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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Erstes Buch.
gundischen Hof seine Schule machen lassen, dazu brauchen,
um ihn mit Maximilian zu versöhnen. Eine Reichsversamm-
lung, von der im Sommer 1504 die Rede gewesen, hatte der
römische König damals vermieden. Erst nachdem das
Übergewicht seiner Waffen völlig entschieden war, im Fe-
bruar 1505, ließ er allgemeinen Stillstand eintreten, und
berief einen Reichstag nach Cölln, der sich im Juny die-
ses Jahres versammelte, um hier die aufs neue in seine
Hand gegebene Schlichtung alle der wichtigen Streitfragen
die aus dieser Sache entsprangen zu unternehmen. 1

Wie ganz anders erschien er nun in der Mitte der
Stände als früher; nach einem glücklich geendigten Kriege,
mit erneuertem Ruhm persönlicher Tapferkeit: von einer
Schaar ergebner Anhänger unterstützt, welche die Erobe-
rungen, die sie gemacht, durch seine Gunst zu behalten
hofften, auch von den Besiegten verehrt, welche ihr Geschick
in seine Hand gegeben. Auch die europäischen Angelegen-

1 Eine der wunderlichsten Auffassungen dieser Verhältnisse fin-
det sich in dem Viaggio in Alemagna di Francesco Vettori, Paris
1837, p.
95, aus dem Munde eines Goldschmidts zu Überlin-
gen. Da ist der Pfalzgraf mit Schweizern und Franzosen ver-
bündet; schon der Schweizerkrieg wird von ihm veranlaßt: hier-
auf schließt aber Maximilian einen Vertrag mit Frankreich zu Ha-
genau 1502 (er fand bekanntlich 1505 statt); und nun greift er den
Pfalzgrafen an, der die Böhmen zu Hülfe ruft, aber sie dann sel-
ber im Stiche läßt, so daß sie geschlagen werden. Es ist das wie-
der ein Beispiel wie die Geschichte auf der Stelle zur Mythe wird;
im Einzelnen ist alles unrichtig, das Ganze nicht völlig ohne Wahr-
heit. Vettori findet doch selbst die Erzählungen des Goldschmidts
ohne Ordnung und Zuverläßigkeit. Aber gern nimmt er sie in sein
Heft auf, das eher dem Decameron ähnlich sieht, als einem Reise-
tagebuche.

Erſtes Buch.
gundiſchen Hof ſeine Schule machen laſſen, dazu brauchen,
um ihn mit Maximilian zu verſöhnen. Eine Reichsverſamm-
lung, von der im Sommer 1504 die Rede geweſen, hatte der
römiſche König damals vermieden. Erſt nachdem das
Übergewicht ſeiner Waffen völlig entſchieden war, im Fe-
bruar 1505, ließ er allgemeinen Stillſtand eintreten, und
berief einen Reichstag nach Cölln, der ſich im Juny die-
ſes Jahres verſammelte, um hier die aufs neue in ſeine
Hand gegebene Schlichtung alle der wichtigen Streitfragen
die aus dieſer Sache entſprangen zu unternehmen. 1

Wie ganz anders erſchien er nun in der Mitte der
Stände als früher; nach einem glücklich geendigten Kriege,
mit erneuertem Ruhm perſönlicher Tapferkeit: von einer
Schaar ergebner Anhänger unterſtützt, welche die Erobe-
rungen, die ſie gemacht, durch ſeine Gunſt zu behalten
hofften, auch von den Beſiegten verehrt, welche ihr Geſchick
in ſeine Hand gegeben. Auch die europäiſchen Angelegen-

1 Eine der wunderlichſten Auffaſſungen dieſer Verhaͤltniſſe fin-
det ſich in dem Viaggio in Alemagna di Francesco Vettori, Paris
1837, p.
95, aus dem Munde eines Goldſchmidts zu Uͤberlin-
gen. Da iſt der Pfalzgraf mit Schweizern und Franzoſen ver-
buͤndet; ſchon der Schweizerkrieg wird von ihm veranlaßt: hier-
auf ſchließt aber Maximilian einen Vertrag mit Frankreich zu Ha-
genau 1502 (er fand bekanntlich 1505 ſtatt); und nun greift er den
Pfalzgrafen an, der die Boͤhmen zu Huͤlfe ruft, aber ſie dann ſel-
ber im Stiche laͤßt, ſo daß ſie geſchlagen werden. Es iſt das wie-
der ein Beiſpiel wie die Geſchichte auf der Stelle zur Mythe wird;
im Einzelnen iſt alles unrichtig, das Ganze nicht voͤllig ohne Wahr-
heit. Vettori findet doch ſelbſt die Erzaͤhlungen des Goldſchmidts
ohne Ordnung und Zuverlaͤßigkeit. Aber gern nimmt er ſie in ſein
Heft auf, das eher dem Decameron aͤhnlich ſieht, als einem Reiſe-
tagebuche.
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[162/0180] Erſtes Buch. gundiſchen Hof ſeine Schule machen laſſen, dazu brauchen, um ihn mit Maximilian zu verſöhnen. Eine Reichsverſamm- lung, von der im Sommer 1504 die Rede geweſen, hatte der römiſche König damals vermieden. Erſt nachdem das Übergewicht ſeiner Waffen völlig entſchieden war, im Fe- bruar 1505, ließ er allgemeinen Stillſtand eintreten, und berief einen Reichstag nach Cölln, der ſich im Juny die- ſes Jahres verſammelte, um hier die aufs neue in ſeine Hand gegebene Schlichtung alle der wichtigen Streitfragen die aus dieſer Sache entſprangen zu unternehmen. 1 Wie ganz anders erſchien er nun in der Mitte der Stände als früher; nach einem glücklich geendigten Kriege, mit erneuertem Ruhm perſönlicher Tapferkeit: von einer Schaar ergebner Anhänger unterſtützt, welche die Erobe- rungen, die ſie gemacht, durch ſeine Gunſt zu behalten hofften, auch von den Beſiegten verehrt, welche ihr Geſchick in ſeine Hand gegeben. Auch die europäiſchen Angelegen- 1 Eine der wunderlichſten Auffaſſungen dieſer Verhaͤltniſſe fin- det ſich in dem Viaggio in Alemagna di Francesco Vettori, Paris 1837, p. 95, aus dem Munde eines Goldſchmidts zu Uͤberlin- gen. Da iſt der Pfalzgraf mit Schweizern und Franzoſen ver- buͤndet; ſchon der Schweizerkrieg wird von ihm veranlaßt: hier- auf ſchließt aber Maximilian einen Vertrag mit Frankreich zu Ha- genau 1502 (er fand bekanntlich 1505 ſtatt); und nun greift er den Pfalzgrafen an, der die Boͤhmen zu Huͤlfe ruft, aber ſie dann ſel- ber im Stiche laͤßt, ſo daß ſie geſchlagen werden. Es iſt das wie- der ein Beiſpiel wie die Geſchichte auf der Stelle zur Mythe wird; im Einzelnen iſt alles unrichtig, das Ganze nicht voͤllig ohne Wahr- heit. Vettori findet doch ſelbſt die Erzaͤhlungen des Goldſchmidts ohne Ordnung und Zuverlaͤßigkeit. Aber gern nimmt er ſie in ſein Heft auf, das eher dem Decameron aͤhnlich ſieht, als einem Reiſe- tagebuche.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/180>, abgerufen am 25.11.2024.