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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Erstes Buch.
sich. Zu diesen Männern gehörte Berthold von Mainz;
Niemand, daß ich wüßte, hat es der Mühe werth gefun-
den seine Persönlichkeit den Nachkommen zu schildern. Aber
schon durch die Verwaltung seines Stiftes leuchtet er her-
vor. Man fürchtete dort anfangs seine Strenge; wie denn
seine Rechtspflege rücksichtslos, seine Haushaltung genau
war; allein bald sah doch ein Jeder, daß seine ernste Hal-
tung nicht aus Willkühr oder Gemüthsneigung, sondern
aus der innern Nothwendigkeit der Dinge hervorgieng; sie
ward durch ächtes Wohlwollen gemildert: auch dem Ärm-
sten und Geringsten lieh er sein Ohr. 1 Vor allem war
er in den Reichsgeschäften thätig. Er gehört zu den ehr-
würdigen Geistern jener Zeit, die mit innerer Anstrengung
das Alte, dem sein geistiger Ursprung, sein höherer Zusam-
menhang verloren gegangen, zu dem Neuen und Nunmehr-
nothwendigen umzubilden suchten. Schon die Verhand-
lungen von 1486 hat er geleitet: dann verschaffte er den
Städten Sitz in den Ausschüssen; ihm vor allen war das
Versprechen Maximilians vom Jahr 1489 zu danken; die
Wormser Entwürfe waren großentheils sein Werk. Im-
mer zeigt er denselben ruhig-männlichen Geist, der seinen
Zweck fest im Auge behält, ohne doch in der Art und
Weise ihn zu erreichen, in den Nebendingen hartnäckig zu
seyn; durch kein Hinderniß ist er zu ermüden: persönliche
Absichten kennt er nicht; wenn irgend ein Andrer so trägt
er das Vaterland in seinem Herzen.

Im Sommer 1496, auf dem Reichstag von Lindau
gelangte dieser Fürst zu einer noch unabhängigern Thätig-
keit, als bisher.


1 Serarius Res Moguntinae p. 799.

Erſtes Buch.
ſich. Zu dieſen Männern gehörte Berthold von Mainz;
Niemand, daß ich wüßte, hat es der Mühe werth gefun-
den ſeine Perſönlichkeit den Nachkommen zu ſchildern. Aber
ſchon durch die Verwaltung ſeines Stiftes leuchtet er her-
vor. Man fürchtete dort anfangs ſeine Strenge; wie denn
ſeine Rechtspflege rückſichtslos, ſeine Haushaltung genau
war; allein bald ſah doch ein Jeder, daß ſeine ernſte Hal-
tung nicht aus Willkühr oder Gemüthsneigung, ſondern
aus der innern Nothwendigkeit der Dinge hervorgieng; ſie
ward durch ächtes Wohlwollen gemildert: auch dem Ärm-
ſten und Geringſten lieh er ſein Ohr. 1 Vor allem war
er in den Reichsgeſchäften thätig. Er gehört zu den ehr-
würdigen Geiſtern jener Zeit, die mit innerer Anſtrengung
das Alte, dem ſein geiſtiger Urſprung, ſein höherer Zuſam-
menhang verloren gegangen, zu dem Neuen und Nunmehr-
nothwendigen umzubilden ſuchten. Schon die Verhand-
lungen von 1486 hat er geleitet: dann verſchaffte er den
Städten Sitz in den Ausſchüſſen; ihm vor allen war das
Verſprechen Maximilians vom Jahr 1489 zu danken; die
Wormſer Entwürfe waren großentheils ſein Werk. Im-
mer zeigt er denſelben ruhig-männlichen Geiſt, der ſeinen
Zweck feſt im Auge behält, ohne doch in der Art und
Weiſe ihn zu erreichen, in den Nebendingen hartnäckig zu
ſeyn; durch kein Hinderniß iſt er zu ermüden: perſönliche
Abſichten kennt er nicht; wenn irgend ein Andrer ſo trägt
er das Vaterland in ſeinem Herzen.

Im Sommer 1496, auf dem Reichstag von Lindau
gelangte dieſer Fürſt zu einer noch unabhängigern Thätig-
keit, als bisher.


1 Serarius Res Moguntinae p. 799.
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[122/0140] Erſtes Buch. ſich. Zu dieſen Männern gehörte Berthold von Mainz; Niemand, daß ich wüßte, hat es der Mühe werth gefun- den ſeine Perſönlichkeit den Nachkommen zu ſchildern. Aber ſchon durch die Verwaltung ſeines Stiftes leuchtet er her- vor. Man fürchtete dort anfangs ſeine Strenge; wie denn ſeine Rechtspflege rückſichtslos, ſeine Haushaltung genau war; allein bald ſah doch ein Jeder, daß ſeine ernſte Hal- tung nicht aus Willkühr oder Gemüthsneigung, ſondern aus der innern Nothwendigkeit der Dinge hervorgieng; ſie ward durch ächtes Wohlwollen gemildert: auch dem Ärm- ſten und Geringſten lieh er ſein Ohr. 1 Vor allem war er in den Reichsgeſchäften thätig. Er gehört zu den ehr- würdigen Geiſtern jener Zeit, die mit innerer Anſtrengung das Alte, dem ſein geiſtiger Urſprung, ſein höherer Zuſam- menhang verloren gegangen, zu dem Neuen und Nunmehr- nothwendigen umzubilden ſuchten. Schon die Verhand- lungen von 1486 hat er geleitet: dann verſchaffte er den Städten Sitz in den Ausſchüſſen; ihm vor allen war das Verſprechen Maximilians vom Jahr 1489 zu danken; die Wormſer Entwürfe waren großentheils ſein Werk. Im- mer zeigt er denſelben ruhig-männlichen Geiſt, der ſeinen Zweck feſt im Auge behält, ohne doch in der Art und Weiſe ihn zu erreichen, in den Nebendingen hartnäckig zu ſeyn; durch kein Hinderniß iſt er zu ermüden: perſönliche Abſichten kennt er nicht; wenn irgend ein Andrer ſo trägt er das Vaterland in ſeinem Herzen. Im Sommer 1496, auf dem Reichstag von Lindau gelangte dieſer Fürſt zu einer noch unabhängigern Thätig- keit, als bisher. 1 Serarius Res Moguntinae p. 799.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/140>, abgerufen am 25.11.2024.