stung trafen eigentlich nur das platte Land und die Land- straßen. Aber auch so war der Zustand für eine große Nation schimpflich und unerträglich. Mit der Idee des Rechtes und der Religion, auf welche das Reich so vor- zugsweise gegründet war, stand er in schneidendstem Wi- derspruch.
Und überdieß geschah hiedurch, indem ein Jeder sich nur mit sich selbst beschäftigen, sein Augenmerk nur auf die nächsten Kreise heften konnte, daß Niemand des All- gemeinen wahrnahm, daß man es nicht allein zu kei- ner großen Unternehmung mehr brachte, sondern auch die Grenzen nicht einmal zu vertheidigen wußte. In dem Osten entschied sich jetzt der alte Kampf der Deut- schen mit den Letten und Slawen zu Gunsten der letztern. Da der König von Polen in Preußen selbst Verbündete fand, ward es ihm leicht, den Orden zu besiegen, und ihn zu dem Frieden von Thorn im J. 1466 zu nöthigen, in welchem ihm der größte Theil des Ordenslandes abgetre- ten und das übrige von ihm zu Lehen genommen wurde: Kaiser und Reich regten sich nicht gegen diesen unermeß- lichen Verlust. In dem Westen erwachte in den Franzo- sen die Idee der Rheingrenze und nur an localem Wider- stand brach sich der Angriff des Dauphin und der Ar- magnaken. Was aber der einen Linie der Valois mißlang, führte die andre, die burgundische desto glänzender aus. Als die französisch-englischen Kriege allmählig beigelegt wurden und in jenen Verhältnissen nichts mehr zu gewin- nen war, warf sich dieß Haus mit alle seinem Ehrgeiz und alle seinem Glück auf die niederdeutschen Gebiete. In un-
Einleitung.
ſtung trafen eigentlich nur das platte Land und die Land- ſtraßen. Aber auch ſo war der Zuſtand für eine große Nation ſchimpflich und unerträglich. Mit der Idee des Rechtes und der Religion, auf welche das Reich ſo vor- zugsweiſe gegründet war, ſtand er in ſchneidendſtem Wi- derſpruch.
Und überdieß geſchah hiedurch, indem ein Jeder ſich nur mit ſich ſelbſt beſchäftigen, ſein Augenmerk nur auf die nächſten Kreiſe heften konnte, daß Niemand des All- gemeinen wahrnahm, daß man es nicht allein zu kei- ner großen Unternehmung mehr brachte, ſondern auch die Grenzen nicht einmal zu vertheidigen wußte. In dem Oſten entſchied ſich jetzt der alte Kampf der Deut- ſchen mit den Letten und Slawen zu Gunſten der letztern. Da der König von Polen in Preußen ſelbſt Verbündete fand, ward es ihm leicht, den Orden zu beſiegen, und ihn zu dem Frieden von Thorn im J. 1466 zu nöthigen, in welchem ihm der größte Theil des Ordenslandes abgetre- ten und das übrige von ihm zu Lehen genommen wurde: Kaiſer und Reich regten ſich nicht gegen dieſen unermeß- lichen Verluſt. In dem Weſten erwachte in den Franzo- ſen die Idee der Rheingrenze und nur an localem Wider- ſtand brach ſich der Angriff des Dauphin und der Ar- magnaken. Was aber der einen Linie der Valois mißlang, führte die andre, die burgundiſche deſto glänzender aus. Als die franzöſiſch-engliſchen Kriege allmählig beigelegt wurden und in jenen Verhältniſſen nichts mehr zu gewin- nen war, warf ſich dieß Haus mit alle ſeinem Ehrgeiz und alle ſeinem Glück auf die niederdeutſchen Gebiete. In un-
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Einleitung.
ſtung trafen eigentlich nur das platte Land und die Land-
ſtraßen. Aber auch ſo war der Zuſtand für eine große
Nation ſchimpflich und unerträglich. Mit der Idee des
Rechtes und der Religion, auf welche das Reich ſo vor-
zugsweiſe gegründet war, ſtand er in ſchneidendſtem Wi-
derſpruch.
Und überdieß geſchah hiedurch, indem ein Jeder ſich
nur mit ſich ſelbſt beſchäftigen, ſein Augenmerk nur auf
die nächſten Kreiſe heften konnte, daß Niemand des All-
gemeinen wahrnahm, daß man es nicht allein zu kei-
ner großen Unternehmung mehr brachte, ſondern auch
die Grenzen nicht einmal zu vertheidigen wußte. In
dem Oſten entſchied ſich jetzt der alte Kampf der Deut-
ſchen mit den Letten und Slawen zu Gunſten der letztern.
Da der König von Polen in Preußen ſelbſt Verbündete
fand, ward es ihm leicht, den Orden zu beſiegen, und ihn
zu dem Frieden von Thorn im J. 1466 zu nöthigen, in
welchem ihm der größte Theil des Ordenslandes abgetre-
ten und das übrige von ihm zu Lehen genommen wurde:
Kaiſer und Reich regten ſich nicht gegen dieſen unermeß-
lichen Verluſt. In dem Weſten erwachte in den Franzo-
ſen die Idee der Rheingrenze und nur an localem Wider-
ſtand brach ſich der Angriff des Dauphin und der Ar-
magnaken. Was aber der einen Linie der Valois mißlang,
führte die andre, die burgundiſche deſto glänzender aus.
Als die franzöſiſch-engliſchen Kriege allmählig beigelegt
wurden und in jenen Verhältniſſen nichts mehr zu gewin-
nen war, warf ſich dieß Haus mit alle ſeinem Ehrgeiz und
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/94>, abgerufen am 24.11.2024.
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