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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Jesuiten.
terte Schüler. Daraus folgte jedoch, daß diese nun auch
eine gewisse Unabhängigkeit fühlten und sich der Strenge
der alten Disciplin nicht mehr fügen wollten. Ein Je-
suit, der den Stock gegen einen Schüler erhob, empfing
von diesem einen Dolchstoß: ein junger Mensch in Gubbio,
der sich von dem Pater Prefetto zu hart behandelt glaubte,
brachte denselben dafür um. Auch in Rom gaben die Be-
wegungen im Collegium, der Stadt und dem Pallast un-
aufhörlich zu reden. Die Lehrer wurden von ihren Schü-
lern einmal geradezu einen Tag lang eingesperrt gehalten:
der Rector mußte, wie diese forderten, zuletzt doch wirk-
lich entlassen werden. Es sind das Symptome eines all-
gemeinen Kampfes zwischen den alten Ordnungen und
neuen Tendenzen. Am Ende behielten diese letzten doch
wirklich den Platz. Die Jesuiten vermochten den Einfluß
nicht mehr zu behaupten, mit welchem sie früherhin die
Gemüther beherrscht hatten.

Ueberhaupt das war nicht mehr ihr Sinn sich die
Welt zu unterwerfen, sie mit religiösem Geiste zu durch-
dringen: ihr eigener Geist war vielmehr selbst der Welt ver-
fallen: sie strebten nur, den Menschen unentbehrlich zu wer-
den, auf welche Weise das auch immer geschehen mochte.

Nicht allein die Vorschriften des Institutes, die Leh-
ren der Religion und Moral selbst bildeten sie nach diesem
Zwecke um. Dem Geschäfte der Beichte, durch das sie

o tappezzerie, calici o altri addobbi somiglianti, tutto ridonda
in utilita de' collegi medesimi. Avegna che i rettori locali se
ne servono indifferentemente, dal che ne derivano infinite offen-
sioni, poco o nulla stimano i lamenti de' proprj scolari.
9*

Jeſuiten.
terte Schuͤler. Daraus folgte jedoch, daß dieſe nun auch
eine gewiſſe Unabhaͤngigkeit fuͤhlten und ſich der Strenge
der alten Disciplin nicht mehr fuͤgen wollten. Ein Je-
ſuit, der den Stock gegen einen Schuͤler erhob, empfing
von dieſem einen Dolchſtoß: ein junger Menſch in Gubbio,
der ſich von dem Pater Prefetto zu hart behandelt glaubte,
brachte denſelben dafuͤr um. Auch in Rom gaben die Be-
wegungen im Collegium, der Stadt und dem Pallaſt un-
aufhoͤrlich zu reden. Die Lehrer wurden von ihren Schuͤ-
lern einmal geradezu einen Tag lang eingeſperrt gehalten:
der Rector mußte, wie dieſe forderten, zuletzt doch wirk-
lich entlaſſen werden. Es ſind das Symptome eines all-
gemeinen Kampfes zwiſchen den alten Ordnungen und
neuen Tendenzen. Am Ende behielten dieſe letzten doch
wirklich den Platz. Die Jeſuiten vermochten den Einfluß
nicht mehr zu behaupten, mit welchem ſie fruͤherhin die
Gemuͤther beherrſcht hatten.

Ueberhaupt das war nicht mehr ihr Sinn ſich die
Welt zu unterwerfen, ſie mit religioͤſem Geiſte zu durch-
dringen: ihr eigener Geiſt war vielmehr ſelbſt der Welt ver-
fallen: ſie ſtrebten nur, den Menſchen unentbehrlich zu wer-
den, auf welche Weiſe das auch immer geſchehen mochte.

Nicht allein die Vorſchriften des Inſtitutes, die Leh-
ren der Religion und Moral ſelbſt bildeten ſie nach dieſem
Zwecke um. Dem Geſchaͤfte der Beichte, durch das ſie

o tappezzerie, calici o altri addobbi somiglianti, tutto ridonda
in utilità de’ collegi medesimi. Avegna che i rettori locali se
ne servono indifferentemente, dal che ne derivano infinite offen-
sioni, poco o nulla stimano i lamenti de’ proprj scolari.
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[131/0143] Jeſuiten. terte Schuͤler. Daraus folgte jedoch, daß dieſe nun auch eine gewiſſe Unabhaͤngigkeit fuͤhlten und ſich der Strenge der alten Disciplin nicht mehr fuͤgen wollten. Ein Je- ſuit, der den Stock gegen einen Schuͤler erhob, empfing von dieſem einen Dolchſtoß: ein junger Menſch in Gubbio, der ſich von dem Pater Prefetto zu hart behandelt glaubte, brachte denſelben dafuͤr um. Auch in Rom gaben die Be- wegungen im Collegium, der Stadt und dem Pallaſt un- aufhoͤrlich zu reden. Die Lehrer wurden von ihren Schuͤ- lern einmal geradezu einen Tag lang eingeſperrt gehalten: der Rector mußte, wie dieſe forderten, zuletzt doch wirk- lich entlaſſen werden. Es ſind das Symptome eines all- gemeinen Kampfes zwiſchen den alten Ordnungen und neuen Tendenzen. Am Ende behielten dieſe letzten doch wirklich den Platz. Die Jeſuiten vermochten den Einfluß nicht mehr zu behaupten, mit welchem ſie fruͤherhin die Gemuͤther beherrſcht hatten. Ueberhaupt das war nicht mehr ihr Sinn ſich die Welt zu unterwerfen, ſie mit religioͤſem Geiſte zu durch- dringen: ihr eigener Geiſt war vielmehr ſelbſt der Welt ver- fallen: ſie ſtrebten nur, den Menſchen unentbehrlich zu wer- den, auf welche Weiſe das auch immer geſchehen mochte. Nicht allein die Vorſchriften des Inſtitutes, die Leh- ren der Religion und Moral ſelbſt bildeten ſie nach dieſem Zwecke um. Dem Geſchaͤfte der Beichte, durch das ſie 1) 1) o tappezzerie, calici o altri addobbi somiglianti, tutto ridonda in utilità de’ collegi medesimi. Avegna che i rettori locali se ne servono indifferentemente, dal che ne derivano infinite offen- sioni, poco o nulla stimano i lamenti de’ proprj scolari. 9*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/143>, abgerufen am 23.11.2024.