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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Einleitung.
sich alle die Zeiten daher außerhalb des allgemeinen Lehen-
verbandes gehalten, welcher die Grundlage des Staates
war, die ihre Güter von Gott und dem heiligen Element
der Sonne zu Lehen nahmen. Sie waren von dem Für-
stenthum verdunkelt, aber genossen noch ihre volle Selb-
ständigkeit.

An diese schloß sich eine mächtige Reichsritterschaft
an, die überall am Rhein, in Schwaben und Franken ihre
Burgen hatte, in stolzer Einsamkeit, mitten in den Wild-
nissen der Natur, in einer unbezwinglichen Umgürtung von
tiefen Gräben und bei vier und zwanzig Schuh dicken
Mauern, wo sie jeder Gewalt trotzen konnte: eben that
sie sich in festere Genossenschaften zusammen. Ein anderer
Theil des Adels, namentlich in den östlichen, den colonisirten
Fürstenthümern, in Pommern und Meklenburg, Meißen und
den Marken, war dagegen zu unzweifelhafter Unterthänig-
keit gebracht; obgleich auch dieß, wie man aus dem Bei-
spiel der Priegnitz sieht, nicht ohne Mühe und Kampf ge-
schehen war. Und noch eine dritte Classe gab es, die sich
der Landsäßigkeit fortwährend erwehrte. Craichgauer und
Mortenauer wollten die pfälzische, die Bökler und Löwen-
ritter die bairische Oberherrlichkeit nicht anerkennen: es fin-
det sich wohl, daß die Churfürsten von Mainz und von
Trier bei einer Austrägal-Bestimmung gleich im Voraus
fürchten, ihr Adel werde sich weigern derselben zu folgen, und
für diesen Fall nichts anders zu beschließen wissen, als
daß auch sie der Widerspenstigen sich entschlagen und ihnen
ihren Schirm entziehen wollen. 1 Es scheint hie und da, als
sey die Unterthänigkeit nur noch ein Bundesverhältniß.


1 1458 12 Jan. Urk. bei Hontheim II, p. 432. "so fall der

Einleitung.
ſich alle die Zeiten daher außerhalb des allgemeinen Lehen-
verbandes gehalten, welcher die Grundlage des Staates
war, die ihre Güter von Gott und dem heiligen Element
der Sonne zu Lehen nahmen. Sie waren von dem Für-
ſtenthum verdunkelt, aber genoſſen noch ihre volle Selb-
ſtändigkeit.

An dieſe ſchloß ſich eine mächtige Reichsritterſchaft
an, die überall am Rhein, in Schwaben und Franken ihre
Burgen hatte, in ſtolzer Einſamkeit, mitten in den Wild-
niſſen der Natur, in einer unbezwinglichen Umgürtung von
tiefen Gräben und bei vier und zwanzig Schuh dicken
Mauern, wo ſie jeder Gewalt trotzen konnte: eben that
ſie ſich in feſtere Genoſſenſchaften zuſammen. Ein anderer
Theil des Adels, namentlich in den öſtlichen, den coloniſirten
Fürſtenthümern, in Pommern und Meklenburg, Meißen und
den Marken, war dagegen zu unzweifelhafter Unterthänig-
keit gebracht; obgleich auch dieß, wie man aus dem Bei-
ſpiel der Priegnitz ſieht, nicht ohne Mühe und Kampf ge-
ſchehen war. Und noch eine dritte Claſſe gab es, die ſich
der Landſäßigkeit fortwährend erwehrte. Craichgauer und
Mortenauer wollten die pfälziſche, die Bökler und Löwen-
ritter die bairiſche Oberherrlichkeit nicht anerkennen: es fin-
det ſich wohl, daß die Churfürſten von Mainz und von
Trier bei einer Auſträgal-Beſtimmung gleich im Voraus
fürchten, ihr Adel werde ſich weigern derſelben zu folgen, und
für dieſen Fall nichts anders zu beſchließen wiſſen, als
daß auch ſie der Widerſpenſtigen ſich entſchlagen und ihnen
ihren Schirm entziehen wollen. 1 Es ſcheint hie und da, als
ſey die Unterthänigkeit nur noch ein Bundesverhältniß.


1 1458 12 Jan. Urk. bei Hontheim II, p. 432. „ſo fall der
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[66/0084] Einleitung. ſich alle die Zeiten daher außerhalb des allgemeinen Lehen- verbandes gehalten, welcher die Grundlage des Staates war, die ihre Güter von Gott und dem heiligen Element der Sonne zu Lehen nahmen. Sie waren von dem Für- ſtenthum verdunkelt, aber genoſſen noch ihre volle Selb- ſtändigkeit. An dieſe ſchloß ſich eine mächtige Reichsritterſchaft an, die überall am Rhein, in Schwaben und Franken ihre Burgen hatte, in ſtolzer Einſamkeit, mitten in den Wild- niſſen der Natur, in einer unbezwinglichen Umgürtung von tiefen Gräben und bei vier und zwanzig Schuh dicken Mauern, wo ſie jeder Gewalt trotzen konnte: eben that ſie ſich in feſtere Genoſſenſchaften zuſammen. Ein anderer Theil des Adels, namentlich in den öſtlichen, den coloniſirten Fürſtenthümern, in Pommern und Meklenburg, Meißen und den Marken, war dagegen zu unzweifelhafter Unterthänig- keit gebracht; obgleich auch dieß, wie man aus dem Bei- ſpiel der Priegnitz ſieht, nicht ohne Mühe und Kampf ge- ſchehen war. Und noch eine dritte Claſſe gab es, die ſich der Landſäßigkeit fortwährend erwehrte. Craichgauer und Mortenauer wollten die pfälziſche, die Bökler und Löwen- ritter die bairiſche Oberherrlichkeit nicht anerkennen: es fin- det ſich wohl, daß die Churfürſten von Mainz und von Trier bei einer Auſträgal-Beſtimmung gleich im Voraus fürchten, ihr Adel werde ſich weigern derſelben zu folgen, und für dieſen Fall nichts anders zu beſchließen wiſſen, als daß auch ſie der Widerſpenſtigen ſich entſchlagen und ihnen ihren Schirm entziehen wollen. 1 Es ſcheint hie und da, als ſey die Unterthänigkeit nur noch ein Bundesverhältniß. 1 1458 12 Jan. Urk. bei Hontheim II, p. 432. „ſo fall der

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/84>, abgerufen am 24.11.2024.