mit Theilnahme abgewinnenden, beschäftigenden Interessen gefunden hätte, wie am Hofe zu Rom. Die Gewalt fühlte man wenig: die herrschenden Geschlechter theilten im Grunde Glanz und Macht; auch die geistlichen Anforderungen konn- ten nicht mehr in aller ihrer Strenge durchgesetzt werden: sie fanden schon in der Gesinnung der Welt einen merkli- chen Widerstand. Man möchte sagen: die im Laufe der Zeiten emporgekommenen geistigen Antriebe und Persön- lichkeiten bewegten sich in schwelgerischem Gleichgewicht.
Eine andere Frage war aber, wie man von hier aus Kirche und Staat regieren werde.
Denn ohne Zweifel hatte der Hof oder vielmehr die Prälatur, welche eigentlich erst die vollgültigen Mitglieder der Curie umfaßte, diese Verwaltung in ihren Händen.
Schon unter Alexander VII. hatte sich das Institut der Prälatur in seinen modernen Formen ausgebildet. Um Referendario di Segnatura zu werden, wovon alles abhing, mußte man Doctor Juris seyn, 3 Jahre bei einem Advo- caten gearbeitet, ein bestimmtes Alter erreicht haben, ein be- stimmtes Vermögen besitzen, und übrigens keinen Tadel dar- bieten. Das Alter war früher auf 25 Jahre, das Vermögen auf ein Einkommen von 1000 Sc. festgesetzt; Alexander traf die ziemlich aristokratische Abänderung, daß nur 21 Jahre erforderlich seyn, aber dagegen 1500 Scudi feste Einkünfte nachgewiesen werden sollten. Wer diesen Anforderungen genügte, ward von dem Prefetto di Segnatura eingekleidet, und mit dem Vortrag über zwei Streitsachen vor versam- melter Segnatura beauftragt 1). So ergriff er Besitz: so
1)Discorso del dominio temporale e spirituale del S. Pon- tefice Romano 1664. MS.
BuchVIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
mit Theilnahme abgewinnenden, beſchaͤftigenden Intereſſen gefunden haͤtte, wie am Hofe zu Rom. Die Gewalt fuͤhlte man wenig: die herrſchenden Geſchlechter theilten im Grunde Glanz und Macht; auch die geiſtlichen Anforderungen konn- ten nicht mehr in aller ihrer Strenge durchgeſetzt werden: ſie fanden ſchon in der Geſinnung der Welt einen merkli- chen Widerſtand. Man moͤchte ſagen: die im Laufe der Zeiten emporgekommenen geiſtigen Antriebe und Perſoͤn- lichkeiten bewegten ſich in ſchwelgeriſchem Gleichgewicht.
Eine andere Frage war aber, wie man von hier aus Kirche und Staat regieren werde.
Denn ohne Zweifel hatte der Hof oder vielmehr die Praͤlatur, welche eigentlich erſt die vollguͤltigen Mitglieder der Curie umfaßte, dieſe Verwaltung in ihren Haͤnden.
Schon unter Alexander VII. hatte ſich das Inſtitut der Praͤlatur in ſeinen modernen Formen ausgebildet. Um Referendario di Segnatura zu werden, wovon alles abhing, mußte man Doctor Juris ſeyn, 3 Jahre bei einem Advo- caten gearbeitet, ein beſtimmtes Alter erreicht haben, ein be- ſtimmtes Vermoͤgen beſitzen, und uͤbrigens keinen Tadel dar- bieten. Das Alter war fruͤher auf 25 Jahre, das Vermoͤgen auf ein Einkommen von 1000 Sc. feſtgeſetzt; Alexander traf die ziemlich ariſtokratiſche Abaͤnderung, daß nur 21 Jahre erforderlich ſeyn, aber dagegen 1500 Scudi feſte Einkuͤnfte nachgewieſen werden ſollten. Wer dieſen Anforderungen genuͤgte, ward von dem Prefetto di Segnatura eingekleidet, und mit dem Vortrag uͤber zwei Streitſachen vor verſam- melter Segnatura beauftragt 1). So ergriff er Beſitz: ſo
1)Discorso del dominio temporale e spirituale del S. Pon- tefice Romano 1664. MS.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0116"n="104"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">VIII.</hi><hirendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
mit Theilnahme abgewinnenden, beſchaͤftigenden Intereſſen<lb/>
gefunden haͤtte, wie am Hofe zu Rom. Die Gewalt fuͤhlte<lb/>
man wenig: die herrſchenden Geſchlechter theilten im Grunde<lb/>
Glanz und Macht; auch die geiſtlichen Anforderungen konn-<lb/>
ten nicht mehr in aller ihrer Strenge durchgeſetzt werden:<lb/>ſie fanden ſchon in der Geſinnung der Welt einen merkli-<lb/>
chen Widerſtand. Man moͤchte ſagen: die im Laufe der<lb/>
Zeiten emporgekommenen geiſtigen Antriebe und Perſoͤn-<lb/>
lichkeiten bewegten ſich in ſchwelgeriſchem Gleichgewicht.</p><lb/><p>Eine andere Frage war aber, wie man von hier aus<lb/>
Kirche und Staat regieren werde.</p><lb/><p>Denn ohne Zweifel hatte der Hof oder vielmehr die<lb/>
Praͤlatur, welche eigentlich erſt die vollguͤltigen Mitglieder<lb/>
der Curie umfaßte, dieſe Verwaltung in ihren Haͤnden.</p><lb/><p>Schon unter Alexander <hirendition="#aq">VII.</hi> hatte ſich das Inſtitut<lb/>
der Praͤlatur in ſeinen modernen Formen ausgebildet. Um<lb/>
Referendario di Segnatura zu werden, wovon alles abhing,<lb/>
mußte man Doctor Juris ſeyn, 3 Jahre bei einem Advo-<lb/>
caten gearbeitet, ein beſtimmtes Alter erreicht haben, ein be-<lb/>ſtimmtes Vermoͤgen beſitzen, und uͤbrigens keinen Tadel dar-<lb/>
bieten. Das Alter war fruͤher auf 25 Jahre, das Vermoͤgen<lb/>
auf ein Einkommen von 1000 Sc. feſtgeſetzt; Alexander traf<lb/>
die ziemlich ariſtokratiſche Abaͤnderung, daß nur 21 Jahre<lb/>
erforderlich ſeyn, aber dagegen 1500 Scudi feſte Einkuͤnfte<lb/>
nachgewieſen werden ſollten. Wer dieſen Anforderungen<lb/>
genuͤgte, ward von dem Prefetto di Segnatura eingekleidet,<lb/>
und mit dem Vortrag uͤber zwei Streitſachen vor verſam-<lb/>
melter Segnatura beauftragt <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Discorso del dominio temporale e spirituale del S. Pon-<lb/>
tefice Romano 1664. MS.</hi></note>. So ergriff er Beſitz: ſo<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[104/0116]
Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
mit Theilnahme abgewinnenden, beſchaͤftigenden Intereſſen
gefunden haͤtte, wie am Hofe zu Rom. Die Gewalt fuͤhlte
man wenig: die herrſchenden Geſchlechter theilten im Grunde
Glanz und Macht; auch die geiſtlichen Anforderungen konn-
ten nicht mehr in aller ihrer Strenge durchgeſetzt werden:
ſie fanden ſchon in der Geſinnung der Welt einen merkli-
chen Widerſtand. Man moͤchte ſagen: die im Laufe der
Zeiten emporgekommenen geiſtigen Antriebe und Perſoͤn-
lichkeiten bewegten ſich in ſchwelgeriſchem Gleichgewicht.
Eine andere Frage war aber, wie man von hier aus
Kirche und Staat regieren werde.
Denn ohne Zweifel hatte der Hof oder vielmehr die
Praͤlatur, welche eigentlich erſt die vollguͤltigen Mitglieder
der Curie umfaßte, dieſe Verwaltung in ihren Haͤnden.
Schon unter Alexander VII. hatte ſich das Inſtitut
der Praͤlatur in ſeinen modernen Formen ausgebildet. Um
Referendario di Segnatura zu werden, wovon alles abhing,
mußte man Doctor Juris ſeyn, 3 Jahre bei einem Advo-
caten gearbeitet, ein beſtimmtes Alter erreicht haben, ein be-
ſtimmtes Vermoͤgen beſitzen, und uͤbrigens keinen Tadel dar-
bieten. Das Alter war fruͤher auf 25 Jahre, das Vermoͤgen
auf ein Einkommen von 1000 Sc. feſtgeſetzt; Alexander traf
die ziemlich ariſtokratiſche Abaͤnderung, daß nur 21 Jahre
erforderlich ſeyn, aber dagegen 1500 Scudi feſte Einkuͤnfte
nachgewieſen werden ſollten. Wer dieſen Anforderungen
genuͤgte, ward von dem Prefetto di Segnatura eingekleidet,
und mit dem Vortrag uͤber zwei Streitſachen vor verſam-
melter Segnatura beauftragt 1). So ergriff er Beſitz: ſo
1) Discorso del dominio temporale e spirituale del S. Pon-
tefice Romano 1664. MS.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/116>, abgerufen am 30.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.