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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Disputation zu Leipzig.
sind, in einem Lande das in Folge der Verdammung, die
in Costnitz ausgesprochen worden, alle Schrecken eines lan-
gen verwüstenden Krieges erfahren, und seinen Ruhm in
dem Widerstand gesehen, den es den Hussiten geleistet: an
einer Universität die im Widerspruch gegen die Richtung
und Lehre des Johann Huß gegründet worden: vor Für-
sten Herrn und Gemeinen, deren Väter in diesem Kampfe
erlegen waren: man sagt, es seyen Abgeordnete der Böh-
men, welche die Wendung geahndet die dieser Streit nehmen
mußte zugegen gewesen. Luther sah sich in einer gefähr-
lichen Stellung. Sollte er sich wirklich von dem herr-
schenden Begriff der alleinseligmachenden römischen Kirche
lossagen, einem Concilium widersprechen, durch welches
Johann Huß zum Feuer verdammt worden, und vielleicht
ein ähnliches Geschick über sich herbeiziehn? Oder sollte
er die höhere umfassendere Idee einer christlichen Kirche,
die ihm zu Theil geworden, in der seine Seele lebte, ver-
leugnen? Der unerschütterliche Luther schwankte keinen
Augenblick. Er wagte zu sagen, unter den Artikeln des Jo-
hann Huß, welche das Verdammungsurtheil des Conciliums
zu Costnitz verzeichne, seyen einige grundchristliche und evan-
gelische. Ein allgemeines Erstaunen erfolgte. Herzog Georg
der zugegen war, stemmte die Hände in die Seite; kopf-
schüttelnd rief er seinen Fluch aus: "das walt die Sucht." 1
Jetzt schöpfte Eck neuen Muth. Es sey kaum glaublich,
sagte er, daß Luther ein Concilium tadle, da doch Seine
Fürstliche Gnaden ausdrücklich verboten, Concilien anzu-

1 "Das habe ich selber gehört und gesehen." Fröschels Be-
richt bei Walch XV, 1400.

Disputation zu Leipzig.
ſind, in einem Lande das in Folge der Verdammung, die
in Coſtnitz ausgeſprochen worden, alle Schrecken eines lan-
gen verwüſtenden Krieges erfahren, und ſeinen Ruhm in
dem Widerſtand geſehen, den es den Huſſiten geleiſtet: an
einer Univerſität die im Widerſpruch gegen die Richtung
und Lehre des Johann Huß gegründet worden: vor Für-
ſten Herrn und Gemeinen, deren Väter in dieſem Kampfe
erlegen waren: man ſagt, es ſeyen Abgeordnete der Böh-
men, welche die Wendung geahndet die dieſer Streit nehmen
mußte zugegen geweſen. Luther ſah ſich in einer gefähr-
lichen Stellung. Sollte er ſich wirklich von dem herr-
ſchenden Begriff der alleinſeligmachenden römiſchen Kirche
losſagen, einem Concilium widerſprechen, durch welches
Johann Huß zum Feuer verdammt worden, und vielleicht
ein ähnliches Geſchick über ſich herbeiziehn? Oder ſollte
er die höhere umfaſſendere Idee einer chriſtlichen Kirche,
die ihm zu Theil geworden, in der ſeine Seele lebte, ver-
leugnen? Der unerſchütterliche Luther ſchwankte keinen
Augenblick. Er wagte zu ſagen, unter den Artikeln des Jo-
hann Huß, welche das Verdammungsurtheil des Conciliums
zu Coſtnitz verzeichne, ſeyen einige grundchriſtliche und evan-
geliſche. Ein allgemeines Erſtaunen erfolgte. Herzog Georg
der zugegen war, ſtemmte die Hände in die Seite; kopf-
ſchüttelnd rief er ſeinen Fluch aus: „das walt die Sucht.“ 1
Jetzt ſchöpfte Eck neuen Muth. Es ſey kaum glaublich,
ſagte er, daß Luther ein Concilium tadle, da doch Seine
Fürſtliche Gnaden ausdrücklich verboten, Concilien anzu-

1 „Das habe ich ſelber gehoͤrt und geſehen.“ Froͤſchels Be-
richt bei Walch XV, 1400.
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[407/0425] Disputation zu Leipzig. ſind, in einem Lande das in Folge der Verdammung, die in Coſtnitz ausgeſprochen worden, alle Schrecken eines lan- gen verwüſtenden Krieges erfahren, und ſeinen Ruhm in dem Widerſtand geſehen, den es den Huſſiten geleiſtet: an einer Univerſität die im Widerſpruch gegen die Richtung und Lehre des Johann Huß gegründet worden: vor Für- ſten Herrn und Gemeinen, deren Väter in dieſem Kampfe erlegen waren: man ſagt, es ſeyen Abgeordnete der Böh- men, welche die Wendung geahndet die dieſer Streit nehmen mußte zugegen geweſen. Luther ſah ſich in einer gefähr- lichen Stellung. Sollte er ſich wirklich von dem herr- ſchenden Begriff der alleinſeligmachenden römiſchen Kirche losſagen, einem Concilium widerſprechen, durch welches Johann Huß zum Feuer verdammt worden, und vielleicht ein ähnliches Geſchick über ſich herbeiziehn? Oder ſollte er die höhere umfaſſendere Idee einer chriſtlichen Kirche, die ihm zu Theil geworden, in der ſeine Seele lebte, ver- leugnen? Der unerſchütterliche Luther ſchwankte keinen Augenblick. Er wagte zu ſagen, unter den Artikeln des Jo- hann Huß, welche das Verdammungsurtheil des Conciliums zu Coſtnitz verzeichne, ſeyen einige grundchriſtliche und evan- geliſche. Ein allgemeines Erſtaunen erfolgte. Herzog Georg der zugegen war, ſtemmte die Hände in die Seite; kopf- ſchüttelnd rief er ſeinen Fluch aus: „das walt die Sucht.“ 1 Jetzt ſchöpfte Eck neuen Muth. Es ſey kaum glaublich, ſagte er, daß Luther ein Concilium tadle, da doch Seine Fürſtliche Gnaden ausdrücklich verboten, Concilien anzu- 1 „Das habe ich ſelber gehoͤrt und geſehen.“ Froͤſchels Be- richt bei Walch XV, 1400.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/425>, abgerufen am 23.11.2024.