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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Idee des spätern Kaiserthums.
thum hatte jetzt eine dem Papstthum analoge, nur in
Macht und Autorität ihm sehr untergeordnete Stellung
angenommen.

Man darf die Thatsache nicht verkennen, daß seitdem
Carl IV seinen Sitz in Böhmen aufgeschlagen, mehr als
ein Jahrhundert lang kein Kaiser mit eigenthümlicher Kraft
im Reiche auftrat. Von Carls Nachfolger Wenzlaw hat
man es in Deutschland eine geraume Zeit hindurch gar
nicht erfahren daß ihn die Böhmen gefangen hielten; ein
einfaches Decret der Churfürsten reichte hin, ihn abzusetzen.
Ruprecht von der Pfalz entgieng wohl nur durch den Tod
einem ähnlichen Schicksal. Als derjenige Fürst, welcher
nach mancherlei Wahlentzweiungen den Platz behielt, Sieg-
mund von Luxenburg, vier Jahre nach seiner Wahl end-
lich im Reiche erschien, um sich krönen zu lassen, fand er
so wenig Theilnahme, daß er einen Augenblick im Be-
griff war, unverrichteter Dinge nach Ungern zurückzugehn.
Seine Thätigkeit in den allgemeinen europäischen und den
böhmischen Angelegenheiten hat ihm einen Namen gemacht,
in dem Reiche aber, für das Reich hat er nichts Wesentliches
gethan. Zwischen 1422 und 1430 erschien er höchstens in
Wien; vom Herbst 1431 bis dahin 1433 beschäftigte ihn
seine Krönungsreise nach Rom; die drei Jahre von 1434 bis
zu seinem Tod ist er nicht weiter als bis nach Böhmen
und Mähren gekommen. 1 Auch Albrecht II, dem man
so freigebig Lobeserhebungen spendet, ist nie persönlich in

1 Seine Urkunden sind von Ofen, Stuhlweißenburg, von Cron-
stadt "im siebenbürgischen Wurzland," im Heer vor Schloß Tauben-
burg in der Sirfey (Serbien). Häberlin Reichsgesch. V, 429. 439.
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Idee des ſpaͤtern Kaiſerthums.
thum hatte jetzt eine dem Papſtthum analoge, nur in
Macht und Autorität ihm ſehr untergeordnete Stellung
angenommen.

Man darf die Thatſache nicht verkennen, daß ſeitdem
Carl IV ſeinen Sitz in Böhmen aufgeſchlagen, mehr als
ein Jahrhundert lang kein Kaiſer mit eigenthümlicher Kraft
im Reiche auftrat. Von Carls Nachfolger Wenzlaw hat
man es in Deutſchland eine geraume Zeit hindurch gar
nicht erfahren daß ihn die Böhmen gefangen hielten; ein
einfaches Decret der Churfürſten reichte hin, ihn abzuſetzen.
Ruprecht von der Pfalz entgieng wohl nur durch den Tod
einem ähnlichen Schickſal. Als derjenige Fürſt, welcher
nach mancherlei Wahlentzweiungen den Platz behielt, Sieg-
mund von Luxenburg, vier Jahre nach ſeiner Wahl end-
lich im Reiche erſchien, um ſich krönen zu laſſen, fand er
ſo wenig Theilnahme, daß er einen Augenblick im Be-
griff war, unverrichteter Dinge nach Ungern zurückzugehn.
Seine Thätigkeit in den allgemeinen europäiſchen und den
böhmiſchen Angelegenheiten hat ihm einen Namen gemacht,
in dem Reiche aber, für das Reich hat er nichts Weſentliches
gethan. Zwiſchen 1422 und 1430 erſchien er höchſtens in
Wien; vom Herbſt 1431 bis dahin 1433 beſchäftigte ihn
ſeine Krönungsreiſe nach Rom; die drei Jahre von 1434 bis
zu ſeinem Tod iſt er nicht weiter als bis nach Böhmen
und Mähren gekommen. 1 Auch Albrecht II, dem man
ſo freigebig Lobeserhebungen ſpendet, iſt nie perſönlich in

1 Seine Urkunden ſind von Ofen, Stuhlweißenburg, von Cron-
ſtadt „im ſiebenbuͤrgiſchen Wurzland,“ im Heer vor Schloß Tauben-
burg in der Sirfey (Serbien). Haͤberlin Reichsgeſch. V, 429. 439.
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[51/0069] Idee des ſpaͤtern Kaiſerthums. thum hatte jetzt eine dem Papſtthum analoge, nur in Macht und Autorität ihm ſehr untergeordnete Stellung angenommen. Man darf die Thatſache nicht verkennen, daß ſeitdem Carl IV ſeinen Sitz in Böhmen aufgeſchlagen, mehr als ein Jahrhundert lang kein Kaiſer mit eigenthümlicher Kraft im Reiche auftrat. Von Carls Nachfolger Wenzlaw hat man es in Deutſchland eine geraume Zeit hindurch gar nicht erfahren daß ihn die Böhmen gefangen hielten; ein einfaches Decret der Churfürſten reichte hin, ihn abzuſetzen. Ruprecht von der Pfalz entgieng wohl nur durch den Tod einem ähnlichen Schickſal. Als derjenige Fürſt, welcher nach mancherlei Wahlentzweiungen den Platz behielt, Sieg- mund von Luxenburg, vier Jahre nach ſeiner Wahl end- lich im Reiche erſchien, um ſich krönen zu laſſen, fand er ſo wenig Theilnahme, daß er einen Augenblick im Be- griff war, unverrichteter Dinge nach Ungern zurückzugehn. Seine Thätigkeit in den allgemeinen europäiſchen und den böhmiſchen Angelegenheiten hat ihm einen Namen gemacht, in dem Reiche aber, für das Reich hat er nichts Weſentliches gethan. Zwiſchen 1422 und 1430 erſchien er höchſtens in Wien; vom Herbſt 1431 bis dahin 1433 beſchäftigte ihn ſeine Krönungsreiſe nach Rom; die drei Jahre von 1434 bis zu ſeinem Tod iſt er nicht weiter als bis nach Böhmen und Mähren gekommen. 1 Auch Albrecht II, dem man ſo freigebig Lobeserhebungen ſpendet, iſt nie perſönlich in 1 Seine Urkunden ſind von Ofen, Stuhlweißenburg, von Cron- ſtadt „im ſiebenbuͤrgiſchen Wurzland,“ im Heer vor Schloß Tauben- burg in der Sirfey (Serbien). Haͤberlin Reichsgeſch. V, 429. 439. 4*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/69>, abgerufen am 18.05.2024.