Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Anfänge Luthers.
ten in ihm die Begierde, in die Geheimnisse der Theologie
einzudringen, "in den Kern der Nuß," wie er sagt, "in
das Mark des Weizens." Die Schriften die er studirte,
waren die Episteln Pauli, die Bücher Augustins wider die
Pelagianer, endlich die Predigten Taulers: mit viel fremd-
artiger Literatur belud er sich nicht; es kam ihm nur auf
Befestigung, Ausarbeitung der einmal gewonnenen Über-
zeugung an. 1

In der merkwürdigsten Stimmung finden wir ihn auf
einer Reise, die er ein paar Jahre darauf in Sachen sei-
nes Ordens nach Rom machte. Als er die Thürme von
Rom aus der Ferne ansichtig wurde, fiel er auf die Erde,
hob seine Hände auf und sprach: sey mir gegrüßt, du hei-
liges Rom. Hierauf war keine Übung der Pilgerfrömmig-
keit, die er nicht mit Hingebung, langsam und andächtig
vollzogen hätte; er ließ sich die Leichtfertigkeiten andrer
Priester darin nicht stören; er sagt, er hätte beinahe wün-

1 In der "Histori, so zwen Augustinerordens gemartert seyn
zu Bruxel in Probandt" findet sich Bogen B. folgende gute und
authentische Stelle über Luthers Studien. "In welchen Verstand
(daß er die Schrift so klar und gnadenreich erkläre) er kummen ist
erst durch maniche Staupen dye er erlitten hat von Got und mit
vleißigen Bitten tzu Got steten Lesen und nemlich Augustinus wider
die Pelagianer hat ym grosse hilff gethan tzur erkenndnuß Pauli yn
seyn Episteln. Sunderlich ein Predigbüchlin der Tawler genanndt
yhm deutschen das hat er uns oft zu erkauffen ermant unter seym
lesen yn der Schul welches yn gefurt hat yn geist, als er offt uns
bekannt: auch ist eyn Büchlyn genandt die deutsch Theologey hat Er
allzeyt hochgebrifft (priesen?) als er den schreibtt yn der Vorrede ge-
dachten Büchlyns: -- Hat auch oft gesagt, das seyn Kunst mer yhm
geben sey aus erfaren denn lesen und das vyll Bücher nitt gelert
machen. Darumb findt man (später, 1523) yhn seyner Wonung
nit vyll Bücher, den eyn Bibel u. Concordanz der Bybel."

Anfaͤnge Luthers.
ten in ihm die Begierde, in die Geheimniſſe der Theologie
einzudringen, „in den Kern der Nuß,“ wie er ſagt, „in
das Mark des Weizens.“ Die Schriften die er ſtudirte,
waren die Epiſteln Pauli, die Bücher Auguſtins wider die
Pelagianer, endlich die Predigten Taulers: mit viel fremd-
artiger Literatur belud er ſich nicht; es kam ihm nur auf
Befeſtigung, Ausarbeitung der einmal gewonnenen Über-
zeugung an. 1

In der merkwürdigſten Stimmung finden wir ihn auf
einer Reiſe, die er ein paar Jahre darauf in Sachen ſei-
nes Ordens nach Rom machte. Als er die Thürme von
Rom aus der Ferne anſichtig wurde, fiel er auf die Erde,
hob ſeine Hände auf und ſprach: ſey mir gegrüßt, du hei-
liges Rom. Hierauf war keine Übung der Pilgerfrömmig-
keit, die er nicht mit Hingebung, langſam und andächtig
vollzogen hätte; er ließ ſich die Leichtfertigkeiten andrer
Prieſter darin nicht ſtören; er ſagt, er hätte beinahe wün-

1 In der „Hiſtori, ſo zwen Auguſtinerordens gemartert ſeyn
zu Bruxel in Probandt“ findet ſich Bogen B. folgende gute und
authentiſche Stelle uͤber Luthers Studien. „In welchen Verſtand
(daß er die Schrift ſo klar und gnadenreich erklaͤre) er kummen iſt
erſt durch maniche Staupen dye er erlitten hat von Got und mit
vleißigen Bitten tzu Got ſteten Leſen und nemlich Auguſtinus wider
die Pelagianer hat ym groſſe hilff gethan tzur erkenndnuß Pauli yn
ſeyn Epiſteln. Sunderlich ein Predigbuͤchlin der Tawler genanndt
yhm deutſchen das hat er uns oft zu erkauffen ermant unter ſeym
leſen yn der Schul welches yn gefurt hat yn geiſt, als er offt uns
bekannt: auch iſt eyn Buͤchlyn genandt die deutſch Theologey hat Er
allzeyt hochgebrifft (prieſen?) als er den ſchreibtt yn der Vorrede ge-
dachten Buͤchlyns: — Hat auch oft geſagt, das ſeyn Kunſt mer yhm
geben ſey aus erfaren denn leſen und das vyll Buͤcher nitt gelert
machen. Darumb findt man (ſpaͤter, 1523) yhn ſeyner Wonung
nit vyll Buͤcher, den eyn Bibel u. Concordanz der Bybel.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0317" n="299"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Anfa&#x0364;nge Luthers</hi>.</fw><lb/>
ten in ihm die Begierde, in die Geheimni&#x017F;&#x017F;e der Theologie<lb/>
einzudringen, &#x201E;in den Kern der Nuß,&#x201C; wie er &#x017F;agt, &#x201E;in<lb/>
das Mark des Weizens.&#x201C; Die Schriften die er &#x017F;tudirte,<lb/>
waren die Epi&#x017F;teln Pauli, die Bücher Augu&#x017F;tins wider die<lb/>
Pelagianer, endlich die Predigten Taulers: mit viel fremd-<lb/>
artiger Literatur belud er &#x017F;ich nicht; es kam ihm nur auf<lb/>
Befe&#x017F;tigung, Ausarbeitung der einmal gewonnenen Über-<lb/>
zeugung an. <note place="foot" n="1">In der &#x201E;Hi&#x017F;tori, &#x017F;o zwen Augu&#x017F;tinerordens gemartert &#x017F;eyn<lb/>
zu Bruxel in Probandt&#x201C; findet &#x017F;ich Bogen B. folgende gute und<lb/>
authenti&#x017F;che Stelle u&#x0364;ber Luthers Studien. &#x201E;In welchen Ver&#x017F;tand<lb/>
(daß er die Schrift &#x017F;o klar und gnadenreich erkla&#x0364;re) er kummen i&#x017F;t<lb/>
er&#x017F;t durch maniche Staupen dye er erlitten hat von Got und mit<lb/>
vleißigen Bitten tzu Got &#x017F;teten Le&#x017F;en und nemlich Augu&#x017F;tinus wider<lb/>
die Pelagianer hat ym gro&#x017F;&#x017F;e hilff gethan tzur erkenndnuß Pauli yn<lb/>
&#x017F;eyn Epi&#x017F;teln. Sunderlich ein Predigbu&#x0364;chlin der Tawler genanndt<lb/>
yhm deut&#x017F;chen das hat er uns oft zu erkauffen ermant unter &#x017F;eym<lb/>
le&#x017F;en yn der Schul welches yn gefurt hat yn gei&#x017F;t, als er offt uns<lb/>
bekannt: auch i&#x017F;t eyn Bu&#x0364;chlyn genandt die deut&#x017F;ch Theologey hat Er<lb/>
allzeyt hochgebrifft (prie&#x017F;en?) als er den &#x017F;chreibtt yn der Vorrede ge-<lb/>
dachten Bu&#x0364;chlyns: &#x2014; Hat auch oft ge&#x017F;agt, das &#x017F;eyn Kun&#x017F;t mer yhm<lb/>
geben &#x017F;ey aus erfaren denn le&#x017F;en und das vyll Bu&#x0364;cher nitt gelert<lb/>
machen. Darumb findt man (&#x017F;pa&#x0364;ter, 1523) yhn &#x017F;eyner Wonung<lb/>
nit vyll Bu&#x0364;cher, den eyn Bibel u. Concordanz der Bybel.&#x201C;</note></p><lb/>
            <p>In der merkwürdig&#x017F;ten Stimmung finden wir ihn auf<lb/>
einer Rei&#x017F;e, die er ein paar Jahre darauf in Sachen &#x017F;ei-<lb/>
nes Ordens nach Rom machte. Als er die Thürme von<lb/>
Rom aus der Ferne an&#x017F;ichtig wurde, fiel er auf die Erde,<lb/>
hob &#x017F;eine Hände auf und &#x017F;prach: &#x017F;ey mir gegrüßt, du hei-<lb/>
liges Rom. Hierauf war keine Übung der Pilgerfrömmig-<lb/>
keit, die er nicht mit Hingebung, lang&#x017F;am und andächtig<lb/>
vollzogen hätte; er ließ &#x017F;ich die Leichtfertigkeiten andrer<lb/>
Prie&#x017F;ter darin nicht &#x017F;tören; er &#x017F;agt, er hätte beinahe wün-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0317] Anfaͤnge Luthers. ten in ihm die Begierde, in die Geheimniſſe der Theologie einzudringen, „in den Kern der Nuß,“ wie er ſagt, „in das Mark des Weizens.“ Die Schriften die er ſtudirte, waren die Epiſteln Pauli, die Bücher Auguſtins wider die Pelagianer, endlich die Predigten Taulers: mit viel fremd- artiger Literatur belud er ſich nicht; es kam ihm nur auf Befeſtigung, Ausarbeitung der einmal gewonnenen Über- zeugung an. 1 In der merkwürdigſten Stimmung finden wir ihn auf einer Reiſe, die er ein paar Jahre darauf in Sachen ſei- nes Ordens nach Rom machte. Als er die Thürme von Rom aus der Ferne anſichtig wurde, fiel er auf die Erde, hob ſeine Hände auf und ſprach: ſey mir gegrüßt, du hei- liges Rom. Hierauf war keine Übung der Pilgerfrömmig- keit, die er nicht mit Hingebung, langſam und andächtig vollzogen hätte; er ließ ſich die Leichtfertigkeiten andrer Prieſter darin nicht ſtören; er ſagt, er hätte beinahe wün- 1 In der „Hiſtori, ſo zwen Auguſtinerordens gemartert ſeyn zu Bruxel in Probandt“ findet ſich Bogen B. folgende gute und authentiſche Stelle uͤber Luthers Studien. „In welchen Verſtand (daß er die Schrift ſo klar und gnadenreich erklaͤre) er kummen iſt erſt durch maniche Staupen dye er erlitten hat von Got und mit vleißigen Bitten tzu Got ſteten Leſen und nemlich Auguſtinus wider die Pelagianer hat ym groſſe hilff gethan tzur erkenndnuß Pauli yn ſeyn Epiſteln. Sunderlich ein Predigbuͤchlin der Tawler genanndt yhm deutſchen das hat er uns oft zu erkauffen ermant unter ſeym leſen yn der Schul welches yn gefurt hat yn geiſt, als er offt uns bekannt: auch iſt eyn Buͤchlyn genandt die deutſch Theologey hat Er allzeyt hochgebrifft (prieſen?) als er den ſchreibtt yn der Vorrede ge- dachten Buͤchlyns: — Hat auch oft geſagt, das ſeyn Kunſt mer yhm geben ſey aus erfaren denn leſen und das vyll Buͤcher nitt gelert machen. Darumb findt man (ſpaͤter, 1523) yhn ſeyner Wonung nit vyll Buͤcher, den eyn Bibel u. Concordanz der Bybel.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/317
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/317>, abgerufen am 16.07.2024.