Für die Wahl Wilhelms von Holland belobt er Die, welche daran Theil genommen, in aller Form: er ermahnt die Städte dem Erwählten getreu zu seyn, um sich die apostolische und die königliche Gnade zu verdienen.
Gar bald weiß man das in Deutschland nicht mehr anders. Gleich bei dem Empfange der Huldigung muß Richard von Cornwallis auf den Gehorsam der Städte Verzicht leisten, für den Fall, daß es dem Papst gefalle, ihm einen andern Bewerber vorzuziehen.
Nach dem Tode Richards fordert Gregor X die deut- schen Fürsten auf, eine neue Wahl vorzunehmen; wo nicht, so werde er mit seinen Cardinälen den Kaiser setzen. Nach vollzogener Wahl ist es wieder der Papst, der den Prä- tendenten, Alfons von Castilien dahin bringt, auf seine Ansprüche und die Insignien des Reiches Verzicht zu lei- sten, und dem Gewählten, Rudolf von Habsburg, die all- gemeine Anerkennung verschafft. 1
Was kann von der Selbständigkeit einer Nation übrig bleiben, sobald sie es sich gefallen läßt, daß eine auswärtige Gewalt ihr ein Oberhaupt gebe? Es versteht sich, daß der Einfluß, der die Wahlen beherrscht, auch in alle andern Ver- hältnisse vorwaltend eindringt.
Wohl hatte indeß auch das deutsche Fürstenthum Fortschritte gemacht. Im dreizehnten Jahrhundert, in jenen Streitigkeiten zwischen den verschiednen Thronbewerbern, zwischen Kaiserthum und Papstthum hatte es sich in Besitz fast aller Prärogative der Landeshoheit gesetzt. Auch sorgte man mit bedächtiger Voraussicht daß die kaiserliche Macht nicht wieder zu überwiegender Größe erwachsen konnte. Am
1Gerbert: Introductio ad cod. epist. Rudolfi c. IV, nr. 30.
Verhältniß d. Papſtthums zu dem Fürſtenthum.
Für die Wahl Wilhelms von Holland belobt er Die, welche daran Theil genommen, in aller Form: er ermahnt die Städte dem Erwählten getreu zu ſeyn, um ſich die apoſtoliſche und die königliche Gnade zu verdienen.
Gar bald weiß man das in Deutſchland nicht mehr anders. Gleich bei dem Empfange der Huldigung muß Richard von Cornwallis auf den Gehorſam der Städte Verzicht leiſten, für den Fall, daß es dem Papſt gefalle, ihm einen andern Bewerber vorzuziehen.
Nach dem Tode Richards fordert Gregor X die deut- ſchen Fürſten auf, eine neue Wahl vorzunehmen; wo nicht, ſo werde er mit ſeinen Cardinälen den Kaiſer ſetzen. Nach vollzogener Wahl iſt es wieder der Papſt, der den Prä- tendenten, Alfons von Caſtilien dahin bringt, auf ſeine Anſprüche und die Inſignien des Reiches Verzicht zu lei- ſten, und dem Gewählten, Rudolf von Habsburg, die all- gemeine Anerkennung verſchafft. 1
Was kann von der Selbſtändigkeit einer Nation übrig bleiben, ſobald ſie es ſich gefallen läßt, daß eine auswärtige Gewalt ihr ein Oberhaupt gebe? Es verſteht ſich, daß der Einfluß, der die Wahlen beherrſcht, auch in alle andern Ver- hältniſſe vorwaltend eindringt.
Wohl hatte indeß auch das deutſche Fürſtenthum Fortſchritte gemacht. Im dreizehnten Jahrhundert, in jenen Streitigkeiten zwiſchen den verſchiednen Thronbewerbern, zwiſchen Kaiſerthum und Papſtthum hatte es ſich in Beſitz faſt aller Prärogative der Landeshoheit geſetzt. Auch ſorgte man mit bedächtiger Vorausſicht daß die kaiſerliche Macht nicht wieder zu überwiegender Größe erwachſen konnte. Am
1Gerbert: Introductio ad cod. epist. Rudolfi c. IV, nr. 30.
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Verhältniß d. Papſtthums zu dem Fürſtenthum.
Für die Wahl Wilhelms von Holland belobt er Die,
welche daran Theil genommen, in aller Form: er ermahnt
die Städte dem Erwählten getreu zu ſeyn, um ſich die
apoſtoliſche und die königliche Gnade zu verdienen.
Gar bald weiß man das in Deutſchland nicht mehr
anders. Gleich bei dem Empfange der Huldigung muß
Richard von Cornwallis auf den Gehorſam der Städte
Verzicht leiſten, für den Fall, daß es dem Papſt gefalle,
ihm einen andern Bewerber vorzuziehen.
Nach dem Tode Richards fordert Gregor X die deut-
ſchen Fürſten auf, eine neue Wahl vorzunehmen; wo nicht,
ſo werde er mit ſeinen Cardinälen den Kaiſer ſetzen. Nach
vollzogener Wahl iſt es wieder der Papſt, der den Prä-
tendenten, Alfons von Caſtilien dahin bringt, auf ſeine
Anſprüche und die Inſignien des Reiches Verzicht zu lei-
ſten, und dem Gewählten, Rudolf von Habsburg, die all-
gemeine Anerkennung verſchafft. 1
Was kann von der Selbſtändigkeit einer Nation übrig
bleiben, ſobald ſie es ſich gefallen läßt, daß eine auswärtige
Gewalt ihr ein Oberhaupt gebe? Es verſteht ſich, daß der
Einfluß, der die Wahlen beherrſcht, auch in alle andern Ver-
hältniſſe vorwaltend eindringt.
Wohl hatte indeß auch das deutſche Fürſtenthum
Fortſchritte gemacht. Im dreizehnten Jahrhundert, in jenen
Streitigkeiten zwiſchen den verſchiednen Thronbewerbern,
zwiſchen Kaiſerthum und Papſtthum hatte es ſich in Beſitz
faſt aller Prärogative der Landeshoheit geſetzt. Auch ſorgte
man mit bedächtiger Vorausſicht daß die kaiſerliche Macht
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1 Gerbert: Introductio ad cod. epist. Rudolfi c. IV, nr. 30.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/59>, abgerufen am 24.11.2024.
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