Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Viertes Capitel.
vollkommen genügt worden wäre. Die Bestimmungen die
man traf, gereichten hauptsächlich zum Vortheil des Für-
stenthums: die vorläufigen Anordnungen über die Execu-
tion der kammergerichtlichen Urtel z. B., die ihm größten-
theils anheimgestellt wurde, waren offenbar zu seinen Gun-
sten: gleich in der Capitulation hatte der Kaiser vor,
Bündnisse des Adels und der Unterthanen zu verbieten;
und dieß mochte dienen, compactere locale Gewalten zu
begründen. Dagegen für den gemeinen Mann, der in so
großer Gährung war, geschah eigentlich gar nichts, so oft
man auch früher davon geredet; der Adel war und blieb
von aller Theilnahme an den Reichsgeschäften ausgeschlos-
sen; Grafen, Herrn und Edelleute waren über die rechtli-
chen Austräge gegen Fürsten und Churfürsten, die sie schleu-
niger und gleichmäßiger verlangten, in steter Aufregung,
und es wurden hierüber auch an dem Reichstag ziemlich
scharfe Schriften gewechselt. Die Städte hatten vergebens
die Zulassung ihrer Abgeordneten bei dem Kammergericht
gefordert: die große Reichshülfe war berathen und beschlos-
sen worden, ohne sie zuzuziehen; bei den Anschlägen fühl-
ten sich Viele von ihnen aufs neue beschwert, und über-
dieß drohte man ihnen mit einem Reichszoll, von dem sie
eine allgemeine Störung in ihren Geschäften fürchteten.
Sie klagten unaufhörlich und nahmen die Entwürfe zuletzt
nur deshalb an, weil sie wie sie sagten nicht die einzigen
seyn wollten, welche widersprächen: sie wollten nicht, daß
es ihnen zugeschrieben würde, wenn Friede und Recht nicht
zu Stande kämen. 1


Bei
1 Hans Bock und Dr Peutinger, die in dem Ausschuß geses-

Zweites Buch. Viertes Capitel.
vollkommen genügt worden wäre. Die Beſtimmungen die
man traf, gereichten hauptſächlich zum Vortheil des Für-
ſtenthums: die vorläufigen Anordnungen über die Execu-
tion der kammergerichtlichen Urtel z. B., die ihm größten-
theils anheimgeſtellt wurde, waren offenbar zu ſeinen Gun-
ſten: gleich in der Capitulation hatte der Kaiſer vor,
Bündniſſe des Adels und der Unterthanen zu verbieten;
und dieß mochte dienen, compactere locale Gewalten zu
begründen. Dagegen für den gemeinen Mann, der in ſo
großer Gährung war, geſchah eigentlich gar nichts, ſo oft
man auch früher davon geredet; der Adel war und blieb
von aller Theilnahme an den Reichsgeſchäften ausgeſchloſ-
ſen; Grafen, Herrn und Edelleute waren über die rechtli-
chen Austräge gegen Fürſten und Churfürſten, die ſie ſchleu-
niger und gleichmäßiger verlangten, in ſteter Aufregung,
und es wurden hierüber auch an dem Reichstag ziemlich
ſcharfe Schriften gewechſelt. Die Städte hatten vergebens
die Zulaſſung ihrer Abgeordneten bei dem Kammergericht
gefordert: die große Reichshülfe war berathen und beſchloſ-
ſen worden, ohne ſie zuzuziehen; bei den Anſchlägen fühl-
ten ſich Viele von ihnen aufs neue beſchwert, und über-
dieß drohte man ihnen mit einem Reichszoll, von dem ſie
eine allgemeine Störung in ihren Geſchäften fürchteten.
Sie klagten unaufhörlich und nahmen die Entwürfe zuletzt
nur deshalb an, weil ſie wie ſie ſagten nicht die einzigen
ſeyn wollten, welche widerſprächen: ſie wollten nicht, daß
es ihnen zugeſchrieben würde, wenn Friede und Recht nicht
zu Stande kämen. 1


Bei
1 Hans Bock und Dr Peutinger, die in dem Ausſchuß geſeſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0482" n="464"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
vollkommen genügt worden wäre. Die Be&#x017F;timmungen die<lb/>
man traf, gereichten haupt&#x017F;ächlich zum Vortheil des Für-<lb/>
&#x017F;tenthums: die vorläufigen Anordnungen über die Execu-<lb/>
tion der kammergerichtlichen Urtel z. B., die ihm größten-<lb/>
theils anheimge&#x017F;tellt wurde, waren offenbar zu &#x017F;einen Gun-<lb/>
&#x017F;ten: gleich in der Capitulation hatte der Kai&#x017F;er vor,<lb/>
Bündni&#x017F;&#x017F;e des Adels und der Unterthanen zu verbieten;<lb/>
und dieß mochte dienen, compactere locale Gewalten zu<lb/>
begründen. Dagegen für den gemeinen Mann, der in &#x017F;o<lb/>
großer Gährung war, ge&#x017F;chah eigentlich gar nichts, &#x017F;o oft<lb/>
man auch früher davon geredet; der Adel war und blieb<lb/>
von aller Theilnahme an den Reichsge&#x017F;chäften ausge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; Grafen, Herrn und Edelleute waren über die rechtli-<lb/>
chen Austräge gegen Für&#x017F;ten und Churfür&#x017F;ten, die &#x017F;ie &#x017F;chleu-<lb/>
niger und gleichmäßiger verlangten, in &#x017F;teter Aufregung,<lb/>
und es wurden hierüber auch an dem Reichstag ziemlich<lb/>
&#x017F;charfe Schriften gewech&#x017F;elt. Die Städte hatten vergebens<lb/>
die Zula&#x017F;&#x017F;ung ihrer Abgeordneten bei dem Kammergericht<lb/>
gefordert: die große Reichshülfe war berathen und be&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en worden, ohne &#x017F;ie zuzuziehen; bei den An&#x017F;chlägen fühl-<lb/>
ten &#x017F;ich Viele von ihnen aufs neue be&#x017F;chwert, und über-<lb/>
dieß drohte man ihnen mit einem Reichszoll, von dem &#x017F;ie<lb/>
eine allgemeine Störung in ihren Ge&#x017F;chäften fürchteten.<lb/>
Sie klagten unaufhörlich und nahmen die Entwürfe zuletzt<lb/>
nur deshalb an, weil &#x017F;ie wie &#x017F;ie &#x017F;agten nicht die einzigen<lb/>
&#x017F;eyn wollten, welche wider&#x017F;prächen: &#x017F;ie wollten nicht, daß<lb/>
es ihnen zuge&#x017F;chrieben würde, wenn Friede und Recht nicht<lb/>
zu Stande kämen. <note xml:id="seg2pn_42_1" next="#seg2pn_42_2" place="foot" n="1">Hans Bock und Dr Peutinger, die in dem Aus&#x017F;chuß ge&#x017F;e&#x017F;-</note></p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Bei</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0482] Zweites Buch. Viertes Capitel. vollkommen genügt worden wäre. Die Beſtimmungen die man traf, gereichten hauptſächlich zum Vortheil des Für- ſtenthums: die vorläufigen Anordnungen über die Execu- tion der kammergerichtlichen Urtel z. B., die ihm größten- theils anheimgeſtellt wurde, waren offenbar zu ſeinen Gun- ſten: gleich in der Capitulation hatte der Kaiſer vor, Bündniſſe des Adels und der Unterthanen zu verbieten; und dieß mochte dienen, compactere locale Gewalten zu begründen. Dagegen für den gemeinen Mann, der in ſo großer Gährung war, geſchah eigentlich gar nichts, ſo oft man auch früher davon geredet; der Adel war und blieb von aller Theilnahme an den Reichsgeſchäften ausgeſchloſ- ſen; Grafen, Herrn und Edelleute waren über die rechtli- chen Austräge gegen Fürſten und Churfürſten, die ſie ſchleu- niger und gleichmäßiger verlangten, in ſteter Aufregung, und es wurden hierüber auch an dem Reichstag ziemlich ſcharfe Schriften gewechſelt. Die Städte hatten vergebens die Zulaſſung ihrer Abgeordneten bei dem Kammergericht gefordert: die große Reichshülfe war berathen und beſchloſ- ſen worden, ohne ſie zuzuziehen; bei den Anſchlägen fühl- ten ſich Viele von ihnen aufs neue beſchwert, und über- dieß drohte man ihnen mit einem Reichszoll, von dem ſie eine allgemeine Störung in ihren Geſchäften fürchteten. Sie klagten unaufhörlich und nahmen die Entwürfe zuletzt nur deshalb an, weil ſie wie ſie ſagten nicht die einzigen ſeyn wollten, welche widerſprächen: ſie wollten nicht, daß es ihnen zugeſchrieben würde, wenn Friede und Recht nicht zu Stande kämen. 1 Bei 1 Hans Bock und Dr Peutinger, die in dem Ausſchuß geſeſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/482
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/482>, abgerufen am 23.11.2024.