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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Bewegungen in der gelehrten Literatur.
in Eichstädt, die Dechanten Andreas Fuchs zu Bamberg,
Lorenz Truchseß zu Mainz, Wolfgang Tanberg zu Passau,
Jacob de Bannissis zu Trient; der einflußreichste geheime
Rath des Kaisers, Cardinal Lang gehörte dieser Meinung
selber an. Auch die höhere Geistlichkeit wollte die drohende
Inquisition nicht wieder zu Kräften kommen lassen.

Jene Inquisition gegen Wesalia hatte Churf. Diether
wider seinen Willen und nur darum zugegeben, weil er
fürchtete, die mächtigen Dominicaner möchten etwa ihm
eine zweite Absetzung auswirken: 1 jetzt aber waren sie so
furchtbar nicht mehr; der Dechant Lorenz Truchseß ver-
anlaßte, daß als das Gericht schon seine Sitze eingenom-
men hatte um das Urtheil zu sprechen, der Churfürst
demselben Stillstand gebieten und seine Beamten davon
abrufen ließ. 2

Ja im Interesse Reuchlins ward darauf ein andres
Gericht vor dem Bischof zu Speier niedergesetzt, kraft ei-
ner von Rom ausgebrachten Commission; dieses sprach am
24 April 1514 das Urtheil, daß den Anklägern Reuchlins,
die ihn lügnerisch verläumdet, ein ewiges Stillschweigen
und die Erstattung der Kosten aufzuerlegen sey. 3

So weit verbreitet und mächtig war die Antipathie,

1 Auch damals hatte Diether das Gericht nur zugegeben "co-
gentibus Thomistis quibusdam, veritus ne denuo ab episcopatu
ejiceretur jussu romano pontificis. (Examen Wesaliae Fasc. I,

327.)
2 Aus Huttens Vorrede zum Livius Opp. III, p. 334 ed.
Münch ergiebt sich der Antheil von Lorenz Truchseß "quodam suo
divino consilio."
3 Acta judiciorum bei v. d. Hardt Historia lit. Reforma-
tionis
114. Die Hauptquelle für diese Ereignisse.

Bewegungen in der gelehrten Literatur.
in Eichſtädt, die Dechanten Andreas Fuchs zu Bamberg,
Lorenz Truchſeß zu Mainz, Wolfgang Tanberg zu Paſſau,
Jacob de Banniſſis zu Trient; der einflußreichſte geheime
Rath des Kaiſers, Cardinal Lang gehörte dieſer Meinung
ſelber an. Auch die höhere Geiſtlichkeit wollte die drohende
Inquiſition nicht wieder zu Kräften kommen laſſen.

Jene Inquiſition gegen Weſalia hatte Churf. Diether
wider ſeinen Willen und nur darum zugegeben, weil er
fürchtete, die mächtigen Dominicaner möchten etwa ihm
eine zweite Abſetzung auswirken: 1 jetzt aber waren ſie ſo
furchtbar nicht mehr; der Dechant Lorenz Truchſeß ver-
anlaßte, daß als das Gericht ſchon ſeine Sitze eingenom-
men hatte um das Urtheil zu ſprechen, der Churfürſt
demſelben Stillſtand gebieten und ſeine Beamten davon
abrufen ließ. 2

Ja im Intereſſe Reuchlins ward darauf ein andres
Gericht vor dem Biſchof zu Speier niedergeſetzt, kraft ei-
ner von Rom ausgebrachten Commiſſion; dieſes ſprach am
24 April 1514 das Urtheil, daß den Anklägern Reuchlins,
die ihn lügneriſch verläumdet, ein ewiges Stillſchweigen
und die Erſtattung der Koſten aufzuerlegen ſey. 3

So weit verbreitet und mächtig war die Antipathie,

1 Auch damals hatte Diether das Gericht nur zugegeben „co-
gentibus Thomistis quibusdam, veritus ne denuo ab episcopatu
ejiceretur jussu romano pontificis. (Examen Wesaliae Fasc. I,

327.)
2 Aus Huttens Vorrede zum Livius Opp. III, p. 334 ed.
Muͤnch ergiebt ſich der Antheil von Lorenz Truchſeß „quodam suo
divino consilio.“
3 Acta judiciorum bei v. d. Hardt Historia lit. Reforma-
tionis
114. Die Hauptquelle fuͤr dieſe Ereigniſſe.
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[279/0297] Bewegungen in der gelehrten Literatur. in Eichſtädt, die Dechanten Andreas Fuchs zu Bamberg, Lorenz Truchſeß zu Mainz, Wolfgang Tanberg zu Paſſau, Jacob de Banniſſis zu Trient; der einflußreichſte geheime Rath des Kaiſers, Cardinal Lang gehörte dieſer Meinung ſelber an. Auch die höhere Geiſtlichkeit wollte die drohende Inquiſition nicht wieder zu Kräften kommen laſſen. Jene Inquiſition gegen Weſalia hatte Churf. Diether wider ſeinen Willen und nur darum zugegeben, weil er fürchtete, die mächtigen Dominicaner möchten etwa ihm eine zweite Abſetzung auswirken: 1 jetzt aber waren ſie ſo furchtbar nicht mehr; der Dechant Lorenz Truchſeß ver- anlaßte, daß als das Gericht ſchon ſeine Sitze eingenom- men hatte um das Urtheil zu ſprechen, der Churfürſt demſelben Stillſtand gebieten und ſeine Beamten davon abrufen ließ. 2 Ja im Intereſſe Reuchlins ward darauf ein andres Gericht vor dem Biſchof zu Speier niedergeſetzt, kraft ei- ner von Rom ausgebrachten Commiſſion; dieſes ſprach am 24 April 1514 das Urtheil, daß den Anklägern Reuchlins, die ihn lügneriſch verläumdet, ein ewiges Stillſchweigen und die Erſtattung der Koſten aufzuerlegen ſey. 3 So weit verbreitet und mächtig war die Antipathie, 1 Auch damals hatte Diether das Gericht nur zugegeben „co- gentibus Thomistis quibusdam, veritus ne denuo ab episcopatu ejiceretur jussu romano pontificis. (Examen Wesaliae Fasc. I, 327.) 2 Aus Huttens Vorrede zum Livius Opp. III, p. 334 ed. Muͤnch ergiebt ſich der Antheil von Lorenz Truchſeß „quodam suo divino consilio.“ 3 Acta judiciorum bei v. d. Hardt Historia lit. Reforma- tionis 114. Die Hauptquelle fuͤr dieſe Ereigniſſe.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/297>, abgerufen am 23.11.2024.