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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Einleitung.
er aus Liebe zu einem später geborenen Sohn das doch ver-
suchte. Die aufgebrachte Geistlichkeit verband sich mit sei-
nen älteren, über die Art und Weise der Reichsverwaltung
ohnehin mißvergnügten Söhnen: der Oberpriester kam in
Person von Rom herbei und erklärte sich zu ihren Gun-
sten: ein allgemeiner Abfall erfolgte. Ja diese erste Macht-
entwickelung genügte der Geistlichkeit noch nicht einmal.
Um ihrer Sache für immer gewiß zu seyn, vereinigte sie
sich zu dem verwegenen Unternehmen, den geborenen und
gesalbten Kaiser, dem sie jetzt nicht mehr traute, seiner ge-
heiligten Würde, die er ihr wenigstens nicht verdankte, zu
entsetzen, und dieselbe auf den im J. 817 bestimmten Thron-
folger, den natürlichen Repräsentanten der Einheit des Rei-
ches unmittelbar zu übertragen. Wenn es unläugbar ist,
daß die geistliche Macht im achten Jahrhundert zur Grün-
dung des Gehorsams im Reiche vieles beigetragen hatte,
so schritt sie in dem neunten auf das rascheste dazu, die
Herrschaft selbst in die Hände zu nehmen. Schon in der
Capitulariensammlung des Benedictus Levita wird es als
einer der obersten Grundsätze betrachtet, daß keine Consti-
tution der Welt gegen die Beschlüsse der römischen Päpste
Gültigkeit habe; bei einem und dem anderen Kanon wer-
den die Könige, die dagegen handeln sollten, mit göttli-
chen Strafen bedroht. 1 Die Monarchie Carls des Gro-

1 Benedicti Capitularia lib. II, 322. "velut praevaricator
catholicae fidei semper a domino reus existat quicunque regum
canonis hujus censuram permiserit violandam." lib. III, 346. "Con-
stitutiones contra decreta praesulum romanorum nullius sunt mo-
menti."

Einleitung.
er aus Liebe zu einem ſpäter geborenen Sohn das doch ver-
ſuchte. Die aufgebrachte Geiſtlichkeit verband ſich mit ſei-
nen älteren, über die Art und Weiſe der Reichsverwaltung
ohnehin mißvergnügten Söhnen: der Oberprieſter kam in
Perſon von Rom herbei und erklärte ſich zu ihren Gun-
ſten: ein allgemeiner Abfall erfolgte. Ja dieſe erſte Macht-
entwickelung genügte der Geiſtlichkeit noch nicht einmal.
Um ihrer Sache für immer gewiß zu ſeyn, vereinigte ſie
ſich zu dem verwegenen Unternehmen, den geborenen und
geſalbten Kaiſer, dem ſie jetzt nicht mehr traute, ſeiner ge-
heiligten Würde, die er ihr wenigſtens nicht verdankte, zu
entſetzen, und dieſelbe auf den im J. 817 beſtimmten Thron-
folger, den natürlichen Repräſentanten der Einheit des Rei-
ches unmittelbar zu übertragen. Wenn es unläugbar iſt,
daß die geiſtliche Macht im achten Jahrhundert zur Grün-
dung des Gehorſams im Reiche vieles beigetragen hatte,
ſo ſchritt ſie in dem neunten auf das raſcheſte dazu, die
Herrſchaft ſelbſt in die Hände zu nehmen. Schon in der
Capitularienſammlung des Benedictus Levita wird es als
einer der oberſten Grundſätze betrachtet, daß keine Conſti-
tution der Welt gegen die Beſchlüſſe der römiſchen Päpſte
Gültigkeit habe; bei einem und dem anderen Kanon wer-
den die Könige, die dagegen handeln ſollten, mit göttli-
chen Strafen bedroht. 1 Die Monarchie Carls des Gro-

1 Benedicti Capitularia lib. II, 322. „velut praevaricator
catholicae fidei semper a domino reus existat quicunque regum
canonis hujus censuram permiserit violandam.“ lib. III, 346. „Con-
stitutiones contra decreta praesulum romanorum nullius sunt mo-
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[12/0030] Einleitung. er aus Liebe zu einem ſpäter geborenen Sohn das doch ver- ſuchte. Die aufgebrachte Geiſtlichkeit verband ſich mit ſei- nen älteren, über die Art und Weiſe der Reichsverwaltung ohnehin mißvergnügten Söhnen: der Oberprieſter kam in Perſon von Rom herbei und erklärte ſich zu ihren Gun- ſten: ein allgemeiner Abfall erfolgte. Ja dieſe erſte Macht- entwickelung genügte der Geiſtlichkeit noch nicht einmal. Um ihrer Sache für immer gewiß zu ſeyn, vereinigte ſie ſich zu dem verwegenen Unternehmen, den geborenen und geſalbten Kaiſer, dem ſie jetzt nicht mehr traute, ſeiner ge- heiligten Würde, die er ihr wenigſtens nicht verdankte, zu entſetzen, und dieſelbe auf den im J. 817 beſtimmten Thron- folger, den natürlichen Repräſentanten der Einheit des Rei- ches unmittelbar zu übertragen. Wenn es unläugbar iſt, daß die geiſtliche Macht im achten Jahrhundert zur Grün- dung des Gehorſams im Reiche vieles beigetragen hatte, ſo ſchritt ſie in dem neunten auf das raſcheſte dazu, die Herrſchaft ſelbſt in die Hände zu nehmen. Schon in der Capitularienſammlung des Benedictus Levita wird es als einer der oberſten Grundſätze betrachtet, daß keine Conſti- tution der Welt gegen die Beſchlüſſe der römiſchen Päpſte Gültigkeit habe; bei einem und dem anderen Kanon wer- den die Könige, die dagegen handeln ſollten, mit göttli- chen Strafen bedroht. 1 Die Monarchie Carls des Gro- 1 Benedicti Capitularia lib. II, 322. „velut praevaricator catholicae fidei semper a domino reus existat quicunque regum canonis hujus censuram permiserit violandam.“ lib. III, 346. „Con- stitutiones contra decreta praesulum romanorum nullius sunt mo- menti.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/30>, abgerufen am 21.11.2024.