung von den bisheri-
gen kirchlichen Formen, die in das bürgerliche und öffent-
liche Leben ſo mächtig eingriffen, der geſammte beſtehende
Zuſtand der Nation bedroht wurde? Allein wir ſahen, wie
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/156>, abgerufen am 24.11.2024.
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