So viel bedeutete sein Übergewicht doch nicht, daß man diese Vorschläge von ihm hätte annehmen müssen.
Und war es wohl überhaupt möglich, auf Einrich- tungen zurückzukommen, die sich so unausführbar erwiesen hatten? War nicht die Territorialhoheit viel zu weit ent- wickelt, als daß sie so umfassenden und eingreifenden Maaß- regeln hätte die Hand bieten, oder vor ihnen zurückwei- chen sollen?
Es hätte sich höchstens alsdann denken lassen, wenn zugleich ein Ausschuß aus der Mitte der Fürsten die Summe der Gewalt in seine Hände bekam; daß sie aber ihre Stel- lung aufgeben sollten zu Gunsten des Königs war nimmer- mehr zu erwarten.
Der Reichstag von Cölln ist nun dadurch bemerkens- werth, daß man aufhörte sich über die Lage der Dinge zu täuschen. Die Gedanken, welche die letzten Jahre Frie- drichs III und das erste Jahrzehend Maximilians beherr- schen, die Versuche, die man macht, es zu einer wahren und allumfassenden Einheit der Nation, zu einer Vereini- gung ihrer Kräfte, zu einer Allen genügenden, alle Bedürf- nisse erfüllenden Regierungsform zu bringen, sind ewig denkwürdig; aber es waren Ideale, die sich nicht mehr erreichen ließen. Die Stände waren zu einer eigentlichen Unterwerfung nicht mehr zu bringen; der König war nicht zufrieden, bloß ein Präsident der Stände zu seyn. Jetzt kam man davon zurück.
In Cölln weigerten sich die Stände nicht dem König Hülfe zu leisten, jedoch weder durch einen gemeinen Pfen- nig, noch durch einen Anschlag auf die Pfarren im Reich,
Erſtes Buch.
So viel bedeutete ſein Übergewicht doch nicht, daß man dieſe Vorſchläge von ihm hätte annehmen müſſen.
Und war es wohl überhaupt möglich, auf Einrich- tungen zurückzukommen, die ſich ſo unausführbar erwieſen hatten? War nicht die Territorialhoheit viel zu weit ent- wickelt, als daß ſie ſo umfaſſenden und eingreifenden Maaß- regeln hätte die Hand bieten, oder vor ihnen zurückwei- chen ſollen?
Es hätte ſich höchſtens alsdann denken laſſen, wenn zugleich ein Ausſchuß aus der Mitte der Fürſten die Summe der Gewalt in ſeine Hände bekam; daß ſie aber ihre Stel- lung aufgeben ſollten zu Gunſten des Königs war nimmer- mehr zu erwarten.
Der Reichstag von Cölln iſt nun dadurch bemerkens- werth, daß man aufhörte ſich über die Lage der Dinge zu täuſchen. Die Gedanken, welche die letzten Jahre Frie- drichs III und das erſte Jahrzehend Maximilians beherr- ſchen, die Verſuche, die man macht, es zu einer wahren und allumfaſſenden Einheit der Nation, zu einer Vereini- gung ihrer Kräfte, zu einer Allen genügenden, alle Bedürf- niſſe erfüllenden Regierungsform zu bringen, ſind ewig denkwürdig; aber es waren Ideale, die ſich nicht mehr erreichen ließen. Die Stände waren zu einer eigentlichen Unterwerfung nicht mehr zu bringen; der König war nicht zufrieden, bloß ein Präſident der Stände zu ſeyn. Jetzt kam man davon zurück.
In Cölln weigerten ſich die Stände nicht dem König Hülfe zu leiſten, jedoch weder durch einen gemeinen Pfen- nig, noch durch einen Anſchlag auf die Pfarren im Reich,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0184"n="166"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſtes Buch</hi>.</fw><lb/><p>So viel bedeutete ſein Übergewicht doch nicht, daß<lb/>
man dieſe Vorſchläge von ihm hätte annehmen müſſen.</p><lb/><p>Und war es wohl überhaupt möglich, auf Einrich-<lb/>
tungen zurückzukommen, die ſich ſo unausführbar erwieſen<lb/>
hatten? War nicht die Territorialhoheit viel zu weit ent-<lb/>
wickelt, als daß ſie ſo umfaſſenden und eingreifenden Maaß-<lb/>
regeln hätte die Hand bieten, oder vor ihnen zurückwei-<lb/>
chen ſollen?</p><lb/><p>Es hätte ſich höchſtens alsdann denken laſſen, wenn<lb/>
zugleich ein Ausſchuß aus der Mitte der Fürſten die Summe<lb/>
der Gewalt in ſeine Hände bekam; daß ſie aber ihre Stel-<lb/>
lung aufgeben ſollten zu Gunſten des Königs war nimmer-<lb/>
mehr zu erwarten.</p><lb/><p>Der Reichstag von Cölln iſt nun dadurch bemerkens-<lb/>
werth, daß man aufhörte ſich über die Lage der Dinge<lb/>
zu täuſchen. Die Gedanken, welche die letzten Jahre Frie-<lb/>
drichs <hirendition="#aq">III</hi> und das erſte Jahrzehend Maximilians beherr-<lb/>ſchen, die Verſuche, die man macht, es zu einer wahren<lb/>
und allumfaſſenden Einheit der Nation, zu einer Vereini-<lb/>
gung ihrer Kräfte, zu einer Allen genügenden, alle Bedürf-<lb/>
niſſe erfüllenden Regierungsform zu bringen, ſind ewig<lb/>
denkwürdig; aber es waren Ideale, die ſich nicht mehr<lb/>
erreichen ließen. Die Stände waren zu einer eigentlichen<lb/>
Unterwerfung nicht mehr zu bringen; der König war nicht<lb/>
zufrieden, bloß ein Präſident der Stände zu ſeyn. Jetzt<lb/>
kam man davon zurück.</p><lb/><p>In Cölln weigerten ſich die Stände nicht dem König<lb/>
Hülfe zu leiſten, jedoch weder durch einen gemeinen Pfen-<lb/>
nig, noch durch einen Anſchlag auf die Pfarren im Reich,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[166/0184]
Erſtes Buch.
So viel bedeutete ſein Übergewicht doch nicht, daß
man dieſe Vorſchläge von ihm hätte annehmen müſſen.
Und war es wohl überhaupt möglich, auf Einrich-
tungen zurückzukommen, die ſich ſo unausführbar erwieſen
hatten? War nicht die Territorialhoheit viel zu weit ent-
wickelt, als daß ſie ſo umfaſſenden und eingreifenden Maaß-
regeln hätte die Hand bieten, oder vor ihnen zurückwei-
chen ſollen?
Es hätte ſich höchſtens alsdann denken laſſen, wenn
zugleich ein Ausſchuß aus der Mitte der Fürſten die Summe
der Gewalt in ſeine Hände bekam; daß ſie aber ihre Stel-
lung aufgeben ſollten zu Gunſten des Königs war nimmer-
mehr zu erwarten.
Der Reichstag von Cölln iſt nun dadurch bemerkens-
werth, daß man aufhörte ſich über die Lage der Dinge
zu täuſchen. Die Gedanken, welche die letzten Jahre Frie-
drichs III und das erſte Jahrzehend Maximilians beherr-
ſchen, die Verſuche, die man macht, es zu einer wahren
und allumfaſſenden Einheit der Nation, zu einer Vereini-
gung ihrer Kräfte, zu einer Allen genügenden, alle Bedürf-
niſſe erfüllenden Regierungsform zu bringen, ſind ewig
denkwürdig; aber es waren Ideale, die ſich nicht mehr
erreichen ließen. Die Stände waren zu einer eigentlichen
Unterwerfung nicht mehr zu bringen; der König war nicht
zufrieden, bloß ein Präſident der Stände zu ſeyn. Jetzt
kam man davon zurück.
In Cölln weigerten ſich die Stände nicht dem König
Hülfe zu leiſten, jedoch weder durch einen gemeinen Pfen-
nig, noch durch einen Anſchlag auf die Pfarren im Reich,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/184>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.