Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh. nigliche Gewalt verfallen zu lassen: sie strengte sich an, invollem Sinne des Worts Königin zu seyn. Von dem Au- genblicke an daß sie die Regierung selbst antrat, im Jahre 1644, widmete sie sich den Geschäften mit einem bewun- dernswürdigen Eifer. Niemals hätte sie eine Senatssitzung versäumt: wir finden, daß sie mit dem Fieber geplagt ist, daß sie zur Ader gelassen hat: sie besucht die Sitzung des- senungeachtet. Sie versäumt nicht sich auf das beste vor- zubereiten. Deductionen, viele Bogen lang, liest sie durch und macht sich ihren Inhalt zu eigen: Abends vor dem Einschlafen, früh beim Erwachen überlegt sie die streitigen Punkte 1). Mit großer Geschicklichkeit versteht sie dann die Frage vorzulegen: sie läßt nicht bemerken auf welche Seite sie sich neigt: nachdem sie alle Mitglieder gehört hat, sagt auch sie ihre Meinung, die sich immer wohlbegründet fin- det, die man in der Regel beliebt. Die alten Senatoren sind verwundert welche Gewalt sie sich zu verschaffen weiß 2). An dem Abschluß des westphälischen Friedens hatte sie persön- lich vielen Antheil: die Offiziere der Armee, ihr Gesandter am 1) Paolo Casati al papa Alessandro VII sopra la regina di Suecia. MS. Ella m'ha piu d'una volta assicurato di non aver mai portato avanti alcun negotio grave a cui non avesse quasi due anni prima pensato, e che molte hore della mattina, dopo che s'era svegliata da quel poco sonno che era solita di pren- dere, impiegava nel considerare i negotii e conseguenze loro benche lontane. 2) Memoires de ce qui est passe en Suede tirez des depe-
sches de Mr Chanut I, p. 245 (1648 Fevr.). Il est incroyable comment elle est puissante dans son conseil, car elle ajoute a la qualite de reine la grace, le credit, les bienfaits et la force de persuader. Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. nigliche Gewalt verfallen zu laſſen: ſie ſtrengte ſich an, invollem Sinne des Worts Koͤnigin zu ſeyn. Von dem Au- genblicke an daß ſie die Regierung ſelbſt antrat, im Jahre 1644, widmete ſie ſich den Geſchaͤften mit einem bewun- dernswuͤrdigen Eifer. Niemals haͤtte ſie eine Senatsſitzung verſaͤumt: wir finden, daß ſie mit dem Fieber geplagt iſt, daß ſie zur Ader gelaſſen hat: ſie beſucht die Sitzung deſ- ſenungeachtet. Sie verſaͤumt nicht ſich auf das beſte vor- zubereiten. Deductionen, viele Bogen lang, lieſt ſie durch und macht ſich ihren Inhalt zu eigen: Abends vor dem Einſchlafen, fruͤh beim Erwachen uͤberlegt ſie die ſtreitigen Punkte 1). Mit großer Geſchicklichkeit verſteht ſie dann die Frage vorzulegen: ſie laͤßt nicht bemerken auf welche Seite ſie ſich neigt: nachdem ſie alle Mitglieder gehoͤrt hat, ſagt auch ſie ihre Meinung, die ſich immer wohlbegruͤndet fin- det, die man in der Regel beliebt. Die alten Senatoren ſind verwundert welche Gewalt ſie ſich zu verſchaffen weiß 2). An dem Abſchluß des weſtphaͤliſchen Friedens hatte ſie perſoͤn- lich vielen Antheil: die Offiziere der Armee, ihr Geſandter am 1) Paolo Casati al papa Alessandro VII sopra la regina di Suecia. MS. Ella m’ha più d’una volta assicurato di non aver mai portato avanti alcun negotio grave a cui non avesse quasi due anni prima pensato, e che molte hore della mattina, dopo che s’era svegliata da quel poco sonno che era solita di pren- dere, impiegava nel considerare i negotii e conseguenze loro benchè lontane. 2) Mémoires de ce qui est passé en Suede tirez des depe-
sches de Mr Chanut I, p. 245 (1648 Févr.). Il est incroyable comment elle est puissante dans son conseil, car elle ajoute à la qualité de reine la grace, le credit, les bienfaits et la force de persuader. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0092" n="80"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh</hi>.</fw><lb/> nigliche Gewalt verfallen zu laſſen: ſie ſtrengte ſich an, in<lb/> vollem Sinne des Worts Koͤnigin zu ſeyn. Von dem Au-<lb/> genblicke an daß ſie die Regierung ſelbſt antrat, im Jahre<lb/> 1644, widmete ſie ſich den Geſchaͤften mit einem bewun-<lb/> dernswuͤrdigen Eifer. Niemals haͤtte ſie eine Senatsſitzung<lb/> verſaͤumt: wir finden, daß ſie mit dem Fieber geplagt iſt,<lb/> daß ſie zur Ader gelaſſen hat: ſie beſucht die Sitzung deſ-<lb/> ſenungeachtet. Sie verſaͤumt nicht ſich auf das beſte vor-<lb/> zubereiten. Deductionen, viele Bogen lang, lieſt ſie durch<lb/> und macht ſich ihren Inhalt zu eigen: Abends vor dem<lb/> Einſchlafen, fruͤh beim Erwachen uͤberlegt ſie die ſtreitigen<lb/> Punkte <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Paolo Casati al papa Alessandro VII sopra la regina di<lb/> Suecia. MS. Ella m’ha più d’una volta assicurato di non aver<lb/> mai portato avanti alcun negotio grave a cui non avesse quasi<lb/> due anni prima pensato, e che molte hore della mattina, dopo<lb/> che s’era svegliata da quel poco sonno che era solita di pren-<lb/> dere, impiegava nel considerare i negotii e conseguenze loro<lb/> benchè lontane.</hi></note>. Mit großer Geſchicklichkeit verſteht ſie dann die<lb/> Frage vorzulegen: ſie laͤßt nicht bemerken auf welche Seite<lb/> ſie ſich neigt: nachdem ſie alle Mitglieder gehoͤrt hat, ſagt<lb/> auch ſie ihre Meinung, die ſich immer wohlbegruͤndet fin-<lb/> det, die man in der Regel beliebt. Die alten Senatoren<lb/> ſind verwundert welche Gewalt ſie ſich zu verſchaffen weiß <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Mémoires de ce qui est passé en Suede tirez des depe-<lb/> sches de M<hi rendition="#sup">r</hi> Chanut I, p. 245 (1648 Févr.). Il est incroyable<lb/> comment elle est puissante dans son conseil, car elle ajoute à<lb/> la qualité de reine la grace, le credit, les bienfaits et la force<lb/> de persuader</hi>.</note>.<lb/> An dem Abſchluß des weſtphaͤliſchen Friedens hatte ſie perſoͤn-<lb/> lich vielen Antheil: die Offiziere der Armee, ihr Geſandter<lb/> <fw place="bottom" type="catch">am</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0092]
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nigliche Gewalt verfallen zu laſſen: ſie ſtrengte ſich an, in
vollem Sinne des Worts Koͤnigin zu ſeyn. Von dem Au-
genblicke an daß ſie die Regierung ſelbſt antrat, im Jahre
1644, widmete ſie ſich den Geſchaͤften mit einem bewun-
dernswuͤrdigen Eifer. Niemals haͤtte ſie eine Senatsſitzung
verſaͤumt: wir finden, daß ſie mit dem Fieber geplagt iſt,
daß ſie zur Ader gelaſſen hat: ſie beſucht die Sitzung deſ-
ſenungeachtet. Sie verſaͤumt nicht ſich auf das beſte vor-
zubereiten. Deductionen, viele Bogen lang, lieſt ſie durch
und macht ſich ihren Inhalt zu eigen: Abends vor dem
Einſchlafen, fruͤh beim Erwachen uͤberlegt ſie die ſtreitigen
Punkte 1). Mit großer Geſchicklichkeit verſteht ſie dann die
Frage vorzulegen: ſie laͤßt nicht bemerken auf welche Seite
ſie ſich neigt: nachdem ſie alle Mitglieder gehoͤrt hat, ſagt
auch ſie ihre Meinung, die ſich immer wohlbegruͤndet fin-
det, die man in der Regel beliebt. Die alten Senatoren
ſind verwundert welche Gewalt ſie ſich zu verſchaffen weiß 2).
An dem Abſchluß des weſtphaͤliſchen Friedens hatte ſie perſoͤn-
lich vielen Antheil: die Offiziere der Armee, ihr Geſandter
am
1) Paolo Casati al papa Alessandro VII sopra la regina di
Suecia. MS. Ella m’ha più d’una volta assicurato di non aver
mai portato avanti alcun negotio grave a cui non avesse quasi
due anni prima pensato, e che molte hore della mattina, dopo
che s’era svegliata da quel poco sonno che era solita di pren-
dere, impiegava nel considerare i negotii e conseguenze loro
benchè lontane.
2) Mémoires de ce qui est passé en Suede tirez des depe-
sches de Mr Chanut I, p. 245 (1648 Févr.). Il est incroyable
comment elle est puissante dans son conseil, car elle ajoute à
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