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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch V. Gegenreformationen.
durch den persönlichen Einfluß des Grafen Nuenar auf das
Capitel, und sehr wohl wußte dieser große Protestant, wer
es war, den er empfahl. In der That bedurfte es nicht
erst, wie man gesagt hat, der Bekanntschaft Gebhards mit
Agnes von Mansfeld, um ihm eine anti-katholische Rich-
tung zu geben. Gleich bei seinem feierlichen Einzug in
Cöln, als ihm die Clerisey in Procession entgegenkam, stieg
er nicht vom Pferde, um, wie es das Herkommen wollte,
das Kreuz zu küssen: in der Kirche erschien er im Solda-
tenrock: es gefiel ihm nicht, das Hochamt zu halten. Von
allem Anfang hielt er sich an den Prinzen von Oranien:
seine vornehmsten Räthe waren Calvinisten1): und da er
nun kein Bedenken trug Verpfändungen vorzunehmen, um
Truppen zu werben, sich des Adels zu versichern suchte,
auch unter den Cölner Zünften eine Partei begünstigte, die
sich den katholischen Gebräuchen zu widersetzen anfing, so
ließ sich alles zu der Absicht an, mit der er später wirk-
lich hervortrat, das geistliche Churfürstenthum in ein welt-
liches zu verwandeln.

Gebhard Truchseß war zur Zeit wenigstens noch äu-
ßerlich katholisch. Die benachbarten Stifter in Westpha-
len und Niedersachsen dagegen geriethen, wie wir schon be-
merkten, unmittelbar in protestantische Hände. Von be-
sonderer Bedeutung war das Aufkommen Herzog Hein-
richs von Sachsen-Lauenburg. Noch in sehr jungen Jah-
ren war er, obwohl ein guter Lutheraner, zu dem Erz-
bisthum Bremen, hierauf zu dem Bisthum Osnabrück,
1577 auch zu dem Bisthum Paderborn postulirt wor-

1) Maffei: Annali di Gregorio XIII. T. I, p. 331.

Buch V. Gegenreformationen.
durch den perſoͤnlichen Einfluß des Grafen Nuenar auf das
Capitel, und ſehr wohl wußte dieſer große Proteſtant, wer
es war, den er empfahl. In der That bedurfte es nicht
erſt, wie man geſagt hat, der Bekanntſchaft Gebhards mit
Agnes von Mansfeld, um ihm eine anti-katholiſche Rich-
tung zu geben. Gleich bei ſeinem feierlichen Einzug in
Coͤln, als ihm die Cleriſey in Proceſſion entgegenkam, ſtieg
er nicht vom Pferde, um, wie es das Herkommen wollte,
das Kreuz zu kuͤſſen: in der Kirche erſchien er im Solda-
tenrock: es gefiel ihm nicht, das Hochamt zu halten. Von
allem Anfang hielt er ſich an den Prinzen von Oranien:
ſeine vornehmſten Raͤthe waren Calviniſten1): und da er
nun kein Bedenken trug Verpfaͤndungen vorzunehmen, um
Truppen zu werben, ſich des Adels zu verſichern ſuchte,
auch unter den Coͤlner Zuͤnften eine Partei beguͤnſtigte, die
ſich den katholiſchen Gebraͤuchen zu widerſetzen anfing, ſo
ließ ſich alles zu der Abſicht an, mit der er ſpaͤter wirk-
lich hervortrat, das geiſtliche Churfuͤrſtenthum in ein welt-
liches zu verwandeln.

Gebhard Truchſeß war zur Zeit wenigſtens noch aͤu-
ßerlich katholiſch. Die benachbarten Stifter in Weſtpha-
len und Niederſachſen dagegen geriethen, wie wir ſchon be-
merkten, unmittelbar in proteſtantiſche Haͤnde. Von be-
ſonderer Bedeutung war das Aufkommen Herzog Hein-
richs von Sachſen-Lauenburg. Noch in ſehr jungen Jah-
ren war er, obwohl ein guter Lutheraner, zu dem Erz-
bisthum Bremen, hierauf zu dem Bisthum Osnabruͤck,
1577 auch zu dem Bisthum Paderborn poſtulirt wor-

1) Maffei: Annali di Gregorio XIII. T. I, p. 331.
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[74/0086] Buch V. Gegenreformationen. durch den perſoͤnlichen Einfluß des Grafen Nuenar auf das Capitel, und ſehr wohl wußte dieſer große Proteſtant, wer es war, den er empfahl. In der That bedurfte es nicht erſt, wie man geſagt hat, der Bekanntſchaft Gebhards mit Agnes von Mansfeld, um ihm eine anti-katholiſche Rich- tung zu geben. Gleich bei ſeinem feierlichen Einzug in Coͤln, als ihm die Cleriſey in Proceſſion entgegenkam, ſtieg er nicht vom Pferde, um, wie es das Herkommen wollte, das Kreuz zu kuͤſſen: in der Kirche erſchien er im Solda- tenrock: es gefiel ihm nicht, das Hochamt zu halten. Von allem Anfang hielt er ſich an den Prinzen von Oranien: ſeine vornehmſten Raͤthe waren Calviniſten 1): und da er nun kein Bedenken trug Verpfaͤndungen vorzunehmen, um Truppen zu werben, ſich des Adels zu verſichern ſuchte, auch unter den Coͤlner Zuͤnften eine Partei beguͤnſtigte, die ſich den katholiſchen Gebraͤuchen zu widerſetzen anfing, ſo ließ ſich alles zu der Abſicht an, mit der er ſpaͤter wirk- lich hervortrat, das geiſtliche Churfuͤrſtenthum in ein welt- liches zu verwandeln. Gebhard Truchſeß war zur Zeit wenigſtens noch aͤu- ßerlich katholiſch. Die benachbarten Stifter in Weſtpha- len und Niederſachſen dagegen geriethen, wie wir ſchon be- merkten, unmittelbar in proteſtantiſche Haͤnde. Von be- ſonderer Bedeutung war das Aufkommen Herzog Hein- richs von Sachſen-Lauenburg. Noch in ſehr jungen Jah- ren war er, obwohl ein guter Lutheraner, zu dem Erz- bisthum Bremen, hierauf zu dem Bisthum Osnabruͤck, 1577 auch zu dem Bisthum Paderborn poſtulirt wor- 1) Maffei: Annali di Gregorio XIII. T. I, p. 331.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/86>, abgerufen am 30.04.2024.