Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Erstes Buch. ein, aber weder mit den Absichten noch in der Stimmungwie man ihn zu sehen gewünscht hätte. Seine Seele war von alle dem Mißlingen seiner Plane verletzt, tief verwundet von dem Abfall der Niederlande, und von den Gedanken eines französischen Krieges erhitzt und aufgeregt, ich denke, eben darum um so mehr, da er doch auch die Schwierig- keit und Unausführbarkeit davon fühlte. Gleich in der ersten Audienz, am 28sten Juny, ergoß er diese Aufwallung gegen die Fürsten. Er erklärte ihnen, er komme nicht, ihren Rath zu verlangen, denn er sey entschlossen den Krieg gegen Frankreich anzufangen, und wisse wohl, daß man ihm denselben widerrathen würde. Er wünsche nur zu hören, ob man ihn dazu unterstützen wolle, wie man schuldig sey und ihm zu Worms versprochen habe. Möglich, daß er nichts Entscheidendes ausrichte, aber auf jeden Fall werde er dem König von Frankreich einen Backenstreich versetzen, dessen man hundert Jahr gedenken solle. "Von den Lombarden," sagte er, "bin ich verrathen, von den Deutschen bin ich verlassen. Aber ich will mich nicht wieder wie zu Worms an Händen und Füßen binden und an einen Nagel hen- ken lassen. Den Krieg muß ich führen und will ich führen, man sage mir was man wolle. Eher werde ich mich von dem Eide dispensiren, den ich dort hinter dem Altar zu Frankfurt geschworen habe. Denn nicht allein dem Reiche bin ich verpflichtet, sondern auch dem Hause Östreich. Ich sage das und muß es sagen, und sollte ich darüber auch die Krone zu meinen Füßen setzen und sie zertreten." Die Fürsten hörten ihm voll Erstaunen zu. "Ew Maj," versetzte der Churfürst von Mainz, "belieben Erſtes Buch. ein, aber weder mit den Abſichten noch in der Stimmungwie man ihn zu ſehen gewünſcht hätte. Seine Seele war von alle dem Mißlingen ſeiner Plane verletzt, tief verwundet von dem Abfall der Niederlande, und von den Gedanken eines franzöſiſchen Krieges erhitzt und aufgeregt, ich denke, eben darum um ſo mehr, da er doch auch die Schwierig- keit und Unausführbarkeit davon fühlte. Gleich in der erſten Audienz, am 28ſten Juny, ergoß er dieſe Aufwallung gegen die Fürſten. Er erklärte ihnen, er komme nicht, ihren Rath zu verlangen, denn er ſey entſchloſſen den Krieg gegen Frankreich anzufangen, und wiſſe wohl, daß man ihm denſelben widerrathen würde. Er wünſche nur zu hören, ob man ihn dazu unterſtützen wolle, wie man ſchuldig ſey und ihm zu Worms verſprochen habe. Möglich, daß er nichts Entſcheidendes ausrichte, aber auf jeden Fall werde er dem König von Frankreich einen Backenſtreich verſetzen, deſſen man hundert Jahr gedenken ſolle. „Von den Lombarden,“ ſagte er, „bin ich verrathen, von den Deutſchen bin ich verlaſſen. Aber ich will mich nicht wieder wie zu Worms an Händen und Füßen binden und an einen Nagel hen- ken laſſen. Den Krieg muß ich führen und will ich führen, man ſage mir was man wolle. Eher werde ich mich von dem Eide dispenſiren, den ich dort hinter dem Altar zu Frankfurt geſchworen habe. Denn nicht allein dem Reiche bin ich verpflichtet, ſondern auch dem Hauſe Öſtreich. Ich ſage das und muß es ſagen, und ſollte ich darüber auch die Krone zu meinen Füßen ſetzen und ſie zertreten.“ Die Fürſten hörten ihm voll Erſtaunen zu. „Ew Maj,“ verſetzte der Churfürſt von Mainz, „belieben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0148" n="130"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſtes Buch</hi>.</fw><lb/> ein, aber weder mit den Abſichten noch in der Stimmung<lb/> wie man ihn zu ſehen gewünſcht hätte. Seine Seele war<lb/> von alle dem Mißlingen ſeiner Plane verletzt, tief verwundet<lb/> von dem Abfall der Niederlande, und von den Gedanken<lb/> eines franzöſiſchen Krieges erhitzt und aufgeregt, ich denke,<lb/> eben darum um ſo mehr, da er doch auch die Schwierig-<lb/> keit und Unausführbarkeit davon fühlte. Gleich in der<lb/> erſten Audienz, am 28ſten Juny, ergoß er dieſe Aufwallung<lb/> gegen die Fürſten. Er erklärte ihnen, er komme nicht,<lb/> ihren Rath zu verlangen, denn er ſey entſchloſſen den<lb/> Krieg gegen Frankreich anzufangen, und wiſſe wohl, daß<lb/> man ihm denſelben widerrathen würde. Er wünſche nur zu<lb/> hören, ob man ihn dazu unterſtützen wolle, wie man ſchuldig<lb/> ſey und ihm zu Worms verſprochen habe. Möglich, daß er<lb/> nichts Entſcheidendes ausrichte, aber auf jeden Fall werde er<lb/> dem König von Frankreich einen Backenſtreich verſetzen, deſſen<lb/> man hundert Jahr gedenken ſolle. „Von den Lombarden,“<lb/> ſagte er, „bin ich verrathen, von den Deutſchen bin ich<lb/> verlaſſen. Aber ich will mich nicht wieder wie zu Worms<lb/> an Händen und Füßen binden und an einen Nagel hen-<lb/> ken laſſen. Den Krieg muß ich führen und will ich<lb/> führen, man ſage mir was man wolle. Eher werde ich<lb/> mich von dem Eide dispenſiren, den ich dort hinter dem<lb/> Altar zu Frankfurt geſchworen habe. Denn nicht allein<lb/> dem Reiche bin ich verpflichtet, ſondern auch dem Hauſe<lb/> Öſtreich. Ich ſage das und muß es ſagen, und ſollte<lb/> ich darüber auch die Krone zu meinen Füßen ſetzen und<lb/> ſie zertreten.“ Die Fürſten hörten ihm voll Erſtaunen zu.<lb/> „Ew Maj,“ verſetzte der Churfürſt von Mainz, „belieben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0148]
Erſtes Buch.
ein, aber weder mit den Abſichten noch in der Stimmung
wie man ihn zu ſehen gewünſcht hätte. Seine Seele war
von alle dem Mißlingen ſeiner Plane verletzt, tief verwundet
von dem Abfall der Niederlande, und von den Gedanken
eines franzöſiſchen Krieges erhitzt und aufgeregt, ich denke,
eben darum um ſo mehr, da er doch auch die Schwierig-
keit und Unausführbarkeit davon fühlte. Gleich in der
erſten Audienz, am 28ſten Juny, ergoß er dieſe Aufwallung
gegen die Fürſten. Er erklärte ihnen, er komme nicht,
ihren Rath zu verlangen, denn er ſey entſchloſſen den
Krieg gegen Frankreich anzufangen, und wiſſe wohl, daß
man ihm denſelben widerrathen würde. Er wünſche nur zu
hören, ob man ihn dazu unterſtützen wolle, wie man ſchuldig
ſey und ihm zu Worms verſprochen habe. Möglich, daß er
nichts Entſcheidendes ausrichte, aber auf jeden Fall werde er
dem König von Frankreich einen Backenſtreich verſetzen, deſſen
man hundert Jahr gedenken ſolle. „Von den Lombarden,“
ſagte er, „bin ich verrathen, von den Deutſchen bin ich
verlaſſen. Aber ich will mich nicht wieder wie zu Worms
an Händen und Füßen binden und an einen Nagel hen-
ken laſſen. Den Krieg muß ich führen und will ich
führen, man ſage mir was man wolle. Eher werde ich
mich von dem Eide dispenſiren, den ich dort hinter dem
Altar zu Frankfurt geſchworen habe. Denn nicht allein
dem Reiche bin ich verpflichtet, ſondern auch dem Hauſe
Öſtreich. Ich ſage das und muß es ſagen, und ſollte
ich darüber auch die Krone zu meinen Füßen ſetzen und
ſie zertreten.“ Die Fürſten hörten ihm voll Erſtaunen zu.
„Ew Maj,“ verſetzte der Churfürſt von Mainz, „belieben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |