Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Viertes Capitel.
ward die Zahl der Beisitzer von 20 auf 22 erhöht, und
dem Kaiser verstattet, die beiden neuen Mitglieder zu er-
nennen. In den wichtigern Lehensachen und Bündnissen
mit Auswärtigen ward die Genehmigung des Kaisers wie
billig vorbehalten, aber die Einleitung der Geschäfte, die
Unterhandlung selbst sollte dem Regiment überlassen blei-
ben. Wirtenberg ward in dem schwäbischen Kreis herge-
stellt, von Östreich und den Niederlanden sollten jetzt so
gut wie früher Abgeordnete erscheinen. Der Eid ward al-
lerdings zunächst dem Kaiser geleistet: in der Formel ver-
pflichtete man sich aber zugleich die Ehre und den Nutzen
des h. Reiches wahrzunehmen. 1

Mit Einem Wort dem Kaiser gelang es, seine Ehre
und Autorität -- ein Punct in dem er sich sehr empfind-
lich zeigte -- aufrecht zu erhalten: aber zugleich setzten doch
die Stände ihren alten Gedanken durch und brachten es
zu einem Antheil an der Reichsregierung, den ihnen Ma-
ximilian nach dem ersten Versuch niemals wieder hatte ge-
statten wollen. Die Churfürsten von Sachsen und von
Trier ließen sich die Sache besonders angelegen seyn.

In einem ähnlichen Sinne ward nun auch das Kam-
mergericht wieder eingerichtet, das völlig in Verfall gera-
then war. Man hatte anfangs sehr weitreichende Absich-
ten. Da man bei 3000 alte unerledigte Processe zählte,
so dachte man daran, so viel Assessoren zu ernennen, daß
man sie in zwei Senate abtheilen könne, von denen der

1 Die Actenstücke die in diesem Streit gewechselt worden, ste-
hen ziemlich vollständig bei Harpprecht. In den Frankfurter AA.
findet sich noch außerdem ein Aufsatz: "ungeverlich Anzeyg, was in
Keys. Mt übergebenem Regiment zugesetzt und umbgangen ist."

Zweites Buch. Viertes Capitel.
ward die Zahl der Beiſitzer von 20 auf 22 erhöht, und
dem Kaiſer verſtattet, die beiden neuen Mitglieder zu er-
nennen. In den wichtigern Lehenſachen und Bündniſſen
mit Auswärtigen ward die Genehmigung des Kaiſers wie
billig vorbehalten, aber die Einleitung der Geſchäfte, die
Unterhandlung ſelbſt ſollte dem Regiment überlaſſen blei-
ben. Wirtenberg ward in dem ſchwäbiſchen Kreis herge-
ſtellt, von Öſtreich und den Niederlanden ſollten jetzt ſo
gut wie früher Abgeordnete erſcheinen. Der Eid ward al-
lerdings zunächſt dem Kaiſer geleiſtet: in der Formel ver-
pflichtete man ſich aber zugleich die Ehre und den Nutzen
des h. Reiches wahrzunehmen. 1

Mit Einem Wort dem Kaiſer gelang es, ſeine Ehre
und Autorität — ein Punct in dem er ſich ſehr empfind-
lich zeigte — aufrecht zu erhalten: aber zugleich ſetzten doch
die Stände ihren alten Gedanken durch und brachten es
zu einem Antheil an der Reichsregierung, den ihnen Ma-
ximilian nach dem erſten Verſuch niemals wieder hatte ge-
ſtatten wollen. Die Churfürſten von Sachſen und von
Trier ließen ſich die Sache beſonders angelegen ſeyn.

In einem ähnlichen Sinne ward nun auch das Kam-
mergericht wieder eingerichtet, das völlig in Verfall gera-
then war. Man hatte anfangs ſehr weitreichende Abſich-
ten. Da man bei 3000 alte unerledigte Proceſſe zählte,
ſo dachte man daran, ſo viel Aſſeſſoren zu ernennen, daß
man ſie in zwei Senate abtheilen könne, von denen der

1 Die Actenſtuͤcke die in dieſem Streit gewechſelt worden, ſte-
hen ziemlich vollſtaͤndig bei Harpprecht. In den Frankfurter AA.
findet ſich noch außerdem ein Aufſatz: „ungeverlich Anzeyg, was in
Keyſ. Mt uͤbergebenem Regiment zugeſetzt und umbgangen iſt.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0476" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
ward die Zahl der Bei&#x017F;itzer von 20 auf 22 erhöht, und<lb/>
dem Kai&#x017F;er ver&#x017F;tattet, die beiden neuen Mitglieder zu er-<lb/>
nennen. In den wichtigern Lehen&#x017F;achen und Bündni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mit Auswärtigen ward die Genehmigung des Kai&#x017F;ers wie<lb/>
billig vorbehalten, aber die Einleitung der Ge&#x017F;chäfte, die<lb/>
Unterhandlung &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ollte dem Regiment überla&#x017F;&#x017F;en blei-<lb/>
ben. Wirtenberg ward in dem &#x017F;chwäbi&#x017F;chen Kreis herge-<lb/>
&#x017F;tellt, von Ö&#x017F;treich und den Niederlanden &#x017F;ollten jetzt &#x017F;o<lb/>
gut wie früher Abgeordnete er&#x017F;cheinen. Der Eid ward al-<lb/>
lerdings zunäch&#x017F;t dem Kai&#x017F;er gelei&#x017F;tet: in der Formel ver-<lb/>
pflichtete man &#x017F;ich aber zugleich die Ehre und den Nutzen<lb/>
des h. Reiches wahrzunehmen. <note place="foot" n="1">Die Acten&#x017F;tu&#x0364;cke die in die&#x017F;em Streit gewech&#x017F;elt worden, &#x017F;te-<lb/>
hen ziemlich voll&#x017F;ta&#x0364;ndig bei Harpprecht. In den Frankfurter AA.<lb/>
findet &#x017F;ich noch außerdem ein Auf&#x017F;atz: &#x201E;ungeverlich Anzeyg, was in<lb/>
Key&#x017F;. Mt u&#x0364;bergebenem Regiment zuge&#x017F;etzt und umbgangen i&#x017F;t.&#x201C;</note></p><lb/>
            <p>Mit Einem Wort dem Kai&#x017F;er gelang es, &#x017F;eine Ehre<lb/>
und Autorität &#x2014; ein Punct in dem er &#x017F;ich &#x017F;ehr empfind-<lb/>
lich zeigte &#x2014; aufrecht zu erhalten: aber zugleich &#x017F;etzten doch<lb/>
die Stände ihren alten Gedanken durch und brachten es<lb/>
zu einem Antheil an der Reichsregierung, den ihnen Ma-<lb/>
ximilian nach dem er&#x017F;ten Ver&#x017F;uch niemals wieder hatte ge-<lb/>
&#x017F;tatten wollen. Die Churfür&#x017F;ten von Sach&#x017F;en und von<lb/>
Trier ließen &#x017F;ich die Sache be&#x017F;onders angelegen &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>In einem ähnlichen Sinne ward nun auch das Kam-<lb/>
mergericht wieder eingerichtet, das völlig in Verfall gera-<lb/>
then war. Man hatte anfangs &#x017F;ehr weitreichende Ab&#x017F;ich-<lb/>
ten. Da man bei 3000 alte unerledigte Proce&#x017F;&#x017F;e zählte,<lb/>
&#x017F;o dachte man daran, &#x017F;o viel A&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;oren zu ernennen, daß<lb/>
man &#x017F;ie in zwei Senate abtheilen könne, von denen der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0476] Zweites Buch. Viertes Capitel. ward die Zahl der Beiſitzer von 20 auf 22 erhöht, und dem Kaiſer verſtattet, die beiden neuen Mitglieder zu er- nennen. In den wichtigern Lehenſachen und Bündniſſen mit Auswärtigen ward die Genehmigung des Kaiſers wie billig vorbehalten, aber die Einleitung der Geſchäfte, die Unterhandlung ſelbſt ſollte dem Regiment überlaſſen blei- ben. Wirtenberg ward in dem ſchwäbiſchen Kreis herge- ſtellt, von Öſtreich und den Niederlanden ſollten jetzt ſo gut wie früher Abgeordnete erſcheinen. Der Eid ward al- lerdings zunächſt dem Kaiſer geleiſtet: in der Formel ver- pflichtete man ſich aber zugleich die Ehre und den Nutzen des h. Reiches wahrzunehmen. 1 Mit Einem Wort dem Kaiſer gelang es, ſeine Ehre und Autorität — ein Punct in dem er ſich ſehr empfind- lich zeigte — aufrecht zu erhalten: aber zugleich ſetzten doch die Stände ihren alten Gedanken durch und brachten es zu einem Antheil an der Reichsregierung, den ihnen Ma- ximilian nach dem erſten Verſuch niemals wieder hatte ge- ſtatten wollen. Die Churfürſten von Sachſen und von Trier ließen ſich die Sache beſonders angelegen ſeyn. In einem ähnlichen Sinne ward nun auch das Kam- mergericht wieder eingerichtet, das völlig in Verfall gera- then war. Man hatte anfangs ſehr weitreichende Abſich- ten. Da man bei 3000 alte unerledigte Proceſſe zählte, ſo dachte man daran, ſo viel Aſſeſſoren zu ernennen, daß man ſie in zwei Senate abtheilen könne, von denen der 1 Die Actenſtuͤcke die in dieſem Streit gewechſelt worden, ſte- hen ziemlich vollſtaͤndig bei Harpprecht. In den Frankfurter AA. findet ſich noch außerdem ein Aufſatz: „ungeverlich Anzeyg, was in Keyſ. Mt uͤbergebenem Regiment zugeſetzt und umbgangen iſt.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/476
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/476>, abgerufen am 22.11.2024.