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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Drittes Capitel.

Andre, die so kühne Hofnungen nicht hegten, waren
doch der Meinung, daß man jede eigenmächtige Verände-
rung vermeiden, die Abstellung der Mißbräuche der Obrig-
keit überlassen müsse. Wohl lehrten einige, man müsse sich
der Geistlichkeit entschlagen, wie die Kinder Israel des
Pharao: aber selbst Männer wie der feurige Otto Brun-
fels setzten sich dem entgegen: "das Wort werde ohne Mühe
und Schwerd die Dinge bessern. Was man unbesonnen
beginne, gedeihe nie zu einem guten Ende." 1

Eben dieß war Luthers Meinung und eine geraume
Zeit folgte man ihr über das ganze Gebiet des Reiches hin.

Noch durfte man alles von der Leitung des Reichs-
regimentes erwarten. Indem das Regiment die Predigt
des lautern Gottes Wortes angeordnet und die Nahm-
haftmachung der Kirchenlehrer, welche als die Grundlage
des modernen Romanismus angesehen wurden, glücklich
vermieden hatte, war es selbst auf die vornehmsten Ideen
der reformatorischen Bewegung eingegangen.

Während des Jahres 1523 nahm es dieselbe auch
weiter in seinen Schutz.

Als der Vicar von Constanz, Faber, eine Commis-
sion von Rom empfangen wider Luther zu predigen, und
nun um Geleit und Schutz bei dem Regiment nachsuchte,
bekam er wohl ein dahin lautendes Schreiben, aber in sol-
chen Ausdrücken, daß er, wie Planitz sagt, gern ein besseres
gehabt hätte.


kämpfer erscheint, der bekannte Euricius Cordus ist, aus Sims oder
Simshausen in Hessen.
1 Vom evangelischen Anstoß, Neuenburg in Breisgau Simo-
nis und Judä 1523.
Drittes Buch. Drittes Capitel.

Andre, die ſo kühne Hofnungen nicht hegten, waren
doch der Meinung, daß man jede eigenmächtige Verände-
rung vermeiden, die Abſtellung der Mißbräuche der Obrig-
keit überlaſſen müſſe. Wohl lehrten einige, man müſſe ſich
der Geiſtlichkeit entſchlagen, wie die Kinder Iſrael des
Pharao: aber ſelbſt Männer wie der feurige Otto Brun-
fels ſetzten ſich dem entgegen: „das Wort werde ohne Mühe
und Schwerd die Dinge beſſern. Was man unbeſonnen
beginne, gedeihe nie zu einem guten Ende.“ 1

Eben dieß war Luthers Meinung und eine geraume
Zeit folgte man ihr über das ganze Gebiet des Reiches hin.

Noch durfte man alles von der Leitung des Reichs-
regimentes erwarten. Indem das Regiment die Predigt
des lautern Gottes Wortes angeordnet und die Nahm-
haftmachung der Kirchenlehrer, welche als die Grundlage
des modernen Romanismus angeſehen wurden, glücklich
vermieden hatte, war es ſelbſt auf die vornehmſten Ideen
der reformatoriſchen Bewegung eingegangen.

Während des Jahres 1523 nahm es dieſelbe auch
weiter in ſeinen Schutz.

Als der Vicar von Conſtanz, Faber, eine Commiſ-
ſion von Rom empfangen wider Luther zu predigen, und
nun um Geleit und Schutz bei dem Regiment nachſuchte,
bekam er wohl ein dahin lautendes Schreiben, aber in ſol-
chen Ausdrücken, daß er, wie Planitz ſagt, gern ein beſſeres
gehabt hätte.


kaͤmpfer erſcheint, der bekannte Euricius Cordus iſt, aus Sims oder
Simshauſen in Heſſen.
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nis und Judaͤ 1523.
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[98/0108] Drittes Buch. Drittes Capitel. Andre, die ſo kühne Hofnungen nicht hegten, waren doch der Meinung, daß man jede eigenmächtige Verände- rung vermeiden, die Abſtellung der Mißbräuche der Obrig- keit überlaſſen müſſe. Wohl lehrten einige, man müſſe ſich der Geiſtlichkeit entſchlagen, wie die Kinder Iſrael des Pharao: aber ſelbſt Männer wie der feurige Otto Brun- fels ſetzten ſich dem entgegen: „das Wort werde ohne Mühe und Schwerd die Dinge beſſern. Was man unbeſonnen beginne, gedeihe nie zu einem guten Ende.“ 1 Eben dieß war Luthers Meinung und eine geraume Zeit folgte man ihr über das ganze Gebiet des Reiches hin. Noch durfte man alles von der Leitung des Reichs- regimentes erwarten. Indem das Regiment die Predigt des lautern Gottes Wortes angeordnet und die Nahm- haftmachung der Kirchenlehrer, welche als die Grundlage des modernen Romanismus angeſehen wurden, glücklich vermieden hatte, war es ſelbſt auf die vornehmſten Ideen der reformatoriſchen Bewegung eingegangen. Während des Jahres 1523 nahm es dieſelbe auch weiter in ſeinen Schutz. Als der Vicar von Conſtanz, Faber, eine Commiſ- ſion von Rom empfangen wider Luther zu predigen, und nun um Geleit und Schutz bei dem Regiment nachſuchte, bekam er wohl ein dahin lautendes Schreiben, aber in ſol- chen Ausdrücken, daß er, wie Planitz ſagt, gern ein beſſeres gehabt hätte. 2 1 Vom evangeliſchen Anſtoß, Neuenburg in Breisgau Simo- nis und Judaͤ 1523. 2 kaͤmpfer erſcheint, der bekannte Euricius Cordus iſt, aus Sims oder Simshauſen in Heſſen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/108>, abgerufen am 24.11.2024.