Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Buch. Viertes Capitel.

Am 23 Oct. empfieng Carl die Krone: 1 er nahm
den Titel eines erwählten römischen Kaisers an, den sein
Vorfahr die letzten Jahre geführt; schon im Dezember fin-
den wir ihn in Worms, wohin er seinen ersten Reichstag
berufen, und nun die deutschen Fürsten und Stände zu-
sammenströmten. Seine Seele war erfüllt von der Bedeu-
tung der kaiserlichen Würde. Er eröffnete den Reichstag
am 28 Januar 1521, dem Tage Carls des Großen. Die
Proposition in der er das that, war von der Idee be-
herrscht, daß keine Monarchie dem römischen Reiche zu
vergleichen sey, dem einst beinahe die ganze Welt gehorcht,
welches "Gott selbst geehrt gewürdigt und hinter sich
verlassen habe." Leider sey es jetzt gegen früher kaum der
Schatten mehr: er hoffe es aber mit Hülfe der König-
reiche, großmächtigen Lande und Verbindungen, die ihm
Gott verliehen, wieder zu der alten Glorie zu erheben. 2

condogenito non di molta facolta, ma adesso piu non potria es-
sere, per haver al governo suo non solum la persona del re,
ma la caxa li stati li danari e tutto quello e sotto la S. Mta.
E homo di bon ingegno, parla pocho, perho molto humanamente
ascolta e benignamente risponde: non dimostra esser colerico,
ma piu presto pacifico e quieto, cha desideroso di guerra, et e
molto sobrio nel suo viver, il che si ritrova in pochi Fiaminghi.
1 Eine Beschreibung des Locals, wobei noch immer der Zug
Carls des Gr. nach Jerusalem als ein historisches Factum angesehn
wird, und der Cerimonien von einem Augenzeugen in Passero: Gior-
nale Napol. p.
284.
2 Auf die Proposition, die das erste Stück in den Frankf. und
Berliner A. von diesem Reichstage ist, folgte Montag nach Oculi
4ten März noch ein besondrer Vortrag, durch den dieselbe erläutert
wurde; den auch Olenschlager Erläuterung der goldnen Bulle Urk.
nr. VII p. 15 mitgetheilt hat. Einer der besten Drucke aus jener
Zeit, doch nicht ganz genau. Der Vortrag Carls erinnert übrigens
sehr an einige Stellen bei Peter von Andlo.
Zweites Buch. Viertes Capitel.

Am 23 Oct. empfieng Carl die Krone: 1 er nahm
den Titel eines erwählten römiſchen Kaiſers an, den ſein
Vorfahr die letzten Jahre geführt; ſchon im Dezember fin-
den wir ihn in Worms, wohin er ſeinen erſten Reichstag
berufen, und nun die deutſchen Fürſten und Stände zu-
ſammenſtrömten. Seine Seele war erfüllt von der Bedeu-
tung der kaiſerlichen Würde. Er eröffnete den Reichstag
am 28 Januar 1521, dem Tage Carls des Großen. Die
Propoſition in der er das that, war von der Idee be-
herrſcht, daß keine Monarchie dem römiſchen Reiche zu
vergleichen ſey, dem einſt beinahe die ganze Welt gehorcht,
welches „Gott ſelbſt geehrt gewürdigt und hinter ſich
verlaſſen habe.“ Leider ſey es jetzt gegen früher kaum der
Schatten mehr: er hoffe es aber mit Hülfe der König-
reiche, großmächtigen Lande und Verbindungen, die ihm
Gott verliehen, wieder zu der alten Glorie zu erheben. 2

condogenito non di molta facolta, ma adesso piu non potria es-
sere, per haver al governo suo non solum la persona del re,
ma la caxa li stati li danari e tutto quello è sotto la S. M.
E homo di bon ingegno, parla pocho, perho molto humanamente
ascolta e benignamente risponde: non dimostra esser colerico,
ma piu presto pacifico e quieto, cha desideroso di guerra, et è
molto sobrio nel suo viver, il che si ritrova in pochi Fiaminghi.
1 Eine Beſchreibung des Locals, wobei noch immer der Zug
Carls des Gr. nach Jeruſalem als ein hiſtoriſches Factum angeſehn
wird, und der Cerimonien von einem Augenzeugen in Paſſero: Gior-
nale Napol. p.
284.
2 Auf die Propoſition, die das erſte Stuͤck in den Frankf. und
Berliner A. von dieſem Reichstage iſt, folgte Montag nach Oculi
4ten Maͤrz noch ein beſondrer Vortrag, durch den dieſelbe erlaͤutert
wurde; den auch Olenſchlager Erlaͤuterung der goldnen Bulle Urk.
nr. VII p. 15 mitgetheilt hat. Einer der beſten Drucke aus jener
Zeit, doch nicht ganz genau. Der Vortrag Carls erinnert uͤbrigens
ſehr an einige Stellen bei Peter von Andlo.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0468" n="450"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
          <p>Am 23 Oct. empfieng Carl die Krone: <note place="foot" n="1">Eine Be&#x017F;chreibung des Locals, wobei noch immer der Zug<lb/>
Carls des Gr. nach Jeru&#x017F;alem als ein hi&#x017F;tori&#x017F;ches Factum ange&#x017F;ehn<lb/>
wird, und der Cerimonien von einem Augenzeugen in Pa&#x017F;&#x017F;ero: <hi rendition="#aq">Gior-<lb/>
nale Napol. p.</hi> 284.</note> er nahm<lb/>
den Titel eines erwählten römi&#x017F;chen Kai&#x017F;ers an, den &#x017F;ein<lb/>
Vorfahr die letzten Jahre geführt; &#x017F;chon im Dezember fin-<lb/>
den wir ihn in Worms, wohin er &#x017F;einen er&#x017F;ten Reichstag<lb/>
berufen, und nun die deut&#x017F;chen Für&#x017F;ten und Stände zu-<lb/>
&#x017F;ammen&#x017F;trömten. Seine Seele war erfüllt von der Bedeu-<lb/>
tung der kai&#x017F;erlichen Würde. Er eröffnete den Reichstag<lb/>
am 28 Januar 1521, dem Tage Carls des Großen. Die<lb/>
Propo&#x017F;ition in der er das that, war von der Idee be-<lb/>
herr&#x017F;cht, daß keine Monarchie dem römi&#x017F;chen Reiche zu<lb/>
vergleichen &#x017F;ey, dem ein&#x017F;t beinahe die ganze Welt gehorcht,<lb/>
welches &#x201E;Gott &#x017F;elb&#x017F;t geehrt gewürdigt und hinter &#x017F;ich<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en habe.&#x201C; Leider &#x017F;ey es jetzt gegen früher kaum der<lb/>
Schatten mehr: er hoffe es aber mit Hülfe der König-<lb/>
reiche, großmächtigen Lande und Verbindungen, die ihm<lb/>
Gott verliehen, wieder zu der alten Glorie zu erheben. <note place="foot" n="2">Auf die Propo&#x017F;ition, die das er&#x017F;te Stu&#x0364;ck in den Frankf. und<lb/>
Berliner A. von die&#x017F;em Reichstage i&#x017F;t, folgte Montag nach Oculi<lb/>
4ten Ma&#x0364;rz noch ein be&#x017F;ondrer Vortrag, durch den die&#x017F;elbe erla&#x0364;utert<lb/>
wurde; den auch Olen&#x017F;chlager Erla&#x0364;uterung der goldnen Bulle Urk.<lb/><hi rendition="#aq">nr. VII p.</hi> 15 mitgetheilt hat. Einer der be&#x017F;ten Drucke aus jener<lb/>
Zeit, doch nicht ganz genau. Der Vortrag Carls erinnert u&#x0364;brigens<lb/>
&#x017F;ehr an einige Stellen bei Peter von Andlo.</note><lb/><note xml:id="seg2pn_40_2" prev="#seg2pn_40_1" place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">condogenito non di molta facolta, ma adesso piu non potria es-<lb/>
sere, per haver al governo suo non solum la persona del re,<lb/>
ma la caxa li stati li danari e tutto quello è sotto la S. M<hi rendition="#sup"></hi>.<lb/>
E homo di bon ingegno, parla pocho, perho molto humanamente<lb/>
ascolta e benignamente risponde: non dimostra esser colerico,<lb/>
ma piu presto pacifico e quieto, cha desideroso di guerra, et è<lb/>
molto sobrio nel suo viver, il che si ritrova in pochi Fiaminghi.</hi></note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0468] Zweites Buch. Viertes Capitel. Am 23 Oct. empfieng Carl die Krone: 1 er nahm den Titel eines erwählten römiſchen Kaiſers an, den ſein Vorfahr die letzten Jahre geführt; ſchon im Dezember fin- den wir ihn in Worms, wohin er ſeinen erſten Reichstag berufen, und nun die deutſchen Fürſten und Stände zu- ſammenſtrömten. Seine Seele war erfüllt von der Bedeu- tung der kaiſerlichen Würde. Er eröffnete den Reichstag am 28 Januar 1521, dem Tage Carls des Großen. Die Propoſition in der er das that, war von der Idee be- herrſcht, daß keine Monarchie dem römiſchen Reiche zu vergleichen ſey, dem einſt beinahe die ganze Welt gehorcht, welches „Gott ſelbſt geehrt gewürdigt und hinter ſich verlaſſen habe.“ Leider ſey es jetzt gegen früher kaum der Schatten mehr: er hoffe es aber mit Hülfe der König- reiche, großmächtigen Lande und Verbindungen, die ihm Gott verliehen, wieder zu der alten Glorie zu erheben. 2 1 1 Eine Beſchreibung des Locals, wobei noch immer der Zug Carls des Gr. nach Jeruſalem als ein hiſtoriſches Factum angeſehn wird, und der Cerimonien von einem Augenzeugen in Paſſero: Gior- nale Napol. p. 284. 2 Auf die Propoſition, die das erſte Stuͤck in den Frankf. und Berliner A. von dieſem Reichstage iſt, folgte Montag nach Oculi 4ten Maͤrz noch ein beſondrer Vortrag, durch den dieſelbe erlaͤutert wurde; den auch Olenſchlager Erlaͤuterung der goldnen Bulle Urk. nr. VII p. 15 mitgetheilt hat. Einer der beſten Drucke aus jener Zeit, doch nicht ganz genau. Der Vortrag Carls erinnert uͤbrigens ſehr an einige Stellen bei Peter von Andlo. 1 condogenito non di molta facolta, ma adesso piu non potria es- sere, per haver al governo suo non solum la persona del re, ma la caxa li stati li danari e tutto quello è sotto la S. Mtà. E homo di bon ingegno, parla pocho, perho molto humanamente ascolta e benignamente risponde: non dimostra esser colerico, ma piu presto pacifico e quieto, cha desideroso di guerra, et è molto sobrio nel suo viver, il che si ritrova in pochi Fiaminghi.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/468
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/468>, abgerufen am 23.11.2024.