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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Viertes Capitel.
gaß er, daß derselbe doch ohne Zweifel als ein ausländi-
scher Fürst angesehen werden mußte. 1 Auch das Verfah-
ren gegen Preußen war wohl nicht von ähnlichen Rück-
sichten frei. Der Kaiser vermittelte einen Stillstand zwi-
schen dem Hochmeister und dem König von Polen, auf
vier Jahre, binnen deren er mit seinem Bruder und dem
König von Ungern den Streit zu schlichten versuchen werde.
Der Hochmeister wollte von keiner weitern Pflicht wissen,
als die er gegen Kaiser und Reich habe, und wies jede
andre Anmuthung von sich; der Kaiser ließ sich zu der
Untersuchung herbei, ob sein Vasall einem fremden König
nicht wirklich die Lehnspflicht leisten solle. Zu einem der
Schiedsrichter bestimmte er den König von Ungern, durch
den Östreich in die jagellonische Verwandtschaft getreten
war. Wir wissen daß eben diese Verwandtschaft es war,
was den verstorbenen Kaiser bewogen hatte, seine Politik
in Hinsicht Preußens zu ändern.

Es leuchtet ein, wie ernstlich Carl V bedacht war,
die Stellung zu behaupten, welche Maximilian vorbereitet,
und seine Commissarien schon vor seiner Ankunft einge-
nommen hatten. Die alten Anhänger, die Verwandten
wurden begünstigt, so viel als möglich befördert; die spä-
ter gewonnenen Freunde festgehalten; die Entscheidung
schwieriger Streitfragen, z. B. zwischen Cleve und Sach-
sen, Brandenburg und Pommern, Hessen und Nassau lie-
ber noch aufgeschoben, und von fernerer Huld abhängig
gemacht; die alte Opposition war für den Augenblick zer-
sprengt und hielt sich ruhig.


1 Copien der Urkunden abgedruckt bei Christiani I, p. 541.

Zweites Buch. Viertes Capitel.
gaß er, daß derſelbe doch ohne Zweifel als ein ausländi-
ſcher Fürſt angeſehen werden mußte. 1 Auch das Verfah-
ren gegen Preußen war wohl nicht von ähnlichen Rück-
ſichten frei. Der Kaiſer vermittelte einen Stillſtand zwi-
ſchen dem Hochmeiſter und dem König von Polen, auf
vier Jahre, binnen deren er mit ſeinem Bruder und dem
König von Ungern den Streit zu ſchlichten verſuchen werde.
Der Hochmeiſter wollte von keiner weitern Pflicht wiſſen,
als die er gegen Kaiſer und Reich habe, und wies jede
andre Anmuthung von ſich; der Kaiſer ließ ſich zu der
Unterſuchung herbei, ob ſein Vaſall einem fremden König
nicht wirklich die Lehnspflicht leiſten ſolle. Zu einem der
Schiedsrichter beſtimmte er den König von Ungern, durch
den Öſtreich in die jagelloniſche Verwandtſchaft getreten
war. Wir wiſſen daß eben dieſe Verwandtſchaft es war,
was den verſtorbenen Kaiſer bewogen hatte, ſeine Politik
in Hinſicht Preußens zu ändern.

Es leuchtet ein, wie ernſtlich Carl V bedacht war,
die Stellung zu behaupten, welche Maximilian vorbereitet,
und ſeine Commiſſarien ſchon vor ſeiner Ankunft einge-
nommen hatten. Die alten Anhänger, die Verwandten
wurden begünſtigt, ſo viel als möglich befördert; die ſpä-
ter gewonnenen Freunde feſtgehalten; die Entſcheidung
ſchwieriger Streitfragen, z. B. zwiſchen Cleve und Sach-
ſen, Brandenburg und Pommern, Heſſen und Naſſau lie-
ber noch aufgeſchoben, und von fernerer Huld abhängig
gemacht; die alte Oppoſition war für den Augenblick zer-
ſprengt und hielt ſich ruhig.


1 Copien der Urkunden abgedruckt bei Chriſtiani I, p. 541.
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[454/0472] Zweites Buch. Viertes Capitel. gaß er, daß derſelbe doch ohne Zweifel als ein ausländi- ſcher Fürſt angeſehen werden mußte. 1 Auch das Verfah- ren gegen Preußen war wohl nicht von ähnlichen Rück- ſichten frei. Der Kaiſer vermittelte einen Stillſtand zwi- ſchen dem Hochmeiſter und dem König von Polen, auf vier Jahre, binnen deren er mit ſeinem Bruder und dem König von Ungern den Streit zu ſchlichten verſuchen werde. Der Hochmeiſter wollte von keiner weitern Pflicht wiſſen, als die er gegen Kaiſer und Reich habe, und wies jede andre Anmuthung von ſich; der Kaiſer ließ ſich zu der Unterſuchung herbei, ob ſein Vaſall einem fremden König nicht wirklich die Lehnspflicht leiſten ſolle. Zu einem der Schiedsrichter beſtimmte er den König von Ungern, durch den Öſtreich in die jagelloniſche Verwandtſchaft getreten war. Wir wiſſen daß eben dieſe Verwandtſchaft es war, was den verſtorbenen Kaiſer bewogen hatte, ſeine Politik in Hinſicht Preußens zu ändern. Es leuchtet ein, wie ernſtlich Carl V bedacht war, die Stellung zu behaupten, welche Maximilian vorbereitet, und ſeine Commiſſarien ſchon vor ſeiner Ankunft einge- nommen hatten. Die alten Anhänger, die Verwandten wurden begünſtigt, ſo viel als möglich befördert; die ſpä- ter gewonnenen Freunde feſtgehalten; die Entſcheidung ſchwieriger Streitfragen, z. B. zwiſchen Cleve und Sach- ſen, Brandenburg und Pommern, Heſſen und Naſſau lie- ber noch aufgeſchoben, und von fernerer Huld abhängig gemacht; die alte Oppoſition war für den Augenblick zer- ſprengt und hielt ſich ruhig. 1 Copien der Urkunden abgedruckt bei Chriſtiani I, p. 541.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/472>, abgerufen am 23.11.2024.