Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Revolutionäres Zeitalter.
nicht unterworfenen Staaten zu befestigen gedient. In so-
fern würde das Papstthum in die Stellung zurückgekom-
men seyn, in die es unter den deutschen Kaisern in der
Fülle ihrer Macht, vornehmlich unter dem Salier Hein-
rich III. gerathen war. Aber noch bei weitem schwerere
Fesseln hätte es getragen. In der Macht, die den Papst
jetzt beherrscht hätte, lag etwas, das dem Principe der
Kirche widersprach; sie war doch im Grunde nur eine andre
Metamorphose jenes Geistes der kirchlichen Opposition, der
sich im achtzehnten Jahrhundert entwickelt hatte, und eine so
starke Hinneigung zu eigentlichem Unglauben in sich trug.
Dieser feindseligen Gewalt wäre das Papstthum unterwor-
fen gewesen, und bei ihr zu Lehen gegangen.



Jedoch es war nicht bestimmt, daß es so weit kom-
men sollte.

Als sich der Papst in der Einsamkeit seiner Gefangen-
schaft, wo ihm keine Kunde der Weltereignisse zukam, end-
lich bewegen ließ sich zu beugen, war das gewaltige Reich,
dessen hierarchischen Mittelpunkt er ausmachen sollte, schon
in seiner letzten, größten Unternehmung, gegen Rußland, ge-
scheitert, und durch alle die Folgen, die daraus entspran-
gen, in seiner Tiefe erschüttert. Europa faßte die bei-
nahe aufgegebene Hoffnung sich zu befreien. Als der
Papst, zu dem in Folge seiner Unterwerfung einige Cardi-
näle zurückkehren durften, von dieser Lage der Dinge un-
terrichtet ward, kehrte das Vertrauen auch in ihm zurück:

Revolutionaͤres Zeitalter.
nicht unterworfenen Staaten zu befeſtigen gedient. In ſo-
fern wuͤrde das Papſtthum in die Stellung zuruͤckgekom-
men ſeyn, in die es unter den deutſchen Kaiſern in der
Fuͤlle ihrer Macht, vornehmlich unter dem Salier Hein-
rich III. gerathen war. Aber noch bei weitem ſchwerere
Feſſeln haͤtte es getragen. In der Macht, die den Papſt
jetzt beherrſcht haͤtte, lag etwas, das dem Principe der
Kirche widerſprach; ſie war doch im Grunde nur eine andre
Metamorphoſe jenes Geiſtes der kirchlichen Oppoſition, der
ſich im achtzehnten Jahrhundert entwickelt hatte, und eine ſo
ſtarke Hinneigung zu eigentlichem Unglauben in ſich trug.
Dieſer feindſeligen Gewalt waͤre das Papſtthum unterwor-
fen geweſen, und bei ihr zu Lehen gegangen.



Jedoch es war nicht beſtimmt, daß es ſo weit kom-
men ſollte.

Als ſich der Papſt in der Einſamkeit ſeiner Gefangen-
ſchaft, wo ihm keine Kunde der Weltereigniſſe zukam, end-
lich bewegen ließ ſich zu beugen, war das gewaltige Reich,
deſſen hierarchiſchen Mittelpunkt er ausmachen ſollte, ſchon
in ſeiner letzten, groͤßten Unternehmung, gegen Rußland, ge-
ſcheitert, und durch alle die Folgen, die daraus entſpran-
gen, in ſeiner Tiefe erſchuͤttert. Europa faßte die bei-
nahe aufgegebene Hoffnung ſich zu befreien. Als der
Papſt, zu dem in Folge ſeiner Unterwerfung einige Cardi-
naͤle zuruͤckkehren durften, von dieſer Lage der Dinge un-
terrichtet ward, kehrte das Vertrauen auch in ihm zuruͤck:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0229" n="217"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Revolutiona&#x0364;res Zeitalter</hi>.</fw><lb/>
nicht unterworfenen Staaten zu befe&#x017F;tigen gedient. In &#x017F;o-<lb/>
fern wu&#x0364;rde das Pap&#x017F;tthum in die Stellung zuru&#x0364;ckgekom-<lb/>
men &#x017F;eyn, in die es unter den deut&#x017F;chen Kai&#x017F;ern in der<lb/>
Fu&#x0364;lle ihrer Macht, vornehmlich unter dem Salier Hein-<lb/>
rich <hi rendition="#aq">III.</hi> gerathen war. Aber noch bei weitem &#x017F;chwerere<lb/>
Fe&#x017F;&#x017F;eln ha&#x0364;tte es getragen. In der Macht, die den Pap&#x017F;t<lb/>
jetzt beherr&#x017F;cht ha&#x0364;tte, lag etwas, das dem Principe der<lb/>
Kirche wider&#x017F;prach; &#x017F;ie war doch im Grunde nur eine andre<lb/>
Metamorpho&#x017F;e jenes Gei&#x017F;tes der kirchlichen Oppo&#x017F;ition, der<lb/>
&#x017F;ich im achtzehnten Jahrhundert entwickelt hatte, und eine &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tarke Hinneigung zu eigentlichem Unglauben in &#x017F;ich trug.<lb/>
Die&#x017F;er feind&#x017F;eligen Gewalt wa&#x0364;re das Pap&#x017F;tthum unterwor-<lb/>
fen gewe&#x017F;en, und bei ihr zu Lehen gegangen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Jedoch es war nicht be&#x017F;timmt, daß es &#x017F;o weit kom-<lb/>
men &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Als &#x017F;ich der Pap&#x017F;t in der Ein&#x017F;amkeit &#x017F;einer Gefangen-<lb/>
&#x017F;chaft, wo ihm keine Kunde der Weltereigni&#x017F;&#x017F;e zukam, end-<lb/>
lich bewegen ließ &#x017F;ich zu beugen, war das gewaltige Reich,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en hierarchi&#x017F;chen Mittelpunkt er ausmachen &#x017F;ollte, &#x017F;chon<lb/>
in &#x017F;einer letzten, gro&#x0364;ßten Unternehmung, gegen Rußland, ge-<lb/>
&#x017F;cheitert, und durch alle die Folgen, die daraus ent&#x017F;pran-<lb/>
gen, in &#x017F;einer Tiefe er&#x017F;chu&#x0364;ttert. Europa faßte die bei-<lb/>
nahe aufgegebene Hoffnung &#x017F;ich zu befreien. Als der<lb/>
Pap&#x017F;t, zu dem in Folge &#x017F;einer Unterwerfung einige Cardi-<lb/>
na&#x0364;le zuru&#x0364;ckkehren durften, von die&#x017F;er Lage der Dinge un-<lb/>
terrichtet ward, kehrte das Vertrauen auch in ihm zuru&#x0364;ck:<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0229] Revolutionaͤres Zeitalter. nicht unterworfenen Staaten zu befeſtigen gedient. In ſo- fern wuͤrde das Papſtthum in die Stellung zuruͤckgekom- men ſeyn, in die es unter den deutſchen Kaiſern in der Fuͤlle ihrer Macht, vornehmlich unter dem Salier Hein- rich III. gerathen war. Aber noch bei weitem ſchwerere Feſſeln haͤtte es getragen. In der Macht, die den Papſt jetzt beherrſcht haͤtte, lag etwas, das dem Principe der Kirche widerſprach; ſie war doch im Grunde nur eine andre Metamorphoſe jenes Geiſtes der kirchlichen Oppoſition, der ſich im achtzehnten Jahrhundert entwickelt hatte, und eine ſo ſtarke Hinneigung zu eigentlichem Unglauben in ſich trug. Dieſer feindſeligen Gewalt waͤre das Papſtthum unterwor- fen geweſen, und bei ihr zu Lehen gegangen. Jedoch es war nicht beſtimmt, daß es ſo weit kom- men ſollte. Als ſich der Papſt in der Einſamkeit ſeiner Gefangen- ſchaft, wo ihm keine Kunde der Weltereigniſſe zukam, end- lich bewegen ließ ſich zu beugen, war das gewaltige Reich, deſſen hierarchiſchen Mittelpunkt er ausmachen ſollte, ſchon in ſeiner letzten, groͤßten Unternehmung, gegen Rußland, ge- ſcheitert, und durch alle die Folgen, die daraus entſpran- gen, in ſeiner Tiefe erſchuͤttert. Europa faßte die bei- nahe aufgegebene Hoffnung ſich zu befreien. Als der Papſt, zu dem in Folge ſeiner Unterwerfung einige Cardi- naͤle zuruͤckkehren durften, von dieſer Lage der Dinge un- terrichtet ward, kehrte das Vertrauen auch in ihm zuruͤck:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/229
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/229>, abgerufen am 25.11.2024.