Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Drittes Capitel.
zigern nicht eingeholt worden waren, wie es wohl die Sitte
mit sich gebracht hätte. 1

Unter der Vermittelung des Herzog Georg wurden nun
zunächst die Bedingungen des Kampfes festgesetzt; nur un-
gern fügte sich Eck in die Forderung Rede und Wider-
rede durch Notarien aufzeichnen zu lassen: dagegen mußte
auch Luther zugeben, daß das Urtheil einigen Universitäten
anheimgestellt würde: er brachte dazu selbst Paris und
Erfurt in Vorschlag. Auf diese Dinge drang der Herzog
besonders eifrig: er behandelte die Sache wie einen Pro-
ceß, er wollte die Acten gleichsam an ein paar Spruch-
collegien versenden. Indessen ließ er auf dem Schloß ei-
nen geräumigen Saal zu dem literarischen Gefecht herrich-
ten: zwei Catheder stellte man einander gegenüber auf, mit
Teppichen behangen, auf denen die streitbaren Heiligen,
St. Georg und St. Martin abgebildet waren: es fehlte
nicht an Tischen für die Notarien, an Bänken für die
Zuhörer: endlich am 27 Juni ward die Action mit einer
Heiligen-Geist-Messe eröffnet.

Carlstadt hatte es sich nicht nehmen lassen, zuerst zu
disputiren; jedoch trug er wenig Ruhm davon. Er brachte
Bücher mit, las daraus vor, schlug weiter nach und las
wieder vor; auf die Einwendungen, die sein Gegner heute
äußerte, antwortete er erst den andern Morgen. 2 Welch
ein ganz anderer Disputator war da Johann Eck: --
er besaß seine Wissenschaft zu augenblicklichem Gebrauch.
Er studirte nicht lange: unmittelbar von einem Spazierritt

1 Peifers Beschreibung ibid. p. 1435.
2 Rubeus bei Walch XV, 1491.

Zweites Buch. Drittes Capitel.
zigern nicht eingeholt worden waren, wie es wohl die Sitte
mit ſich gebracht hätte. 1

Unter der Vermittelung des Herzog Georg wurden nun
zunächſt die Bedingungen des Kampfes feſtgeſetzt; nur un-
gern fügte ſich Eck in die Forderung Rede und Wider-
rede durch Notarien aufzeichnen zu laſſen: dagegen mußte
auch Luther zugeben, daß das Urtheil einigen Univerſitäten
anheimgeſtellt würde: er brachte dazu ſelbſt Paris und
Erfurt in Vorſchlag. Auf dieſe Dinge drang der Herzog
beſonders eifrig: er behandelte die Sache wie einen Pro-
ceß, er wollte die Acten gleichſam an ein paar Spruch-
collegien verſenden. Indeſſen ließ er auf dem Schloß ei-
nen geräumigen Saal zu dem literariſchen Gefecht herrich-
ten: zwei Catheder ſtellte man einander gegenüber auf, mit
Teppichen behangen, auf denen die ſtreitbaren Heiligen,
St. Georg und St. Martin abgebildet waren: es fehlte
nicht an Tiſchen für die Notarien, an Bänken für die
Zuhörer: endlich am 27 Juni ward die Action mit einer
Heiligen-Geiſt-Meſſe eröffnet.

Carlſtadt hatte es ſich nicht nehmen laſſen, zuerſt zu
disputiren; jedoch trug er wenig Ruhm davon. Er brachte
Bücher mit, las daraus vor, ſchlug weiter nach und las
wieder vor; auf die Einwendungen, die ſein Gegner heute
äußerte, antwortete er erſt den andern Morgen. 2 Welch
ein ganz anderer Disputator war da Johann Eck: —
er beſaß ſeine Wiſſenſchaft zu augenblicklichem Gebrauch.
Er ſtudirte nicht lange: unmittelbar von einem Spazierritt

1 Peifers Beſchreibung ibid. p. 1435.
2 Rubeus bei Walch XV, 1491.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0420" n="402"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
zigern nicht eingeholt worden waren, wie es wohl die Sitte<lb/>
mit &#x017F;ich gebracht hätte. <note place="foot" n="1">Peifers Be&#x017F;chreibung <hi rendition="#aq">ibid. p.</hi> 1435.</note></p><lb/>
            <p>Unter der Vermittelung des Herzog Georg wurden nun<lb/>
zunäch&#x017F;t die Bedingungen des Kampfes fe&#x017F;tge&#x017F;etzt; nur un-<lb/>
gern fügte &#x017F;ich Eck in die Forderung Rede und Wider-<lb/>
rede durch Notarien aufzeichnen zu la&#x017F;&#x017F;en: dagegen mußte<lb/>
auch Luther zugeben, daß das Urtheil einigen Univer&#x017F;itäten<lb/>
anheimge&#x017F;tellt würde: er brachte dazu &#x017F;elb&#x017F;t Paris und<lb/>
Erfurt in Vor&#x017F;chlag. Auf die&#x017F;e Dinge drang der Herzog<lb/>
be&#x017F;onders eifrig: er behandelte die Sache wie einen Pro-<lb/>
ceß, er wollte die Acten gleich&#x017F;am an ein paar Spruch-<lb/>
collegien ver&#x017F;enden. Inde&#x017F;&#x017F;en ließ er auf dem Schloß ei-<lb/>
nen geräumigen Saal zu dem literari&#x017F;chen Gefecht herrich-<lb/>
ten: zwei Catheder &#x017F;tellte man einander gegenüber auf, mit<lb/>
Teppichen behangen, auf denen die &#x017F;treitbaren Heiligen,<lb/>
St. Georg und St. Martin abgebildet waren: es fehlte<lb/>
nicht an Ti&#x017F;chen für die Notarien, an Bänken für die<lb/>
Zuhörer: endlich am 27 Juni ward die Action mit einer<lb/>
Heiligen-Gei&#x017F;t-Me&#x017F;&#x017F;e eröffnet.</p><lb/>
            <p>Carl&#x017F;tadt hatte es &#x017F;ich nicht nehmen la&#x017F;&#x017F;en, zuer&#x017F;t zu<lb/>
disputiren; jedoch trug er wenig Ruhm davon. Er brachte<lb/>
Bücher mit, las daraus vor, &#x017F;chlug weiter nach und las<lb/>
wieder vor; auf die Einwendungen, die &#x017F;ein Gegner heute<lb/>
äußerte, antwortete er er&#x017F;t den andern Morgen. <note place="foot" n="2">Rubeus bei Walch <hi rendition="#aq">XV,</hi> 1491.</note> Welch<lb/>
ein ganz anderer Disputator war da Johann Eck: &#x2014;<lb/>
er be&#x017F;&#x017F;eine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zu augenblicklichem Gebrauch.<lb/>
Er &#x017F;tudirte nicht lange: unmittelbar von einem Spazierritt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0420] Zweites Buch. Drittes Capitel. zigern nicht eingeholt worden waren, wie es wohl die Sitte mit ſich gebracht hätte. 1 Unter der Vermittelung des Herzog Georg wurden nun zunächſt die Bedingungen des Kampfes feſtgeſetzt; nur un- gern fügte ſich Eck in die Forderung Rede und Wider- rede durch Notarien aufzeichnen zu laſſen: dagegen mußte auch Luther zugeben, daß das Urtheil einigen Univerſitäten anheimgeſtellt würde: er brachte dazu ſelbſt Paris und Erfurt in Vorſchlag. Auf dieſe Dinge drang der Herzog beſonders eifrig: er behandelte die Sache wie einen Pro- ceß, er wollte die Acten gleichſam an ein paar Spruch- collegien verſenden. Indeſſen ließ er auf dem Schloß ei- nen geräumigen Saal zu dem literariſchen Gefecht herrich- ten: zwei Catheder ſtellte man einander gegenüber auf, mit Teppichen behangen, auf denen die ſtreitbaren Heiligen, St. Georg und St. Martin abgebildet waren: es fehlte nicht an Tiſchen für die Notarien, an Bänken für die Zuhörer: endlich am 27 Juni ward die Action mit einer Heiligen-Geiſt-Meſſe eröffnet. Carlſtadt hatte es ſich nicht nehmen laſſen, zuerſt zu disputiren; jedoch trug er wenig Ruhm davon. Er brachte Bücher mit, las daraus vor, ſchlug weiter nach und las wieder vor; auf die Einwendungen, die ſein Gegner heute äußerte, antwortete er erſt den andern Morgen. 2 Welch ein ganz anderer Disputator war da Johann Eck: — er beſaß ſeine Wiſſenſchaft zu augenblicklichem Gebrauch. Er ſtudirte nicht lange: unmittelbar von einem Spazierritt 1 Peifers Beſchreibung ibid. p. 1435. 2 Rubeus bei Walch XV, 1491.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/420
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/420>, abgerufen am 25.11.2024.