ten Jahrhunderts wiederholten sich nun die Vacanzen drei Mal rasch hinter einander; 1505, 1508, 1513; Jacob von Liebenstein sagte, er bedaure seinen Tod hauptsächlich deshalb, weil sein Land nun schon wieder jene Gefälle zah- len müsse; aber beim päpstlichen Hofe war alle Verwen- dung vergeblich; ehe noch die alte Anlage eingegangen war, wurde schon wieder eine neue ausgeschrieben.
Welchen Eindruck mußte es hervorbringen, wenn man daran dachte, wie die Reichstäge nach den mühsamsten Unterhandlungen doch in der Regel nur geringfügige Be- willigungen machten, wie viel Schwierigkeit es hatte diese aufzubringen, und wenn man nun die Summen dagegen hielt, die so leicht so ohne alle Bemühung nach Rom flossen. Man berechnete sie jährlich auf 300000 G., und zwar noch ohne die Proceßkosten oder den Ertrag der Pfründen, der dem römischen Hofe zufalle. 1 Und wozu, fragte man dann, nütze das alles? Die Christenheit habe doch in kurzer Zeit zwei Kaiserthümer, vierzehn Königreiche, dreihundert Städte verloren; gegen die Türken sey sie in unaufhörlichem Ver- luste; behalte die deutsche Nation jene Summen zu ihren Handen und verwende sie selber, sie würde mit ihren ge- waltigen Kriegsheeren dem Erbfeind anders begegnen!
Überhaupt erregte dieß finanzielle Moment die größte Aufmerksamkeit. Den Barfüssern wollte man nachrechnen, daß ihnen, denen kein Geld anzurühren erlaubt sey, doch
1 Das ist z. B. die Rechnung des Büchleins: Ein klägliche Klag 1521, die ich indeß damit nicht will angenommen haben. Über- haupt möchte es wohl unmöglich seyn, dem römischen Hof nach zu rechnen. Die Taxe der Annaten in Trier betrug z. B. gesetzlich nur 10000 G. und doch stiegen die wirklichen Kosten auf 20000.
Zweites Buch. Erſtes Capitel.
ten Jahrhunderts wiederholten ſich nun die Vacanzen drei Mal raſch hinter einander; 1505, 1508, 1513; Jacob von Liebenſtein ſagte, er bedaure ſeinen Tod hauptſächlich deshalb, weil ſein Land nun ſchon wieder jene Gefälle zah- len müſſe; aber beim päpſtlichen Hofe war alle Verwen- dung vergeblich; ehe noch die alte Anlage eingegangen war, wurde ſchon wieder eine neue ausgeſchrieben.
Welchen Eindruck mußte es hervorbringen, wenn man daran dachte, wie die Reichstäge nach den mühſamſten Unterhandlungen doch in der Regel nur geringfügige Be- willigungen machten, wie viel Schwierigkeit es hatte dieſe aufzubringen, und wenn man nun die Summen dagegen hielt, die ſo leicht ſo ohne alle Bemühung nach Rom floſſen. Man berechnete ſie jährlich auf 300000 G., und zwar noch ohne die Proceßkoſten oder den Ertrag der Pfründen, der dem römiſchen Hofe zufalle. 1 Und wozu, fragte man dann, nütze das alles? Die Chriſtenheit habe doch in kurzer Zeit zwei Kaiſerthümer, vierzehn Königreiche, dreihundert Städte verloren; gegen die Türken ſey ſie in unaufhörlichem Ver- luſte; behalte die deutſche Nation jene Summen zu ihren Handen und verwende ſie ſelber, ſie würde mit ihren ge- waltigen Kriegsheeren dem Erbfeind anders begegnen!
Überhaupt erregte dieß finanzielle Moment die größte Aufmerkſamkeit. Den Barfüſſern wollte man nachrechnen, daß ihnen, denen kein Geld anzurühren erlaubt ſey, doch
1 Das iſt z. B. die Rechnung des Buͤchleins: Ein klaͤgliche Klag 1521, die ich indeß damit nicht will angenommen haben. Uͤber- haupt moͤchte es wohl unmoͤglich ſeyn, dem roͤmiſchen Hof nach zu rechnen. Die Taxe der Annaten in Trier betrug z. B. geſetzlich nur 10000 G. und doch ſtiegen die wirklichen Koſten auf 20000.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0270"n="252"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweites Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/>
ten Jahrhunderts wiederholten ſich nun die Vacanzen drei<lb/>
Mal raſch hinter einander; 1505, 1508, 1513; Jacob<lb/>
von Liebenſtein ſagte, er bedaure ſeinen Tod hauptſächlich<lb/>
deshalb, weil ſein Land nun ſchon wieder jene Gefälle zah-<lb/>
len müſſe; aber beim päpſtlichen Hofe war alle Verwen-<lb/>
dung vergeblich; ehe noch die alte Anlage eingegangen war,<lb/>
wurde ſchon wieder eine neue ausgeſchrieben.</p><lb/><p>Welchen Eindruck mußte es hervorbringen, wenn man<lb/>
daran dachte, wie die Reichstäge nach den mühſamſten<lb/>
Unterhandlungen doch in der Regel nur geringfügige Be-<lb/>
willigungen machten, wie viel Schwierigkeit es hatte dieſe<lb/>
aufzubringen, und wenn man nun die Summen dagegen<lb/>
hielt, die ſo leicht ſo ohne alle Bemühung nach Rom floſſen.<lb/>
Man berechnete ſie jährlich auf 300000 G., und zwar noch<lb/>
ohne die Proceßkoſten oder den Ertrag der Pfründen, der<lb/>
dem römiſchen Hofe zufalle. <noteplace="foot"n="1">Das iſt z. B. die Rechnung des Buͤchleins: Ein klaͤgliche<lb/>
Klag 1521, die ich indeß damit nicht will angenommen haben. Uͤber-<lb/>
haupt moͤchte es wohl unmoͤglich ſeyn, dem roͤmiſchen Hof nach zu<lb/>
rechnen. Die Taxe der Annaten in Trier betrug z. B. geſetzlich nur<lb/>
10000 G. und doch ſtiegen die wirklichen Koſten auf 20000.</note> Und wozu, fragte man dann,<lb/>
nütze das alles? Die Chriſtenheit habe doch in kurzer Zeit<lb/>
zwei Kaiſerthümer, vierzehn Königreiche, dreihundert Städte<lb/>
verloren; gegen die Türken ſey ſie in unaufhörlichem Ver-<lb/>
luſte; behalte die deutſche Nation jene Summen zu ihren<lb/>
Handen und verwende ſie ſelber, ſie würde mit ihren ge-<lb/>
waltigen Kriegsheeren dem Erbfeind anders begegnen!</p><lb/><p>Überhaupt erregte dieß finanzielle Moment die größte<lb/>
Aufmerkſamkeit. Den Barfüſſern wollte man nachrechnen,<lb/>
daß ihnen, denen kein Geld anzurühren erlaubt ſey, doch<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[252/0270]
Zweites Buch. Erſtes Capitel.
ten Jahrhunderts wiederholten ſich nun die Vacanzen drei
Mal raſch hinter einander; 1505, 1508, 1513; Jacob
von Liebenſtein ſagte, er bedaure ſeinen Tod hauptſächlich
deshalb, weil ſein Land nun ſchon wieder jene Gefälle zah-
len müſſe; aber beim päpſtlichen Hofe war alle Verwen-
dung vergeblich; ehe noch die alte Anlage eingegangen war,
wurde ſchon wieder eine neue ausgeſchrieben.
Welchen Eindruck mußte es hervorbringen, wenn man
daran dachte, wie die Reichstäge nach den mühſamſten
Unterhandlungen doch in der Regel nur geringfügige Be-
willigungen machten, wie viel Schwierigkeit es hatte dieſe
aufzubringen, und wenn man nun die Summen dagegen
hielt, die ſo leicht ſo ohne alle Bemühung nach Rom floſſen.
Man berechnete ſie jährlich auf 300000 G., und zwar noch
ohne die Proceßkoſten oder den Ertrag der Pfründen, der
dem römiſchen Hofe zufalle. 1 Und wozu, fragte man dann,
nütze das alles? Die Chriſtenheit habe doch in kurzer Zeit
zwei Kaiſerthümer, vierzehn Königreiche, dreihundert Städte
verloren; gegen die Türken ſey ſie in unaufhörlichem Ver-
luſte; behalte die deutſche Nation jene Summen zu ihren
Handen und verwende ſie ſelber, ſie würde mit ihren ge-
waltigen Kriegsheeren dem Erbfeind anders begegnen!
Überhaupt erregte dieß finanzielle Moment die größte
Aufmerkſamkeit. Den Barfüſſern wollte man nachrechnen,
daß ihnen, denen kein Geld anzurühren erlaubt ſey, doch
1 Das iſt z. B. die Rechnung des Buͤchleins: Ein klaͤgliche
Klag 1521, die ich indeß damit nicht will angenommen haben. Uͤber-
haupt moͤchte es wohl unmoͤglich ſeyn, dem roͤmiſchen Hof nach zu
rechnen. Die Taxe der Annaten in Trier betrug z. B. geſetzlich nur
10000 G. und doch ſtiegen die wirklichen Koſten auf 20000.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/270>, abgerufen am 21.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.