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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Erstes Buch.
fange des Jahres 1502 war alles zu Augsburg Begon-
nene in voller Auflösung. Die Räthe des Regiments, und
die Beisitzer des Kammergerichts, die weder ihren Sold
empfiengen, noch zu einer wahren Wirksamkeit gelangen
konnten, begaben sich nach Hause. Dem König war es
eher lieb als leid. Er errichtete ein Gericht ganz in der
Weise seines Vaters, mit willkührlich gewählten Beisitzern
und präsidirte ihm selbst. Aus einem seiner Ausschreiben
sieht man, daß er eben so ein Regiment auf eigne Hand
einzurichten und durch dasselbe die in Augsburg beschlos-
sene Kriegsverfassung einseitig ins Werk zu setzen gedachte.

Ein Verfahren, das nun nothwendig eine allgemeine
Gährung hervorrief. Ein Venezianischer Gesandter, Zacca-
ria Contarini, der im Jahr 1502 in Deutschland war,
erstaunte über den allgemeinen Widerwillen, der sich gegen
den König erhoben, wie schlecht man von ihm sprach, wie
wenig man ihn achtete. 1 Maximilian dagegen sagte, er
wollte er wäre nur Herzog von Östreich, dann würde man
sich etwas aus ihm machen: als römischer König erfahre
er nur Beschimpfungen.

Noch einmal nahmen die Churfürsten es auf sich, ihm
die Widerpart zu halten. Am 30sten Juny 1502, auf
einer feierlichen Zusammenkunft zu Gelnhausen verpflichte-
ten sie sich gegen einander: in allen wichtigen Angelegen-
heiten zusammenzuhalten, auf den königlichen Tagen für

1 Relatione l. c. von 1502. Il re e assa odiato, a poca obe-
dientia in li tre stadi; questi senatori electi e venuti nimici del
re: adeo il re dice mal di loro e loro del re. Il re a ditto piu
volte vorria esser duca d'Austria, perche saria stimato duca, che
imperator e vituperato.

Erſtes Buch.
fange des Jahres 1502 war alles zu Augsburg Begon-
nene in voller Auflöſung. Die Räthe des Regiments, und
die Beiſitzer des Kammergerichts, die weder ihren Sold
empfiengen, noch zu einer wahren Wirkſamkeit gelangen
konnten, begaben ſich nach Hauſe. Dem König war es
eher lieb als leid. Er errichtete ein Gericht ganz in der
Weiſe ſeines Vaters, mit willkührlich gewählten Beiſitzern
und präſidirte ihm ſelbſt. Aus einem ſeiner Ausſchreiben
ſieht man, daß er eben ſo ein Regiment auf eigne Hand
einzurichten und durch daſſelbe die in Augsburg beſchloſ-
ſene Kriegsverfaſſung einſeitig ins Werk zu ſetzen gedachte.

Ein Verfahren, das nun nothwendig eine allgemeine
Gährung hervorrief. Ein Venezianiſcher Geſandter, Zacca-
ria Contarini, der im Jahr 1502 in Deutſchland war,
erſtaunte über den allgemeinen Widerwillen, der ſich gegen
den König erhoben, wie ſchlecht man von ihm ſprach, wie
wenig man ihn achtete. 1 Maximilian dagegen ſagte, er
wollte er wäre nur Herzog von Öſtreich, dann würde man
ſich etwas aus ihm machen: als römiſcher König erfahre
er nur Beſchimpfungen.

Noch einmal nahmen die Churfürſten es auf ſich, ihm
die Widerpart zu halten. Am 30ſten Juny 1502, auf
einer feierlichen Zuſammenkunft zu Gelnhauſen verpflichte-
ten ſie ſich gegen einander: in allen wichtigen Angelegen-
heiten zuſammenzuhalten, auf den königlichen Tagen für

1 Relatione l. c. von 1502. Il re è assa odiato, a poca obe-
dientia in li tre stadi; questi senatori electi è venuti nimici del
re: adeo il re dice mal di loro e loro del re. Il re a ditto piu
volte vorria esser duca d’Austria, perche saria stimato duca, che
imperator è vituperato.
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[148/0166] Erſtes Buch. fange des Jahres 1502 war alles zu Augsburg Begon- nene in voller Auflöſung. Die Räthe des Regiments, und die Beiſitzer des Kammergerichts, die weder ihren Sold empfiengen, noch zu einer wahren Wirkſamkeit gelangen konnten, begaben ſich nach Hauſe. Dem König war es eher lieb als leid. Er errichtete ein Gericht ganz in der Weiſe ſeines Vaters, mit willkührlich gewählten Beiſitzern und präſidirte ihm ſelbſt. Aus einem ſeiner Ausſchreiben ſieht man, daß er eben ſo ein Regiment auf eigne Hand einzurichten und durch daſſelbe die in Augsburg beſchloſ- ſene Kriegsverfaſſung einſeitig ins Werk zu ſetzen gedachte. Ein Verfahren, das nun nothwendig eine allgemeine Gährung hervorrief. Ein Venezianiſcher Geſandter, Zacca- ria Contarini, der im Jahr 1502 in Deutſchland war, erſtaunte über den allgemeinen Widerwillen, der ſich gegen den König erhoben, wie ſchlecht man von ihm ſprach, wie wenig man ihn achtete. 1 Maximilian dagegen ſagte, er wollte er wäre nur Herzog von Öſtreich, dann würde man ſich etwas aus ihm machen: als römiſcher König erfahre er nur Beſchimpfungen. Noch einmal nahmen die Churfürſten es auf ſich, ihm die Widerpart zu halten. Am 30ſten Juny 1502, auf einer feierlichen Zuſammenkunft zu Gelnhauſen verpflichte- ten ſie ſich gegen einander: in allen wichtigen Angelegen- heiten zuſammenzuhalten, auf den königlichen Tagen für 1 Relatione l. c. von 1502. Il re è assa odiato, a poca obe- dientia in li tre stadi; questi senatori electi è venuti nimici del re: adeo il re dice mal di loro e loro del re. Il re a ditto piu volte vorria esser duca d’Austria, perche saria stimato duca, che imperator è vituperato.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/166>, abgerufen am 24.11.2024.