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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Pallavicini.
bona fide irret. Nicht allenthalben möchte dieß der Fall seyn. Es fin-
det sich zuweilen, daß seine Documente nicht so rechtgläubig und
katholisch sind wie er selber. Während die Angelegenheiten noch im
Gange waren und alle Seiten ihres Daseyns, alle Möglichkeiten ei-
ner andern Entwickelung darstellten, konnte man sie nicht so streng
ansehen wie späterhin, nachdem sich alles wieder festgestellt hatte. Einen
Vertrag wie der Religionsfriede war, konnte die Rechtgläubigkeit des
17. Jahrhunderts nimmermehr billigen; Pallavicini beklagt die "de-
trimenti gravissimi"
die er dem römischen Stuhle zugefügt, -- er
vergleicht ihn mit einer Palliativcur, welche nur eine gefährlichere Crisis
hervorbringe. Demohnerachtet fand er über denselben die Relation
eines Nuntius, welcher seine Nothwendigkeit einsah. Es war der
Bischof Delfino von Liesina. Pallavicini führt die Relation an,
welche dieser Bischof an den Cardinal Carafsa abgestattet hatte, und
benutzt sie in der That. Wie aber thut er dieß?

Alle die Gründe, mit welchen Delfino die innere Nothwendig-
keit dieser Abkunft beweist, verwandelt er in Entschuldigungsgründe
die Ferdinand für sich anführe.

Der Nuntius sagt: In dieser Zeit war kein Fürst und keine
Stadt die nicht mit ihrem Nachbar Händel gehabt hätte -- er
nennt sie: -- das Land ging zu Grunde, -- gleichsam von einem
Gegenreichstag schrieben Brandenburg, Hessen und Sachsen von
Naumburg, sie wollten sich vereinigt halten, -- der König hatte den
Kaiser gebeten, lieber Frieden mit Frankreich zu machen und auf
Deutschland sein Augenmerk zu richten; doch schlug er es ab, -- in der
Mitte von so viel Unheil kamen die Stände zusammen, -- der Kö-
nig bestätigte nun die Punkte, über welche beide Theile sich verei-
nigt hatten: so freudig haben sie das gethan (si allegramente) daß
es seit Maximilian niemals in Deutschland so ruhig gewesen ist
wie jetzt.

Alles dieß berührt nun auch Pallavicini (l. XIII, c. 13); aber
wie sehr geschwächt wird es dadurch daß er es einem Fürsten in den
Mund legt, der sich nur entschuldigen will.

Scusavasi egli di cio con addurre che haveva richiesto d'or-
dini specificati, l'imperatore confortandolo alla pace di Francia, --
-- ed havergli ricordato esser questa l'unica arme per franger
l'orgoglio de' protestanti etc.
-- man halte gegen diese geschraub-
ten Ausdrücke die Worte Delfinos: Il sermo re vedendo questi
andamenti
(die religiösen Entzweiungen) scrisse a S. Mta Cesa-
rea esortandola alla pace col christianissimo accioche ella possa
attendere alle cose di Germania e farsi ubedire etc.

Es ist ohne Zweifel eine starke und bei einem Buche das sich
der Urkundlichkeit so sehr rühmt, nicht zu duldende Abweichung, daß
der Autor die Erzählung eines Nuntius zur Entschuldigung des Fürsten
macht: aber das Schlimmste ist, daß dadurch die reine Ansicht der
Begebenheit verdunkelt wird.

Ueberhaupt ist die ganze Urkunde gebraucht, aus dem Styl des
sechzehnten in den Styl des siebzehnten Jahrhunderts übersetzt, aber
gemißbraucht.

4. Bleiben wir bei den Verhältnissen des Papstes zu Ferdi-

Pallavicini.
bona fide irret. Nicht allenthalben moͤchte dieß der Fall ſeyn. Es fin-
det ſich zuweilen, daß ſeine Documente nicht ſo rechtglaͤubig und
katholiſch ſind wie er ſelber. Waͤhrend die Angelegenheiten noch im
Gange waren und alle Seiten ihres Daſeyns, alle Moͤglichkeiten ei-
ner andern Entwickelung darſtellten, konnte man ſie nicht ſo ſtreng
anſehen wie ſpaͤterhin, nachdem ſich alles wieder feſtgeſtellt hatte. Einen
Vertrag wie der Religionsfriede war, konnte die Rechtglaͤubigkeit des
17. Jahrhunderts nimmermehr billigen; Pallavicini beklagt die „de-
trimenti gravissimi“
die er dem roͤmiſchen Stuhle zugefuͤgt, — er
vergleicht ihn mit einer Palliativcur, welche nur eine gefaͤhrlichere Criſis
hervorbringe. Demohnerachtet fand er uͤber denſelben die Relation
eines Nuntius, welcher ſeine Nothwendigkeit einſah. Es war der
Biſchof Delfino von Lieſina. Pallavicini fuͤhrt die Relation an,
welche dieſer Biſchof an den Cardinal Carafſa abgeſtattet hatte, und
benutzt ſie in der That. Wie aber thut er dieß?

Alle die Gruͤnde, mit welchen Delfino die innere Nothwendig-
keit dieſer Abkunft beweiſt, verwandelt er in Entſchuldigungsgruͤnde
die Ferdinand fuͤr ſich anfuͤhre.

Der Nuntius ſagt: In dieſer Zeit war kein Fuͤrſt und keine
Stadt die nicht mit ihrem Nachbar Haͤndel gehabt haͤtte — er
nennt ſie: — das Land ging zu Grunde, — gleichſam von einem
Gegenreichstag ſchrieben Brandenburg, Heſſen und Sachſen von
Naumburg, ſie wollten ſich vereinigt halten, — der Koͤnig hatte den
Kaiſer gebeten, lieber Frieden mit Frankreich zu machen und auf
Deutſchland ſein Augenmerk zu richten; doch ſchlug er es ab, — in der
Mitte von ſo viel Unheil kamen die Staͤnde zuſammen, — der Koͤ-
nig beſtaͤtigte nun die Punkte, uͤber welche beide Theile ſich verei-
nigt hatten: ſo freudig haben ſie das gethan (sì allegramente) daß
es ſeit Maximilian niemals in Deutſchland ſo ruhig geweſen iſt
wie jetzt.

Alles dieß beruͤhrt nun auch Pallavicini (l. XIII, c. 13); aber
wie ſehr geſchwaͤcht wird es dadurch daß er es einem Fuͤrſten in den
Mund legt, der ſich nur entſchuldigen will.

Scusavasi egli di cio con addurre che haveva richiesto d’or-
dini specificati, l’imperatore confortandolo alla pace di Francia, —
— ed havergli ricordato esser questa l’unica arme per franger
l’orgoglio de’ protestanti etc.
— man halte gegen dieſe geſchraub-
ten Ausdruͤcke die Worte Delfinos: Il sermo re vedendo questi
andamenti
(die religioͤſen Entzweiungen) scrisse a S. M Cesa-
rea esortandola alla pace col christianissimo accioche ella possa
attendere alle cose di Germania e farsi ubedire etc.

Es iſt ohne Zweifel eine ſtarke und bei einem Buche das ſich
der Urkundlichkeit ſo ſehr ruͤhmt, nicht zu duldende Abweichung, daß
der Autor die Erzaͤhlung eines Nuntius zur Entſchuldigung des Fuͤrſten
macht: aber das Schlimmſte iſt, daß dadurch die reine Anſicht der
Begebenheit verdunkelt wird.

Ueberhaupt iſt die ganze Urkunde gebraucht, aus dem Styl des
ſechzehnten in den Styl des ſiebzehnten Jahrhunderts uͤberſetzt, aber
gemißbraucht.

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[284/0296] Pallavicini. bona fide irret. Nicht allenthalben moͤchte dieß der Fall ſeyn. Es fin- det ſich zuweilen, daß ſeine Documente nicht ſo rechtglaͤubig und katholiſch ſind wie er ſelber. Waͤhrend die Angelegenheiten noch im Gange waren und alle Seiten ihres Daſeyns, alle Moͤglichkeiten ei- ner andern Entwickelung darſtellten, konnte man ſie nicht ſo ſtreng anſehen wie ſpaͤterhin, nachdem ſich alles wieder feſtgeſtellt hatte. Einen Vertrag wie der Religionsfriede war, konnte die Rechtglaͤubigkeit des 17. Jahrhunderts nimmermehr billigen; Pallavicini beklagt die „de- trimenti gravissimi“ die er dem roͤmiſchen Stuhle zugefuͤgt, — er vergleicht ihn mit einer Palliativcur, welche nur eine gefaͤhrlichere Criſis hervorbringe. Demohnerachtet fand er uͤber denſelben die Relation eines Nuntius, welcher ſeine Nothwendigkeit einſah. Es war der Biſchof Delfino von Lieſina. Pallavicini fuͤhrt die Relation an, welche dieſer Biſchof an den Cardinal Carafſa abgeſtattet hatte, und benutzt ſie in der That. Wie aber thut er dieß? Alle die Gruͤnde, mit welchen Delfino die innere Nothwendig- keit dieſer Abkunft beweiſt, verwandelt er in Entſchuldigungsgruͤnde die Ferdinand fuͤr ſich anfuͤhre. Der Nuntius ſagt: In dieſer Zeit war kein Fuͤrſt und keine Stadt die nicht mit ihrem Nachbar Haͤndel gehabt haͤtte — er nennt ſie: — das Land ging zu Grunde, — gleichſam von einem Gegenreichstag ſchrieben Brandenburg, Heſſen und Sachſen von Naumburg, ſie wollten ſich vereinigt halten, — der Koͤnig hatte den Kaiſer gebeten, lieber Frieden mit Frankreich zu machen und auf Deutſchland ſein Augenmerk zu richten; doch ſchlug er es ab, — in der Mitte von ſo viel Unheil kamen die Staͤnde zuſammen, — der Koͤ- nig beſtaͤtigte nun die Punkte, uͤber welche beide Theile ſich verei- nigt hatten: ſo freudig haben ſie das gethan (sì allegramente) daß es ſeit Maximilian niemals in Deutſchland ſo ruhig geweſen iſt wie jetzt. Alles dieß beruͤhrt nun auch Pallavicini (l. XIII, c. 13); aber wie ſehr geſchwaͤcht wird es dadurch daß er es einem Fuͤrſten in den Mund legt, der ſich nur entſchuldigen will. Scusavasi egli di cio con addurre che haveva richiesto d’or- dini specificati, l’imperatore confortandolo alla pace di Francia, — — ed havergli ricordato esser questa l’unica arme per franger l’orgoglio de’ protestanti etc. — man halte gegen dieſe geſchraub- ten Ausdruͤcke die Worte Delfinos: Il sermo re vedendo questi andamenti (die religioͤſen Entzweiungen) scrisse a S. Mtà Cesa- rea esortandola alla pace col christianissimo accioche ella possa attendere alle cose di Germania e farsi ubedire etc. Es iſt ohne Zweifel eine ſtarke und bei einem Buche das ſich der Urkundlichkeit ſo ſehr ruͤhmt, nicht zu duldende Abweichung, daß der Autor die Erzaͤhlung eines Nuntius zur Entſchuldigung des Fuͤrſten macht: aber das Schlimmſte iſt, daß dadurch die reine Anſicht der Begebenheit verdunkelt wird. Ueberhaupt iſt die ganze Urkunde gebraucht, aus dem Styl des ſechzehnten in den Styl des ſiebzehnten Jahrhunderts uͤberſetzt, aber gemißbraucht. 4. Bleiben wir bei den Verhaͤltniſſen des Papſtes zu Ferdi-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/296>, abgerufen am 25.11.2024.