Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Bewegungen in der gelehrten Literatur. Überhaupt können wir sagen, daß die Tendenzen der Sollten die großen Alten vergeblich gelebt haben? In der deutschen Nation war dieß Studium gleich 1 In der Schrift de ratione conscribendi epistolas, deren
Zuschrift vom Jahr 1522 ist, ruft er aus: Ausg. v. 1534 p. 71. Videmus quantum profectum sit paucis annis. Vbi nunc est Mi- chael Modista, ubi glossema Jacobi, ubi citatur catholicon bra- chylogus aut Mammaetrectus, quos olim ceu rarum thesaurum aureis literis descriptos habebant monachorum bibliothecae. Man sieht wie sehr sich die Methode veränderte. Bewegungen in der gelehrten Literatur. Überhaupt können wir ſagen, daß die Tendenzen der Sollten die großen Alten vergeblich gelebt haben? In der deutſchen Nation war dieß Studium gleich 1 In der Schrift de ratione conscribendi epistolas, deren
Zuſchrift vom Jahr 1522 iſt, ruft er aus: Ausg. v. 1534 p. 71. Videmus quantum profectum sit paucis annis. Vbi nunc est Mi- chael Modista, ubi glossema Jacobi, ubi citatur catholicon bra- chylogus aut Mammaetrectus, quos olim ceu rarum thesaurum aureis literis descriptos habebant monachorum bibliothecae. Man ſieht wie ſehr ſich die Methode veraͤnderte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0301" n="283"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Bewegungen in der gelehrten Literatur</hi>.</fw><lb/> <p>Überhaupt können wir ſagen, daß die Tendenzen der<lb/> literariſchen Oppoſition den Sieg davon trugen. Freudig<lb/> ſieht Erasmus im J. 1518 um ſich her; allenthalben ſind<lb/> ſeine Schüler und Anhänger auf den Univerſitäten einge-<lb/> drungen, zuletzt auch in Leipzig, das ſich ſo lange gehalten<lb/> hatte: alles Lehrer der alten Literatur. <note place="foot" n="1">In der Schrift <hi rendition="#aq">de ratione conscribendi epistolas,</hi> deren<lb/> Zuſchrift vom Jahr 1522 iſt, ruft er aus: Ausg. v. 1534 <hi rendition="#aq">p. 71.<lb/> Videmus quantum profectum sit paucis annis. Vbi nunc est Mi-<lb/> chael Modista, ubi glossema Jacobi, ubi citatur catholicon bra-<lb/> chylogus aut Mammaetrectus, quos olim ceu rarum thesaurum<lb/> aureis literis descriptos habebant monachorum bibliothecae</hi>. Man<lb/> ſieht wie ſehr ſich die Methode veraͤnderte.</note></p><lb/> <p>Sollten die großen Alten vergeblich gelebt haben?<lb/> Sollten ihre Werke, in der Jugend der Menſchheit ver-<lb/> faßt, mit deren Schönheit und innerer Vortrefflichkeit ſich<lb/> nichts vergleichen läßt was ſeitdem entſprungen, den ſpä-<lb/> tern Jahrhunderten nicht zurückgegeben, in ihrer Urſprüng-<lb/> lichkeit zur Anſchauung gebracht werden? Es iſt ein uni-<lb/> verſalhiſtoriſches Ereigniß, daß nach ſo viel völkerzerſtören-<lb/> den völkergründenden Bewegungen, in denen die alte Welt<lb/> vorlängſt zu Grunde gegangen, alle ihre Elemente mit an-<lb/> deren Stoffen verſetzt worden, die Reliquien ihres Gei-<lb/> ſtes, die jetzt keine andre Wirkung mehr haben konn-<lb/> ten als eine formelle, mit einem früher nie gekannten<lb/> Wetteifer aufgeſucht, in weiten Kreiſen verbreitet, ſtudirt<lb/> und nachgeahmt wurden.</p><lb/> <p>In der deutſchen Nation war dieß Studium gleich<lb/> bei der erſten Einführung des Chriſtenthums gepflanzt, in<lb/> dem 10ten und 11ten Jahrhundert zu einer nicht geringen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [283/0301]
Bewegungen in der gelehrten Literatur.
Überhaupt können wir ſagen, daß die Tendenzen der
literariſchen Oppoſition den Sieg davon trugen. Freudig
ſieht Erasmus im J. 1518 um ſich her; allenthalben ſind
ſeine Schüler und Anhänger auf den Univerſitäten einge-
drungen, zuletzt auch in Leipzig, das ſich ſo lange gehalten
hatte: alles Lehrer der alten Literatur. 1
Sollten die großen Alten vergeblich gelebt haben?
Sollten ihre Werke, in der Jugend der Menſchheit ver-
faßt, mit deren Schönheit und innerer Vortrefflichkeit ſich
nichts vergleichen läßt was ſeitdem entſprungen, den ſpä-
tern Jahrhunderten nicht zurückgegeben, in ihrer Urſprüng-
lichkeit zur Anſchauung gebracht werden? Es iſt ein uni-
verſalhiſtoriſches Ereigniß, daß nach ſo viel völkerzerſtören-
den völkergründenden Bewegungen, in denen die alte Welt
vorlängſt zu Grunde gegangen, alle ihre Elemente mit an-
deren Stoffen verſetzt worden, die Reliquien ihres Gei-
ſtes, die jetzt keine andre Wirkung mehr haben konn-
ten als eine formelle, mit einem früher nie gekannten
Wetteifer aufgeſucht, in weiten Kreiſen verbreitet, ſtudirt
und nachgeahmt wurden.
In der deutſchen Nation war dieß Studium gleich
bei der erſten Einführung des Chriſtenthums gepflanzt, in
dem 10ten und 11ten Jahrhundert zu einer nicht geringen
1 In der Schrift de ratione conscribendi epistolas, deren
Zuſchrift vom Jahr 1522 iſt, ruft er aus: Ausg. v. 1534 p. 71.
Videmus quantum profectum sit paucis annis. Vbi nunc est Mi-
chael Modista, ubi glossema Jacobi, ubi citatur catholicon bra-
chylogus aut Mammaetrectus, quos olim ceu rarum thesaurum
aureis literis descriptos habebant monachorum bibliothecae. Man
ſieht wie ſehr ſich die Methode veraͤnderte.
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